Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Athen im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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2.

Nachhaltiger als die Widerstandskraft von Levadia und Theben erwies sich jene der Burg Athens, welche während der langen Herrschaft der Spanier durch neue Bollwerke am Westeingange verstärkt sein mußte. Viger der Stadt war Calceran de Peralta und Kastellan der Akropolis Romeo de Belarbre. Als nun die Navarresen im Sommer 1379 vor Athen erschienen, warf sich ihnen Calceran entgegen; er wurde geschlagen und gefangengenommen.Davon spricht König Pedro schon am 30. Sept. 1379 (Rubio, n. 16). – Am 20. Mai 1380 schreibt derselbe: »el noble en Galceran de Peralta... lo qual es estat pres e encativat ell e sos Companyons et familia defenent lo dit pahis regal et ducal« (Rubio, p. 248). Die flüchtigen Katalanen nahm die Akropolis auf. Während der Feind die Stadt besetzte und wohl auch plünderte, schlug Romeo de Belarbre nicht nur mannhaft die Stürme von der Burg ab, sondern er vereitelte auch die Bemühungen solcher Verräter, die mit den Rebellen Thebens in Verbindung standen und die Akropolis Athens den Navarresen zu überliefern suchten.Am 10. Sept. 1380 sagt Pedro, daß Oliveri Domingo, durch dessen Verrat Theben verlorengegangen sei, sich bemühte, auch Stadt und Kastell Cetines zur Rebellion zu bringen (Rubio, n. 36, p. 254). Als Empörer in Athen werden bezeichnet Jaime Conomines, Pedro Colomer und Alberto von Mantua (p. 93, p. 243 ff.). Neben ihm zeichnete sich durch Mut und Eifer der Grieche Demetrios Rendi aus, welcher Notar in Athen war; der letzte König-Herzog Friedrich III. hatte ihm im Jahre 1366 das Frankenrecht bestätigt.Reg. Canc. 1364, 1368, fol. 29: »Pro parte Demitrii Rendi notarii de Atenis fidelis nostri.« Er war wahrscheinlich aus Athen selbst, wo eine Familie seines Namens noch heute besteht. Wie er sich beim Überfall Megaras durch Nerio im Dienst der Kompanie hervorgetan hatte, war er auch jetzt einer der treuesten Anhänger des Hauses Aragon.

Den König Pedro IV. hielten dringende Angelegenheiten in Sizilien und Sardinien davon ab, Rocaberti mit Kriegsvolk nach dem bedrängten Herzogtum abzuschicken. Hier behaupteten der Graf von Mitra und Luis Fadrique Salona, die Phthiotis und Neopaträ, und ihre kräftige Haltung stärkte den Widerstand der Burg Athen. Schon vor dem 20. Mai 1380 sahen sich die Navarresen genötigt, Attika aufzugeben, denn an diesem Tage konnte sich ein Parlament in Athen versammeln, während elf Tage später ein gleiches in Salona zusammentraf. Der Einbruch jener Soldbande hatte nämlich das Herzogtum in diese zwei Gruppen getrennt: in Attika und Böotien nebst Salona. Es zeigte sich hier ein gespanntes Verhältnis Athens zu Theben, und die munizipale Eifersucht der ersten Stadt muß einen schon älteren Ursprung gehabt haben; denn als noch Calceran dort Viger war, machten dieser katalanische Befehlshaber und die Prokuratoren Athens einen Vergleich mit Luis Fadrique und den Gemeinden Theben und Levadia, wodurch den Athenern gewisse Vorrechte gesichert wurden. Diese sind nicht bezeichnet, deuten aber immer eine autonome Stellung des Verwaltungsbezirks Athen und seines Vigers an.»Convinences... entro lo magnifich Don Loys d'Arago vicari e universitats Destives e de la Livadia duna part e... ab lo noble En Galceran de Peralta olim regidor de Cetines e ensemps ab la dita universitat de Cetines de la altra part...« Kapitel Athens vom 20. Mai 1380 (bei Rubio, n. 32).

