Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Athen im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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2.

Die Partei Rogers war jetzt wieder im Besitze der öffentlichen Gewalt und der königliche Einfluß im Herzogtum bereits so schwach geworden, daß Friedrich III. jenem Großen nicht nur alle Güter bestätigte, die derselbe von früheren Herzögen erhalten hatte, sondern ihn auch am 14. Mai 1367 anstelle Moncadas zum Generalvikar ernannte.Messina 14. Mai (V. Ind.); Reg. Cancell., n. 1363–66, n. 9, fol. 104: »amoto inde nobili Matheo de Montecatheno... olim ibid. vicario.« – Fol. 105: Befehl an alle Offizialen des Herzogtums, ihm zu gehorchen. – Erneuerte Bestätigung der Güter, 16. Mai ap. Messanam Reg. Cancell., a. 1371, n. 13, fol. 122 , 124. Am 18. Mai bestätigt der König Roger im Besitz der Burg Le Stiri (Estiri in Phokis), welche dieser von Ermangol de Novellis gekauft hatte. Hopf (Chron. Gréc.-Rom., p. 536) führt diesen Ermangol, der 1365 starb, als Marschall der Herzogtümer an; allein noch zu seinen Lebzeiten war das schon Roger. Denn im Reg. Proton. I, fol. 309 zeigt Friedrich die Ernennung Moncadas (24. Febr., III. Ind. 1365) an: »Nobili Rogerio de L. marescalco ducatuum et nobili Armingero de Novellis.« Es ist daher nicht richtig, was Hopf behauptet, daß erst seit dem Aussterben der Novelles mit Ermangol das Erbmarschallamt an die Lauria kam.

Vier Jahre lang verwaltete Roger de Lauria sein Amt, jetzt mit so viel Umsicht und Kraft, daß er den Frieden mit Venedig erhalten, die Angriffe der Türken abweisen und die feindlichen Unternehmungen der Enghien verhindern konnte.

Dieses schnell verblühende Haus, dessen Erbe in der Argolis bald die Republik Venedig werden sollte, machte damals noch eine Anstrengung, das Herzogtum Athen wieder zu erobern. Aus der Ehe Gauthiers von Enghien und der Isabella von Brienne stammten vier Söhne, von denen Sohier die Rechte auf Athen geerbt hatte, während Jean Graf von Lecce, Louis Graf von Conversano, endlich Guido Herr von Argos und Nauplia waren. Sohier starb im Jahre 1366 auf dem Blutgerüst, da ihn Albert von Bayern, der Sohn des Kaisers Ludwig, als Regent von Hennegau enthaupten ließ.St. Genois, Droits primitifs, p. XXXVII. Seine Ansprüche auf Athen kamen mit dem Herzogstitel an seinen Sohn Walter von Enghien.Derselbe starb 1381, worauf sein Oheim Louis von Conversano den Titel Herzog von Athen annahm. Er starb 1394 ohne männliche Erben. Seine älteste Tochter Marguerite, duchesse d'Athènes, heiratete Pietro del Balzo (Baux), Herzog von Tarent (St. Genois, p. XXXIX). Die Zerrüttung der Verhältnisse der Kompanie reizte jene Brüder zu dem Plan eines Kriegszuges gegen Athen, dessen Führer der Graf von Lecce sein sollte. Da sie in das venezianische Bürgerrecht aufgenommen waren, hoffen sie auf Unterstützung durch die Republik.Schon Walter von Brienne, der Titularherzog Athens, hatte auch für seine Erben das venezianische Bürgerrecht erhalten; gleichwohl wurde dies noch am 22. Juli 1362 persönlich an Guido von Enghien verliehen, der in diesem Diplom heißt: »Argos et Neapolis de Romania dux, et nepos quond. domini ducis Athenarum.« (Arch. Ven., Commem. VI, fol. 144). Jean von Enghien und seine Brüder schrieben im Februar 1370 dem Dogen; sie erinnerten ihn an die alte freundliche Verbindung Venedigs mit dem Hause Brienne, namentlich mit dem Herzoge von Athen, welchem die gottlose Kompanie der Katalanen sein Erbland entrissen, nachdem sie seinen Vater erschlagen hatte. Die Prozesse der römischen Kurie und der vom Papst Johann XXII. über diese Räuber verhängte Bann stünden noch immer in Kraft, wenn sie auch zeitweise aufgehoben worden seien. Demnach ersuchten die Enghien den Dogen, ihnen seinen Beistand zu leihen, da sie sich entschlossen hätten, mit Hilfe ihrer Oberlehnsherren und Freunde das Erbteil ihrer Vorfahren zurückzuerobern. Sie begehrten die Überlassung einer großen Kriegsgaleere, die Erlaubnis, Munition in Negroponte niederzulegen und von dort Proviant zu beziehen; auch sollten der Herzog von Naxos, die Terzieri Euböas, andre Vasallen des Fürstentums Achaia und Zugehörige des Dukats Athen, die sich in Negroponte aufhielten, nicht gehindert werden, in den Waffendienst der Enghien zu treten.Brief des Grafen von Lecce vom 9. Febr. 1370 (Misti XXIII, fol. 91).

