de Laclos, Choderlos
Gefährliche Liebschaften
de Laclos, Choderlos

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Hundertundachtundzwanzigster Brief

Die Marquise von Merteuil an den Vicomte von Valmont.

Wenn ich, Vicomte, Ihren Brief vom 19. nicht beantwortet habe, so geschah das nicht deshalb, weil ich keine Zeit dazu hatte, sondern einfach nur deshalb, weil er mich in schlechte Laune versetzt hat und ich keinen Sinn in dem Brief fand. Ich glaube also, das beste sei, zu tun als wäre er nicht geschrieben. Da Sie aber darauf zurückkommen, Ihnen an den Gedanken, die er vorträgt, etwas zu liegen scheint, und Sie mein Stillschweigen als eine Zustimmung aufzufassen scheinen, muß ich Ihnen klar und deutlich meine Meinung sagen.

Ich habe vielleicht öfters den Anspruch erhoben, für mich allein einen ganzen Serail zu ersetzen, nie aber hat es mir behagt, zu einem zu gehören. Ich glaube, Sie wüßten das. Jetzt wenigstens, wo ich es Ihnen ausdrücklich sage, werden Sie sich leicht denken können, wie sehr lächerlich mir Ihr Vorschlag erscheinen muß. Was denn? Ich, ich sollte eine Neigung, und dazu noch eine neue opfern, um mich mit Ihnen zu beschäftigen? Und wie nur? Indem ich als unterwürfige Sklavin die erhabene Gunst Eurer Hoheit abwarte. Wenn Sie zum Beispiel für einen Augenblick eine Ablenkung von dem »unbekannten Zauber« brauchen, den »diese anbetungswürdige, diese himmlische« Frau von Tourvel allein Sie hat empfangen lassen, oder wenn Sie befürchten, bei der »anziehenden Cécile« die höhere Meinung zu gefährden, die Sie möchten, daß sie sie von Ihnen behält, – dann würden sie bis zu mir heruntersteigen und sich zwar weniger lebhafte, aber auch folgenlosere Freuden suchen; und Ihre kostbare Güte sollte, obschon etwas selten, zu meinem Glücke genügen. So haben Sie gedacht.

Gewiß, Sie haben eine reichlich hohe Meinung von sich selber: aber sicher ist meine Bescheidenheit nicht so reichlich, denn ich mag mich prüfen wie ich will, so tief finde ich mich noch nicht gesunken. Das ist vielleicht ein Fehler von mir; aber ich mache Sie darauf aufmerksam, ich habe noch andere.

Ich habe vor allen den Fehler zu glauben, daß der »Schuljunge«, der »zuckersüße« Danceny, der sich nur mit mir beschäftigt, und mir, ohne sich daraus ein Verdienst zu machen, eine erste Leidenschaft opfert, noch bevor sie befriedigt ist, und mich überhaupt liebt, wie man nur in seinem Alter liebt – ich glaube, dieser Danceny könne trotz seinen zwanzig Jahren mehr für mein Glück sein und tätiger für mein Vergnügen als Sie. Ich möchte mir sogar noch beizufügen erlauben, daß, sollte mir der Gedanke kommen, ihm einen Gehilfen zu geben, es Sie nicht wären, wenigstens nicht im Augenblick.

Sie fragen mich nach den Gründen? Erstens könnten überhaupt keine da sein: denn dieselbe Laune, die Sie bevorzugte, kann Sie doch auch wieder ausschließen, nicht wahr? Ich will Ihnen aber doch, aus Höflichkeit, meine Wünsche begründen. Mir scheint, Sie hätten mir zu viel zu opfern; und statt Ihnen dafür so dankbar zu sein, wie Sie unfehlbar erwarten würden, wäre ich imstande zu glauben, daß Sie mir noch Erkenntlichkeit schulden! Sie sehen, wir sind in unserer Denkungsart so weit voneinander entfernt, daß wir uns auf keine Weise nahe kommen können; und ich fürchte, ich werde sehr viel Zeit brauchen, aber schon sehr viel, um anderer Meinung zu werden. Wenn ich mich gebessert habe, verspreche ich Ihnen, es zu melden. Bis dahin, glauben Sie mir, treffen Sie andere Arrangements und behalten Ihre Küsse, die Sie anderswo viel besser anbringen können.

»Adieu, wie ehemals,« sagen Sie? Aber ehemals schienen Sie sich etwas mehr aus mir zu machen. Sie gaben mir nicht nur die dritten Rollen. Und besonders hatten Sie, bevor Sie meiner Zustimmung sicher waren, die Güte, zu warten, bis ich ja gesagt hatte. Finden Sie es als ganz in der Ordnung, daß ich, statt Ihnen adieu wie ehemals zu sagen, Ihnen adieu wie jetzt sage. Ihre Dienerin, Herr Vicomte.

Schloß . . ., den 31 Oktober 17..


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