Die dortigen Syndici und Stadträte vereinigten sich am 20. Mai 1380 unter dem Vorsitze Romeos zur Wahl von Bevollmächtigten, die nach Aragonien hinüberschiffen sollten, um Pedro IV. eine Reihe von Artikeln vorzulegen, nach deren Bestätigung sie ihm als Herzog die Huldigung zu leisten hatten. Diese »Kapitel Athens« wurden in katalanischer Sprache niedergeschrieben und von den beiden Boten Juan Boyl Bischof von Megara und Gerald Rodonells dem Könige überbracht.Die Urkunde hat sich in der aragon. Kanzlei glücklich erhalten. Rubio, der sie veröffentlicht hat, sagt von ihr: »Los capitulos de Atenas son de valor impreciabile filologico, politico é historico.« Es ist auffallend, daß die Forderungen der Athener an ihren neuen Landesherrn hauptsächlich nur äußerliche Verhältnisse und Privilegien einzelner Personen betrafen; denn daß dieselben Prokuratoren noch mit einer andern Instruktion versehen waren, geht wenigstens aus diesem Aktenstück nicht hervor. Männer, die sich während der Parteikämpfe und der navarresischen Invasion um die Krone Aragon verdient gemacht hatten, eilten, ihren Lohn vom Könige zu fordern und sicherzustellen, nämlich die Ausstattung mit konfiszierten Gütern und mit Ämtern. Nur eine Körperschaft beanspruchte als solche neue Rechte. Die lateinische Geistlichkeit des Herzogtums verlangte die Aufhebung des Verbots, Landgüter, Kolonen und Sklaven an Kirchen und Klöster zu vererben oder Kolonen von den Servituten zu befreien. Dies Verbot hatte unter der Herrschaft der Kompanie stets Geltung gehabt; für die Stadt Athen im besondern bestand das Gesetz, daß Güter, die dort der Kirche vermacht wurden, dem Kastell Setines, d. h. der Akropolis, anheimfallen sollten.»Item si alcun lexara alguns vilans ne possesions en lasgleia que dejen tornar en lo castell de Cetines...« Kapitel Athens.

Pedro schlug das Gesuch der Geistlichkeit ab, indem er erklärte, die bestehenden Gesetze, welche auch im Königreich Valencia und in Mallorca gültig seien, nicht aufheben zu dürfen, weil die Zahl der zum Kriegsdienst verpflichteten Lateiner ohnedies in den Herzogtümern gering sei und noch mehr zusammenschwinden würde, wenn ihre Güter an die Kirche kämen, während die Geistlichen weder Kriegsdienste zu leisten hätten noch überhaupt unter der königlichen Jurisdiktion ständen. Es müßte demnach in den Herzogtümern beim alten bleiben, doch werde der neue Vizekönig den Vorteil auch der Kirche wahrnehmen.

Die Athener baten um einen mit hinlänglicher Gewalt ausgerüsteten Statthalter, der dem geplagten Lande Ordnung und Sicherheit wiedergebe, und Pedro erklärte, daß der Visconde Rocaberti dazu ernannt sei. Auf ihren Wunsch, ihnen Romeo de Belarbre als Befehlshaber zu lassen, weil derselbe die Verhältnisse, die Armut und Not ihrer Stadt genau kenne, bestätigte ihn der König auf Lebenszeit als Kastellan, indem er ihn zugleich mit Gütern der Rebellen ausstattete. Romeo hatte von seiner griechischen Sklavin Zoe aus Megara natürliche Kinder; auf das Gesuch der Athener erlangte er für die Mutter das Frankenrecht. Eine Forderung Athens war bedenklich, denn sie betraf die Anerkennung jenes Vertrags zwischen Calceran und dem bisherigen Generalvikar Luis Fadrique, wodurch der Stadt und ihrem Kastellan der Regierungsgewalt in Theben gegenüber Sonderrechte waren eingeräumt worden. Der König lehnte dies ab, erklärend, daß alle Gemeinden, Barone und Ritter der Herzogtümer ein Staatsganzes ausmachten, demnach jede Spaltung und Sonderung aufzuhören habe; was davon noch fortbestehe, werde das Tribunal des Visconde beseitigen.