Die venezianische Signorie lehnte diese Gesuche mit trockener Höflichkeit ab, indem sie dem Grafen von Lecce bemerkte, daß sie mit den Gebietern im Herzogtum Athen in Frieden sei.»Quod sicut ipsi domino comiti er fratribus potest esse manifestum, nos sumus in treugua cum illis de ducatu.« Deliberation des Senats vom 22. April 1370 (Misti XXXIII, fol. 32) Sie erbot sich dagegen, durch Vermittlung des Bailo Euböas die Streitigkeiten zwischen Guido von Enghien und der Kompanie beizulegen, was dann auch geschah, da die kriegslustigen Brüder die Nichtigkeit ihrer Träume einsahen.Misti ibid., fol. 133: Reskript an den Bailo, 23. Sept. 1371, »super facto pacis... inter D. Guidonem de Engino ex una parte et vicarium ducatus Athenarum ac illos de compagna ex altera«. Dabei verhandelte Venedig über die Besetzung Megaras, die es forderte. – Bisweilen wird Roger de Lauria in venezian. Akten schlechthin genannt »vicarius universitatis Athenarum«. So in Misti XXIII, fol. 25 , 5. Juli 1369.

Die Zerwürfnisse unter den katalanischen Lehnsherren im Herzogtum dauerten indes fort, und sie drohten von neuem den Charakter eines wilden Parteikrieges anzunehmen, nachdem Roger de Lauria im Beginne des Jahres 1371 gestorben war. Dies lehrt ein Schreiben des Königs von Sizilien an Guillelm Almenara, dem er die Kastellanei Levadia auf Lebenszeit versprach, wenn er die nach dem Tode Rogers in Zwiespalt gekommenen Barone miteinander versöhnen könne.Reg. Cancell., n. 4, fol. 207, 29. Oct. apud Messanam. Am 31. Mai 1371 hatte Friedrich Don Matteo de Peralta zum Generalvikar der Herzogtümer ernannt, »sowohl weil Roger, der dieses Amt lebenslänglich besessen habe, gestorben, als weil Matteo de Moncada davon entfernt worden sei«.Reg. Cancell. 1347–70, n. 6, fol. 150ff., ultimo madio ap. Messanam. Es folgen Formulare von Empfehlungsbriefen an die Offizialen und Bewohner Thebens, Athens, Neopaträs und anderer nicht mit Namen genannter Gemeinden.

