Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Athen im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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Fünftes Kapitel

Unternehmungen des Don Alfonso Fadrique. Neopaträ mit Athen vereinigt. Bodonitsa. Waffenstillstand des Jahres 1321. Rüstungen Walters. Die Ghisi in der Kadmeia. Rücktritt Alfonsos. Waffenstillstand mit Venedig. Erfolgloser Kriegszug Walters. Die Acciajoli in Florenz. Niccolo Acciajoli. Die Kaiserin Katharina. Tod Alfonsos. Das Haus Fadrique. Wachstum der Osmanen in Kleinasien. Kreuzzug. Humbert von Vienne und die Kompanie. Die sizilianischen Herzöge. Die Generalvikare. Matteo Moncada. Tod Walters von Brienne. Das Despotat Sparta. Roger de Lauria. Niccolo Acciajoli, Herr von Korinth. Tod dieses Großseneschalls. Die Franken und die Griechen.

1.

Der Friede mit Venedig erlaubte jetzt Alfonso Fadrique, sich an größere Unternehmungen jenseits der Thermopylen zu wagen. Ohne Hindernis besetzte er die thessalischen Lehen seines Schwiegervaters; sodann machte ihm der Tod des Sebastokrators und Herrn Großwlachiens auch die Erwerbung dieses Fürstentums möglich. Dort hatte der kranke Johannes Angelos Dukas die katalanische Eroberung nicht anerkannt, sondern sich als Verwandter der letzten Herzöge La Roche sogar Herrn von Athen genannt.In einem Brief an den Dogen, Mai 1317, sind seine Titel Herzog von Großwlachien und Kastoria, Herr von Athen und Patras (Neopaträ). Reg. Commem. I, lib. II, n. 41.

Nachdem er im Jahre 1318 kinderlos gestorben war, wurde dies thessalische Reich der Angeloi in Stücke zerteilt; denn einige Gebiete kamen an den griechischen Kaiser, den Schwiegervater des letzten dortigen Dynasten, andere an einheimische Magnaten, die besten Teile aber rissen die Katalanen an sich.Nikophor. Gregoras VII, 13, p. 279. Don Alfonso nahm die Phthiotis in Besitz. Neopaträ, Lidoriki, Sidirokastron, Zeitun, Gardiki, Domokos, Pharsala und andere Orte wurden als Herzogtum Neopaträ mit jenem Athens vereinigt.Über die Besitznahme dieser Städte, Marin Sanudo, Ep. III, p. 293, ed. Bongars; der Brief ist 1325 geschrieben. Neopaträ war Sitz eines Metropoliten, und unter ihm stand das Bistum Zeitun (Zurita II, p. 397). Manche Landschaften Thessaliens verblieben griechischen Archonten, den Lehnsherren des byzantinischen Kaisers. Ein in Lykonia mächtiger Grieche vom Hause der Melissenoi schloß mit der Kompanie eine nahe Verbindung, indem er ihrem Marschall, wahrscheinlich Odo de Novelles, seine Schwester zum Weibe gab.Marin Sanudo, a.a.O. Den thessalischen Hafen Pteleon am Golf von Volo, welcher sich in den Schutz der Republik Venedig gestellt hatte, trat der griechische Kaiser dieser ab, damit derselbe nicht in die Gewalt der Katalanen falle, und Alfonso Fadrique mußte darin einwilligen.Marin Sanudo, a.a.O., Hopf II, S. 422.

Was Bodonitsa betrifft, so scheint damals Alfonso die Erben des letzten Pallavicini genötigt zu haben, den Lehnsverband dieser Markgrafschaft mit dem Herzogtum Athen anzuerkennen, indem er selbst die Rechte jener achtete. Denn Guglielma, die Tochter Marias, jener Witwe des Alberto Pallavicini, die sich mit Andrea Cornaro vermählt hatte, konnte er nicht hindern, nach dem Tode dieses Mannes als rechtmäßige Erbin Bodonitsas eine Ehe mit Bartolommeo Zaccaria von Castri einzugehen, dem Sohne Martins, des genuesischen Dynasten von Chios und Titularkönigs von Kleinasien. Dieselbe Guglielma vermählte sich später, im Jahre 1335, zum zweiten Mal und sogar mit einem venezianischen Edlen Nicola aus dem Hause der Giorgi (Zorzi). Sie brachte so Bodonitsa an dies Geschlecht.Hopf, Artikel Giorgi (Ersch u. Gruber).

