de Laclos, Choderlos
Gefährliche Liebschaften
de Laclos, Choderlos

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Hundertunddreiunddreissigster Brief

Frau von Tourvel an Frau von Rosemonde.

Durchdrungen, gnädige Frau, von Ihrer Güte für mich, würde ich mich ihr ganz hingeben, wäre ich nicht durch eine Art Furcht zurückgehalten, sie zu entweihen, wenn ich sie annähme. Warum muß ich, wo ich doch den Wert Ihrer Güte ganz erkenne, doch gleichzeitig fühlen, daß ich ihrer nicht mehr würdig bin? Ach! Ich darf Ihnen wenigstens meine Dankbarkeit dafür bezeugen, und will ganz besonders diese Nachsicht der Tugend bewundern, die von unseren Schwächen nur weiß, um sie zu bemitleiden, und dessen mächtiger Zauber eine so sanfte und starke Macht über die Herzen bewahrt, selbst neben dem Zauber der Liebe.

Aber kann ich denn eine Freundschaft noch verdienen, die mir zu meinem Glück nicht mehr genug ist? Ich sage dasselbe von Ihren Ratschlägen; ich fühle ihren Wert und kann sie nicht befolgen. Und wie sollte ich nicht an ein vollkommenes Glück glauben, da ich es in diesem Augenblick erlebe? Ja, wenn die Männer so sind, wie Sie sie schildern, muß man sie fliehen, denn dann sind sie hassenswert; aber wie weit entfernt ist dann Valmont, ihnen zu gleichen! Wenn er wie sie diese Heftigkeit der Leidenschaft hat, was Sie Ungestüm nennen, um wie vieles ist sie bei ihm nicht durch ein Übermaß von Zartheit übertroffen! O meine Freundin, Sie sprechen davon, daß Sie die Schmerzen mit mir teilen wollen; freuen Sie sich doch über mein Glück! Ich schulde es der Liebe, und um wie viel mehr wert wird es noch durch den Gegenstand dieser Liebe! Sie lieben, sagen Sie, Ihren Neffen, vielleicht mit Schwäche. Ach, wenn Sie ihn kennten wie ich!

Ich liebe ihn abgöttisch, und immer noch weniger als er es verdient. Er mag sich zweifellos zu einigen Irrtümern haben hinreißen lassen, er gibt es selbst zu; wer aber hat je die wahre Liebe so gekannt wie er? Was kann ich Ihnen denn noch mehr sagen? Er empfindet sie so wie er sie eingibt.

Sie werden sagen, das sei »eine dieser Chimären, womit die Liebe nie verfehlt, unsere Phantasie zu täuschen«. Aber wenn es so der Fall wäre, warum wäre er dann zärtlicher und aufmerksamer geworden, seitdem er nichts mehr zu erreichen hat? Ich will bekennen, früher fand ich manchmal Überlegtes an ihm, eine gewisse Zurückhaltung, die ihn selten verließ, und die mich oft gegen meinen Willen wieder auf die falschen Vorstellungen brachte, die man mir von ihm beigebracht hatte. Seit er sich aber ohne Zwang dem Zuge seines Herzens überlassen kann, scheint er alle meine Wünsche zu erraten. Wer weiß, ob wir nicht füreinander geboren sind! Ob dieses Glück nicht mir vorbehalten war, für das seine nötig zu sein! Ach! Und wenn es eine Täuschung ist, dann möchte ich sterben, bevor sie aufhört. Doch nein, ich will leben, um ihn zu lieben, um ihn anzubeten. Warum sollte er aufhören, mich zu lieben? Welch andere Frau würde er glücklicher machen als mich? Und, ich fühle das an mir selbst, dieses Glück, das man hervorruft, ist das stärkste Band, das einzige, wirklich haltbare. Ja, dieses köstliche Gefühl veredelt die Liebe, reinigt sie gewissermaßen und macht sie einer zärtlichen und großmütigen Seele wahrhaft würdig, wie der Valmonts.

Adieu, meine liebe, meine verehrungswürdige, meine nachsichtige Freundin. Ich würde vergeblich versuchen, Ihnen noch mehr zu schreiben; die Stunde ist da, wo er zu kommen versprochen hat, und jeder andere Gedanke verläßt mich. Verzeihen Sie! Aber Sie wollen mein Glück, und dies ist in diesem Augenblick so groß, daß ich ihm kaum genüge.

Paris, den 7. November 17..


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