Die Peralta vom Hause Wilhelms, des Grafen von Caltabellota, welcher sich mit Donna Leonor, einer Tochter des Infanten Juan, Herzogs von Athen, vermählt hatte, gehörten zu den angesehensten Baronalfamilien Siziliens. Sie kamen jetzt auch in Griechenland empor. Dort war Calzerano de Peralta Kapitän und Kastellan Athens.Der König bestätigte ihn in dem ›officium vigerie seu capitanie cum cognitione causar. criminalium civitatis Athenarum‹ am 7. Jan. ap. Messan. Die Indiktion ist nicht angegeben. Ich halte das Jahr für 1371 (Reg. Canc. a. 1371, n. 13, fol. 209). Neue Bestätigung desselben als »castellanus castri civitatis Athenarum«, also Burgvogt; 24. Jan. ap. Messanam (Reg. Cancell. 1347, 1370, n. 6, fol. 32). Nur bei Gelegenheit dieses Amtes wird die erlauchte Stadt bisweilen wieder genannt; die Akropolis, auf welcher die katalanischen oder sizilianischen Burgvögte wohnten, führt dann immer nur die Bezeichnung »castrum civitatis Athenarum«. Sie besaß eigene Güter, deren Einkünfte zu Zwecken ihrer Erhaltung und Verteidigung bestimmt waren.Ein Teil davon war durch Schenkung früherer Herzöge an den Katalanen Jayme Siplanes und seine Erben verliehen worden; Friedrich III. hob die Schenkung auf, weil diese Grundstücke jenem Zweck dienen sollten; »quod dudum certae possessiones et bona stabilia ad castrum civitatis Athenar. spectantia et ad ejusd. castri tutelam, defensionem et custodiam deputata...« (Reg. Canc. 1371, n. 13, fol. 209).

Die Vigers und Kapitäne der Städte und die Kastellane der Burgen wurden vom Könige in der Regel auf Zeit, bisweilen lebenslänglich ernannt. Da sie meist nicht aus der Mitte der Kompanie selbst genommen, sondern von Sizilien geschickt wurden, erregte das bei den Großen des Herzogtums Widerspruch. Diese beriefen sich auf die alten Statuten der Genossenschaft, wonach jene Ämter nur dreijährig und mit Einheimischen besetzt sein sollten.So heißt es in einem Erlaß an die Athener, 4. Okt. 1374: »Volentes etiam capitula dictor. Ducatuum observare, quae dictant expresse vigerios seu capitaneos ipsor. ducat. per triennium in eod. officio duraturos.« (Gregorio, App. p. 63). Infolge eines heftigen Streites darüber in der Kompanie und einer Reklamation Thebens mußte der König nachgeben. Er enthob Calzerano seines Amtes in Athen und übertrug dieser Gemeinde die Wahl seines Nachfolgers, die er dann nach vorausgegangener Prüfung der Person bestätigen wollte.Reg. Canc. a. 1369–73, n. 12, fol. 111, 4. Okt. XII. Ind. (1373), Messana. »Calzeranum de Peralta... propter lapsum dicti triennii... ex nunc duximus amovendum.«

Die Aufregung innerhalb der Kompanie wiederholte sich bei ähnlichen Veranlassungen; auch der Generalvikar Matteo de Peralta schickte Boten an den König, die ihm Bericht über jene Unruhen abstatteten und, wie es scheint, den Rat gaben, den Forderungen der Katalanen nachzugeben. Deshalb wurde auch der bisherige Viger Levadias, Guillelm de Almenara, abberufen.Reg. Cancell. 1347–79 (jetzt mit n. 6 bezeichnet), fol. 62 , Brief aus Messina an Guill. de Almenara vom 19. Jan. XII. (1374). Der König machte zu gleicher Zeit Guillelm en Puyal zum Kastellan und Bernard de Viki (Vich) zum Kapitän Athens, in Levadia aber Francesco Lunelli von Theben zum Kastellan und Gilbert Vitol zum Viger.Reg. Cancell. ibid., fol. 63 . »Calzeranum de Peralta castellanum et vigerium seu capitaneum castri et civitatis Athenarum ab eisdem officiis amoveri et Guillelmum Impuyal castellanie et Bernardum de Viki vigerie seu capitanie predictis subrogari nostra serenitas consueta deliberatione decrevit.« Ibid., fol. 71, 20. Jan., Kundgebung dieser Ernennung an Calzerano. Levadia war damals die stärkste Festung des Herzogtums, daher der dortige Posten des Kastellans von großer Wichtigkeit sein mußte. Schon früher hatte ihn Almenara bekleidet und dann am 16. September 1366 an Guillelm Fadrique von Aragon abgeben müssen.Reg. Cancell. a. 1365–66, n. 9, fol. 65. Im März 1366 war Johes de Bonacolsis von Mantua dort Kastellan (ibid., fol. 19). In diesem Erlaß heißt es, daß demselben das »castrum« zu übergeben sei »cum victualibus, armis, ingeniis et rebus aliis«.