Die katalanische Kompanie befand sich einige Jahre nach der Kephissosschlacht bereits im Besitze des ganzen Länderumfanges, welches das Herzogtum Athen zur Zeit seiner höchsten Blüte unter den La Roche gehabt hatte, die Argolis ausgenommen, aus welcher sich die Burgvögte der Brienne nicht hatten vertreiben lassen. Selbst in Morea dachten die dortigen Grundherren, von den Griechen und den Katalanen bedrängt, an dem Schutze der Anjou Neapels verzweifelnd und der Regierung fremder Statthalter überdrüssig, daran, entweder der Kompanie oder der venezianischen Republik zu huldigen. Sie luden endlich den Dogen ein, den Rest des Fürstentums Achaia in Besitz zu nehmen, doch wollte sich die Signorie in dieses Abenteuer nicht einlassen.Johes de Vallibus, Großmeister der Johanniter, Bail in Achaia, der Bischof Jakob von Olenos, der Kanzler Benjamin, die Barone und Ritter an den Dogen, Chiarenza, 11. Juni 1321; und in ihrem Namen ihr Prokurator Fra Pietro Gradenigo an denselben (Reg. Commem. I, lib. II, n. 277, 278; vollständig in Mél. Hist. III, 54ff., n. XII und XIII).

Ein venezianischer Freund des Marin Sanudo betrachtete es für ein Glück, daß sich damals die räuberischen Albanesen in Wlachien niederließen und durch wiederholte Einfälle die Kompanie beunruhigten, denn ohne dies würde dieselbe zu reich und mächtig werden.»Nimis efficerentur divites in gravamen et taedium vicinorum.« Marin Sanudo, Ep. III, p. 294, v. Jahr 1325.

Sie erneuerte den Waffenstillstand mit Venedig am11. Mai 1321 unter Bedingungen, welche im ganzen die Artikel des Jahres 1319 wiederholten. Die Kompanie gelobte wie damals keine neuen Schiffe auszurüsten, die vorhandenen abzutakeln und sich jeder Verbindung mit den Türken zu enthalten. Alfonso wurde als Herr von Karystos geduldet; er verpflichtete sich, im dortigen Gebiet keine neuen Burgen zu bauen, während der Bailo seinerseits keine solchen zwischen Larmena und Karystos zu errichten versprach. Der Vertrag wurde von Ludovico Morosini, dem Bailo und Generalkapitän Negropontes für Venedig, und von Don Alfonso Fadrique und der Kompanie abgeschlossen. Die lateinische Urkunde unterzeichneten ihre Consiliarii und Syndici und 56 Mitglieder der Genossenschaft.Der Ort ist nicht genannt. Die Urkunde (abgedr. in Mél. Hist. III, 49, n. XI) verglich ich mit der Kopie im Cod. Trevisan. Cl. X. fol. 133 (Bibl. Marciana); ich gebe nach dieser die Namen der Katalanen, welche geschichtlich wichtig sind. Jacobus de S. Superano, Jacob. Bajuli, Guillelmus Thomas miles, Sanctius Artisii, Sanct. Balduini, Raim. Rubei, Guillelm. de S. Martiali, Bertran. de Artenis, Dominicus de Fontibus, Nicolaus Cavallerii, Petrus Gueraldi mercator, Petrus de Villafranca, Bern. de Cari, Bern. Cruciani, Raim. Peregrini, Bern. de Ventitrono, Guillelmus Baldomarii, Petrus Martinus de Algesira, Garzia Viagnes, Ruggerius Leporis, Raim. Guillelmi de Roda, Joh. de Arana, Jacob. Magistri, Petrus Joannis, Guillelm. de Lumizana, Bereng. de Podio Viridi, Andreas de Rivopalo, Arnaldus Sabaterii, Petrus Palatii, Jacobus de Palatiolo, Joh. de Lachon al. vocatus Brusselus, Gerardus Bramondius, Guillelm. Bassada cancellarius, Raim. Amaldi de S. Lucerio, Pedaolus de Queralti, Petrus Rapacie, Guil. Gueraldi, Petrus de Barbastro Layus, Franc. Cassis, Alvenus Dies majordomus dicti D. Alphonsi Federici, Petrus Giordani, Romeus de Cesse, Guill. de Planis, castellanus et vicarius Athenarum, Petrus Maurocenus, Guill. de Almenario, Bernardus Olerii notarius, Petrus de Roma, Petrus de castro Gaudio, Bern. de Pombiano, Guill. de S. Stephano procurator gener. Curie dicti D. Alphonsi, Berengar de Teradis, vicarius Thebanus, nobilis Odo de Novelles miles et marescalchus ducatus Athenarum, et Petrus Costa pro se et tota compagna. Wir werden manche dieser Namen später geschichtlich wiederfinden. Nur zwei haben die Ritterwürde, nämlich Guillelm. Thomas und Odo de Novelles.

