de Laclos, Choderlos
Gefährliche Liebschaften
de Laclos, Choderlos

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Hundertundsechsundvierzigster Brief

Die Marquise von Merteuil an den Vicomte von Valmont.

Ganz im Ernst, Vicomte, Sie haben die Präsidentin verlassen? Sie haben ihr den Brief geschickt, den ich Ihnen für sie aufgesetzt hatte? Sie sind wirklich reizend und haben meine Erwartungen übertroffen! Ich gestehe gern, daß dieser Triumph mir mehr schmeichelt als alle, die ich bis jetzt etwa erlangt habe. Sie werden vielleicht finden, daß ich diese Frau jetzt sehr hoch einschätze, die ich noch vor kurzem so gering anschlug. Aber keineswegs. Es ist nur dies, daß ich nicht über Frau von Tourvel einen Sieg davon getragen habe, sondern über Sie. Das ist das Komische und wirklich Köstliche dabei.

Ja, Vicomte, Sie liebten Frau von Tourvel sehr, ja Sie lieben sie noch. Sie lieben sie wahnsinnig; aber weil ich mich amüsierte, Sie damit zu beschämen, haben Sie sie tapfer aufgeopfert. Sie hätten eher tausend geopfert, als einen Spott ertragen. Wohin bringt uns nicht die Eitelkeit! Der Weise hat recht, wenn er sagt, daß sie die Feindin des Glückes ist.

Wo wären Sie jetzt, wenn ich Ihnen nur einen Streich hätte spielen wollen? Aber ich kann nicht betrügen, Sie wissen das wohl; und sollten Sie mich auch meinerseits in die Verzweiflung und ins Kloster treiben, so riskiere ich es und ergebe mich meinem Sieger.

Indes: wenn ich kapituliere, so ist es nichts als Schwäche. Denn wenn ich wollte, wie viele Kniffe hätte ich nicht noch gegen Sie! Und vielleicht würden Sie es verdienen? So bewundere ich zum Beispiel, mit welcher Schlauheit oder Ungeschicktheit Sie mir in aller Ruhe vorschlagen, ich solle Sie wieder mit der Präsidentin anknüpfen lassen. Das würde Ihnen sehr zusagen, nicht wahr, daß Sie sich das Verdienst des Bruches der Beziehungen zuschreiben dürften, und doch noch die Freuden des Genusses nicht verlieren. Und da alsdann dieses scheinbare Opfer für Sie keines mehr wäre, so bieten Sie mir an, es nach meinem Belieben nochmals zu bringen! Durch dieses Arrangement hielte sich die himmlische Betschwester noch immer für die einzig Erwählte Ihres Herzens, während ich stolz darauf wäre, die bevorzugte Rivalin zu sein. Wir wären beide betrogen, Sie aber wären zufrieden, – und was geht Sie das übrige an?

Schade, daß Sie mit so viel Talent zum Plänemachen so wenig zur Ausführung haben, und daß Sie durch einen einzigen unbedachten Schritt sich selbst ein unüberwindliches Hindernis errichtet haben vor das, was Sie am meisten wünschen.

Wie! Sie hatten die Absicht wieder anzuknüpfen und konnten meinen Brief schreiben? Sie haben mich danach wohl für sehr ungeschickt gehalten. Glauben Sie mir, Vicomte, wenn eine Frau nach dem Herzen einer andern stößt, verfehlt sie selten den rechten Punkt, und die Wunde ist unheilbar. Während ich nach dieser stieß, oder vielmehr Ihren Stoß lenkte, vergaß ich nie, daß diese Frau meine Rivalin war, daß Sie sie einen Augenblick lang mir vorgezogen hatten, und daß Sie mich schließlich doch unter sie gestellt haben! Wenn ich mich in meiner Rache geirrt habe, so willige ich ein, den Fehler zu tragen. Somit heiße ich es gut, daß Sie alle Mittel versuchen; ich fordere Sie sogar dazu auf und verspreche Ihnen, über Ihren Erfolg nicht bös zu sein, wenn Sie welchen haben. Ich bin darüber so ruhig, daß ich mich damit nicht mehr abgeben will. Sprechen wir von etwas anderem.

Zum Beispiel von dem Befinden der kleinen Volanges. Sie werden mir bestimmte Nachrichten über sie nach meiner Rückkunft geben, nicht wahr? Ich werde mich freuen, sie zu hören. Danach steht es bei Ihnen und Ihrem Urteil, ob Sie das kleine Mädchen ihrem Liebhaber wieder zustellen oder es ein zweites Mal versuchen wollen, der Gründer einer neuen Linie der Valmont unter dem Namen Gercourt zu werden. Diese Idee schien mir sehr spaßig, und wenn ich Ihnen die Wahl lasse, erwarte ich doch, daß Sie sich noch nicht endgültig entscheiden, bevor wir darüber gesprochen haben. Nicht daß ich Sie so auf lange vertrösten will, denn ich werde sehr bald in Paris sein. Ich kann Ihnen den genauen Tag noch nicht sagen, aber Sie zweifeln hoffentlich nicht daran, daß Sie der Erste sind, den ich davon benachrichtige, sobald ich angekommen bin.

Adieu, Vicomte! Trotz allen Streitigkeiten, Bosheiten und Vorwürfen hab' ich Sie immer noch sehr lieb und bereite mich vor, es Ihnen zu beweisen. Auf Wiedersehen, Freund!

Schloß . . ., den 29. November 17..


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