Wie in Athen waren auch dort bisher die Ämter des Kapitäns oder Kriminalrichters der Stadt und des Viger und Kastellan der Burg vereinigt gewesen, und auch dies veranlaßte Unzufriedenheit unter den Katalanen, weshalb der König jene Würden fortan trennte. Die Befugnisse dieser drei Offizialen sind nicht scharf abgegrenzt; der Viger einer Stadt scheint ihr Generalgouverneur, der Kastellan der eigentliche Burgvogt gewesen zu sein, während dem Kapitän fast immer die Kriminalgerichtsbarkeit mit Beiziehung eines Richters, Assessors und Notars zugewiesen wird.In Urkunden Palermos: »officium vigerie seu capitanie cum cognitione causarum criminalium civitatis Athenarum« (Reg. Cancell. a. 1371, n. 13, fol. 209). Ebenso vom »capitaneus Livadiae«. Der Kastellan und Kapitän von Sidirokastron, R. Cancell. a. 1346, n. 4, fol. 127 . Bisweilen erscheinen jene drei Ämter getrennt, öfters aber zwei, sogar alle drei in einer und derselben Person vereinigt, was zu Klagen der Gemeinden Veranlassung gab.So findet sich in einer Person der »vigerius et capitan.« von Theben (Reg. Canc. a. 1365, 1366, n. 9, fol. 109); der »vig. et cast.« von Levadia (R. Canc. 1347–70, n. 6, fol. 62 ); ebendaselbst der »castell. et capit.« (Reg. Canc. a. 1346, n. 4, fol. 207); der »castell. et capit.« von Sidirokastron (ibid., fol. 127 ). 1366 erhält Guill. Fadrique das »offic. castellanie castri, vigerie et capitanie« in Levadia (Reg. Canc. a. 1365, 1366, n. 9, fol. 104); ebendaselbst ist Guill. de Almenara Viger Kapitän und Kastellan (Reg. Canc. 1369, 1373, n. 12, fol. 112); Calzeranus de Peralta heißt »capitan. viger. et castell.« Athens (Reg. C. a. 1365, 1366, n. 9, fol. 111). – Getrennt wiederum sind Viger und Kastell. in Levadia (Reg. C. 1347–70, n. 6, fol. 63 ). Dann findet sich bisweilen nur eine Person als Kastellan in Levadia, als Viger in Athen, als Kastellan in Athen, als Viger in Theben vor. Die Kompanie suchte zu verhindern, daß diese einflußreichen Stellen, welche der katalanische Feudaladel als ihm selbst zukommend betrachtete, an nicht einheimische Höflinge des Königs vergeben wurden, doch dieser bewahrte sich das Kronrecht der Ernennung jener Ämter, und es war nur aufgrund besonders dringender Verhältnisse, daß er den Gemeinden gestattete, ihre lokalen Vikare, Kapitäne und Kastellane mit dem Vorbehalt seiner eigenen Bestätigung zu wählen. Im übrigen verkehrten die Städte des Herzogtums durch ihre Prokuratoren mit dem Hofe des Königs oder Herzogs, sooft sie Beschwerden oder Wünsche vorzutragen hatten. Wenn ihre Gewohnheiten, Rechte und Privilegien durch irgendwelche Eingriffe des Generalvikars oder anderer königlicher Amtleute verletzt wurden, schickten sie ihre Nuntien nach Sizilien, und sie erlangten dann die Bestätigung ihrer verbrieften Rechte. Dies geschah wahrscheinlich mehr als einmal in Theben, der volkreichsten Stadt des Herzogtums.Auf ihre Beschwerde bestätigte ihr der König die »privilegia libertatis atque franchicias et consuetudines« (R. Canc. a. 1371, n. 13, fol. 176). Die Gemeinden durften überhaupt zusammentreten, um ihre bevollmächtigten Boten zu wählen, wenn es eine besonders wichtige allgemeine Landesangelegenheit betraf.Königl. Brief vom 27. Jan. 1371 an den »Magister justitiarius« Artal de Alagona: »Pridie per speciales nuncios et ambaxiatores ducatuum Athenarum et Neopatriae... pro parte universitatum eorundem ducatuum exstitit supplicatum.« (Gregorio IV, App. p. 69).


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