de Laclos, Choderlos
Gefährliche Liebschaften
de Laclos, Choderlos

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Hundertundsiebzigster Brief

Der Chevalier Danceny an Frau von Rosemonde.

Gnädige Frau!

Vielleicht finden Sie meinen heutigen Schritt sehr sonderbar; aber ich bitte Sie dringend, hören Sie mich an, ehe Sie mich verurteilen, und sehen Sie weder Kühnheit noch Vermessenheit dort, wo nur Ehrfurcht und Vertrauen herrschen. Ich verhehle mir das Unrecht nicht, in dem ich mich Ihnen gegenüber befinde, und ich würde es mir zeitlebens nicht verzeihen, könnte ich einen Moment lang glauben, es wäre mir möglich gewesen, es zu vermeiden. Seien Sie sogar überzeugt, gnädige Frau, wenn ich auch frei von Vorwurf bin, so bin ich es doch nicht von Schmerz; und auch das sage ich Ihnen mit Aufrichtigkeit, daß das Leid das ich Ihnen verursache, viel von dem ausmacht, das ich selber empfinde. Damit Sie diesen Gefühlen glauben, deren ich Sie zu versichern wage, brauchen Sie sich nur selbst gerecht zu werden und zu wissen, daß ich, ohne die Ehre zu haben von Ihnen gekannt zu sein, doch die habe, Sie zu kennen.

Doch während ich über dies Verhängnis klage, das gleichzeitig Ihren Kummer und mein Unglück bewirkt hat, will man mich befürchten machen, daß Sie, ganz Ihrer Rache ergeben, alle Mittel ihr zu genügen suchen, ja sogar auch in der Strenge des Gesetzes.

Erlauben Sie mir, Ihnen zu bemerken, daß hier Ihr Schmerz Sie irreführt, da mein Interesse in diesem Punkte wesentlich mit dem des Herrn von Valmont verknüpft ist, und daß von der Verurteilung, die Sie gegen mich veranlaßt hätten, auch er betroffen sein würde. Ich würde demnach glauben, gnädige Frau, eher auf Ihren Beistand rechnen zu dürfen als auf Hindernisse, bei den Bemühungen, die ich vielleicht nötig haben werde, damit dieses unglückselige Ereignis in Schweigen begraben bleibt.

Aber diese Hilfe der Mitschuld, das gleichzeitig dem Schuldigen wie dem Unschuldigen zustatten kommt, kann meinem Empfinden nicht genügen; indem ich Sie als Gegenpartei zu beseitigen wünsche, rufe ich Sie als meinen Richter an. Die Achtung derjenigen, die man selber achtet, ist zu kostbar, als daß ich mir die Ihrige entreißen ließe, ohne sie zu verteidigen, und ich glaube, die Mittel dafür zu haben.

Wenn Sie zugeben, daß die Rache erlaubt ist, besser gesagt, daß man sie sich schuldet, wenn man in seiner Liebe verraten wurde, in seiner Freundschaft und ganz besonders in seinem Vertrauen, – wenn Sie das zugeben, wird mein Unrecht vor Ihren Augen verschwinden. Glauben Sie meinen Reden nicht; aber lesen Sie, wenn Sie den Mut dazu haben, den Briefwechsel, den ich in Ihre Hände lege. Die Menge der Briefe, die im Original sich darunter befinden, bestätigen wohl die Echtheit derer, von denen nur die Kopien dabei sind. Im übrigen habe ich diese Papiere, so wie ich die Ehre habe Sie Ihnen zu unterbreiten von Herrn von Valmont selbst empfangen. Ich habe nichts hinzugefügt und nur zwei Briefe davon behalten, die zu veröffentlichen ich mir erlaubte.

Der eine war notwendig für meine und Herrn von Valmonts Rache, auf die wir beide ein Recht hatten, und mit der er mich ausdrücklich betraut hat. Ich glaubte überdies, daß damit der Gesellschaft ein Dienst geleistet wäre, wenn man eine so in Wahrheit gefährliche Frau, wie Frau von Merteuil war, entlarvte, denn sie ist, wie Sie sehen können, die einzige und wahre Ursache von all dem, was zwischen Herrn von Valmont und mir geschehen ist.

Ein Gefühl der Gerechtigkeit hat mich auch veranlaßt, den zweiten Brief zu veröffentlichen, zur Genugtuung für Herrn von Prévan, den ich kaum kenne, der aber in keiner Weise die strenge Behandlung verdient hatte, die er erleiden mußte, noch das strenge Urteil der öffentlichen Meinung, das noch furchtbarer ist, und unter dem er seit der Zeit leidet, ohne irgendein Mittel zu seiner Verteidigung in der Hand zu haben.

Sie werden also nur die Abschriften dieser beiden Briefe finden, deren Originale ich für mich behalten muß. In keine sichereren Hände glaube ich die übrigen Papiere legen zu können, an deren Erhaltung mir wohl gelegen ist, aber mit denen Mißbrauch zu treiben ich erröten müßte. Ich glaube, gnädige Frau, indem ich Ihnen diese Papiere anvertraue, auch denjenigen dabei beteiligten Personen ebensogut zu dienen, als wenn ich sie ihnen selbst übergäbe; und ich erspare ihnen die Peinlichkeit, sie aus meinen Händen zu nehmen, und sie so wissen zu lassen, daß ich über Dinge unterrichtet bin, von denen sie zweifellos wünschen, daß niemand darum weiß.

Ich muß Sie, glaube ich, noch darauf aufmerksam machen, daß der beiliegende Briefwechsel nur ein Teil eines viel umfangreicheren ist, dem Herr von Valmont ihn in meiner Gegenwart entnommen hat, und die Sie bei Abnahme der Siegel finden werden, unter dem Titel, den ich gelesen habe: »Konto der Marquise von Merteuil bei Vicomte von Valmont.« Sie werden darüber ganz nach Ihrer Einsicht verfügen.

Ich bin mit Hochachtung, gnädige Frau, Ihr ergebener

von Danceny.

P. S. Einige Warnungen, die ich bekommen habe, und der Rat meiner Freunde haben mich bestimmt, für einige Zeit Paris zu verlassen. Aber der Ort meines Aufenthaltes, der allen geheim ist, soll es für Sie nicht sein. Wenn Sie mich mit einer Antwort beehren wollen, so bitte ich Sie, an die Komturei von ** bei P* zu adressieren, an den Herrn Komtur von **. Von seinem Hause aus habe ich die Ehre Ihnen zu schreiben.

..., den 12. Dezember 17..


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