Der Empfehlung der Athener willfahrend, erneuerte Pedro dem Notar Demetrios Rendi das ihm von Friedrich III. erteilte Frankenrecht, so daß er an allen Freiheiten, Ehren und Ämtern teilhaben dürfe wie die andern »Konquistadoren« in Athen.»Com tots altres conquistadores de la dita ciutat de Cetines.« So lebte der Begriff »conquistadores« noch zu jener Zeit in der Rechtssprache fort. Er bestätigte ihm die Güter des Konstantin Kalonichi, die ihm Friedrich in der Stadt geschenkt hatte, und die Befreiung aller seiner Besitzungen von jeder Art Abgaben und Servituten.Als solche werden genannt »cumerxus, coltes, cavalcades, guardes e manifests e de tot altre embarch molestia ni empatx«. Das Privilegium ist den Kapiteln Athens eingefügt. Noch später schenkte Pedro dem Rendi Güter, welche Guillelm Almenara in Athen und Pedro Ibañez in Theben besessen hatten. Dertusa 18. April 1383 (Rubio, n. 52, p. 270). Endlich gewährte der König demselben Rendi und seinen Erben das Kanzleramt Athens, womit eine Rente von 40 Golddenaren verbunden war, lösbar aus den Handelsgefällen und Zöllen der Stadt. Die Ämter des städtischen Kanzlers, des Notars und Schreibers scheinen überhaupt die einzigen gewesen zu sein, welche nicht nur im Herzogtum Athen, sondern in andern griechischen Frankenstaaten an Eingeborene verliehen wurden. So gaben die Venezianer noch im Jahre 1420 für Euböa das Gesetz, daß Griechen nur beim Notariat (scribania) anzustellen seien.Sathas, Mon. Hist., Hell. III, p. 215. So war in Levadia Notar Nikolaus de Mauro Nichola; ein Notar Cosma von Durazzo (Rubio, p. 84, Note). Hieraus darf geschlossen werden, daß die griechische Sprache zu amtlicher Anwendung gekommen war.

Die Athener verlangten, was sehr auffallend ist, für den Katalanen Pedro Valter, welcher mit Calceran Peralta gefangen worden war, die Einkünfte aus allen Schreiberoffizien beider Herzogtümer; der König begnügte sich damit, ihm eins derselben zuzuweisen.»Totes les escrivanies dels dits ducats d'Atenes et de la Patria.« Valter mußte demnach seine Freiheit erlangt haben, während Calceran noch in navarresischer Haft verblieb, weil das beträchtliche Lösegeld für ihn nicht aufgetrieben werden konnte. Pedro versprach, daß Rocaberti für die endliche Befreiung des verdienten Mannes Sorge tragen werde.

Den Schluß der Kapitel Athens bildete die Forderung der feierlichen Zusage des Königs, daß er diese Stadt niemals einem andern Fürsten abtreten oder sie vertauschen werde, sondern daß sie stets bei der Krone Aragon verbleiben solle.Am Ende des Akts: »Romeu de Belarbre per los manaments Regals et Ducals Castella e Capita de la universitat de Cetines sindichs prohomens e consell dela dita universitat, que tots genolls ficats en terra humilment nos comanam en gracia dela Regal et Ducal majestat vestra. Dades en la Ciutat de Cetines XXº die m. Madii a. D. MCCCLXXXº III. Indicionis.«

Nachdem Pedro diese Kapitulation artikelweise bestätigt oder durch seine Bestimmungen verändert hatte, beschwor er öffentlich, sie zu halten, worauf die beiden Prokuratoren ihn zum Herzoge Athens erklärten und ihm den Vasalleneid leisteten. Dies Verfahren war durch den Rechtsgebrauch der Feudalgesetze vorgeschrieben; denn auch in den Assisen Romanias bestimmen die beiden ersten Artikel, daß zunächst der Fürst den Baronen, Vasallen und Untertanen die Achtung ihrer Rechte eidlich zu geloben habe, worauf dann die Barone den Huldigungseid zu leisten hatten. Der König ließ am 1. September 1380 eine Urkunde ausfertigen, welcher jene Kapitel eingefügt wurden.»Signum Petri dei gr. Regis Aragonum, Valencie, Maiorice, Sardinie et Corsice, Comitis etiam Barchinone, Ducis Athenarum et Neopatrie, Comitis etiam Rossillionis et Ceritanie Qui hec laudamus concedim. firmam. et juramus.« Folgen die Unterschriften beider Prokuratoren. Unter den Zeugen der Infant Martin, Pedro, Graf von Urgel und mehrere Edelleute des Hofs.


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