de Laclos, Choderlos
Gefährliche Liebschaften
de Laclos, Choderlos

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Hunderunddreizehnter Brief

Frau von Rosemonde an Frau von Tourvel. (Diktiert.)

Ich erhalte erst jetzt, meine liebe schöne Frau, Ihren Brief vom 11. und die sanften Vorwürfe, die er enthält. Geben Sie nur zu, daß Sie mir recht gern viel härtere gemacht und mich, wenn Sie sich nicht daran erinnert hätten, daß Sie »meine Tochter« sind, gern ausgezankt haben würden. Sie wären da aber sehr ungerecht gewesen! Nichts als in dem Wunsch und in der Hoffnung, Ihnen selbst antworten zu können, schob ich es von Tag zu Tag auf, und Sie sehen, auch heute noch muß ich mich der Hand meiner Kammerjungfer bedienen. Mein unglücklicher Rheumatismus hat mich wieder; diesmal hat er sich im rechten Arm eingenistet, so daß ich schlechterdings schreibunfähig bin. Das kommt dabei heraus, wenn man, jung und frisch wie Sie, eine alte Freundin hat! Man leidet unter ihren Unpäßlichkeiten.

Sowie meine Schmerzen etwas nachlassen, verspreche ich Ihnen, ausführlich mit Ihnen zu plaudern. Inzwischen sollen Sie nur erfahren, daß ich Ihre zwei Briefe erhielt, daß sie, wenn das möglich wäre, meine Freundschaft für Sie verdoppelt hätten, und daß ich nie aufhören werde, an allem, was Sie angeht, lebhaftesten Anteil zu nehmen.

Mein Neffe ist auch etwas unpäßlich, aber ohne Gefahr und ohne daß man sich darüber ängstigen müßte. Ein leichtes Unwohlsein, das, wie ich glaube, mehr seine Stimmung angreift als seine Gesundheit. Wir sehen ihn fast gar nicht mehr.

Seine Zurückgezogenheit und Ihre Abreise machen unsern kleinen Kreis nicht vergnügter. Besonders die kleine Volanges hat furchtbar viel zu sagen: sie gähnt den ganzen Tag lang, daß sie ihre Fäuste verschlucken könnte. Insbesondere seit ein paar Tagen erweist sie uns die Ehre, jeden Nachmittag nach Tisch fest einzuschlafen.

Adieu, meine liebe schöne Frau, ich bin für immer Ihre gute Freundin, Ihre gute Mama, ja Ihre Schwester, wenn mein hohes Alter diesen Titel erlaubte. Genug, ich bin Ihnen allzeit durch die zärtlichsten Gefühle verbunden.

Gezeichnet: Adéhaide, für Frau von Rosemonde.

Schloß . . ., den 14. Oktober 17..


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