Durch diesen Waffenstillstand gebunden, konnte die Republik Venedig nicht geneigt sein, auf die Forderungen des Papsts Johann XXII. einzugehen, welcher, dem Könige Robert von Neapel zu gefallen, von ihr verlangte, der Tyrannei der Katalanen ein Ende zu machen, die nicht aufhörten, Achaia und andre benachbarte Länder mit Raubzügen heimzusuchen, und sich nicht scheuten, Christen an die Türken zu verkaufen.An den Patriarchen von Konstant. und den Erzbisch. von Patras, Avignon 1. Okt. 1322 (Raynaldus, n. 49). Immer schrecklicher drohten die kommenden Eroberer Griechenlands von Asien her. Türkische Piraten entvölkerten durch Menschenraub die Inseln und die Küsten des Festlandes. Im Jahre 1329 plünderten sie Euböa und die Gestade Attikas.»Concurrerunt in contratas Athenarum«, wobei vielleicht sogar an das Stadtgebiet zu denken ist. Marin Sanudo, Ep. XXIII, p. 315. Diese Flotten von Seeräubern scheinen hauptsächlich im Dienst der anatolischen Kleinfürsten gestanden zu haben, welche auf den Trümmern des Seldschukenreichs mehrere Staaten aufgerichtet hatten und dieselben länger als ein Jahrhundert auch gegen die Osmanen behaupteten. Ionien beherrschte damals Umurbeg; von Smyrna und Ephesos schickte er wiederholt seine Raubgeschwader in den Archipel und an die Küsten Thrakiens und Griechenlands.

Die steigende Türkengefahr mußte doch am Ende die Päpste und die Mächte des Abendlandes zu dem Urteil nötigen, daß die kriegstüchtige Kompanie der Katalanen im Herzogtum Athen ein Bollwerk gegen die Feinde des Christentums aufgerichtet habe. Zunächst aber hatte dieselbe noch zu beweisen, daß sie imstande sei, ihre Eroberung gegen die Kriegsstürme zu verteidigen, welche ihr von Italien her drohten. Die vom Fürsten Johann von Achaia im Jahre 1325 nach den ionischen Inseln, nach Epiros und Morea ausgeführte Unternehmung war erfolglos vorübergegangen, ohne der Kompanie gefährlich zu sein; allein jetzt rüstete sich der Sohn des erschlagenen Herzogs Walter zu seinem Rachezuge nach Athen.

Der junge Walter von Brienne war unter der Vormundschaft seines mütterlichen Großvaters, des Konnetabel Gauthier von Porcien, zum Jünglinge herangewachsen. Als Graf von Lecce, als Besitzer reicher Lehen in der Champagne und vieler von seinen Ahnen ererbter Ortschaften in Zypern, als Herr der festen Städte Argos und Nauplion in Griechenland, endlich als legitimer Rechtsnachfolger seines Vaters im Herzogtum Athen zählte er zu den angesehensten Großen in Frankreich und Italien. Seine Mutter Johanna hatte, zum Zweck, einen Kriegszug gegen die Katalanen zustande zu bringen, die Güter der Familie mit Schulden belastet, so daß der Sohn sich genötigt sah, gegen sie einen Prozeß zu erheben. Doch nichts hatte Johanna erreicht, nur die Burgen der Argolis hatte sie mit Truppen verstärken können, was kostspielig genug war.

Nachdem Walter mündig geworden, stellte er seine Ansprüche an das verlorene Herzogtum Athen in den Schutz einer großen Familienverbindung. Im Jahre 1325 vermählte er sich mit Margarete, der Tochter des Titularkaisers Philipp von Tarent aus dessen Ehe mit der Epirotin Thamar. Seine Schwester Isabella hatte sich einige Jahre zuvor mit Gauthier von Enghien verheiratet.De Chesne, Hist. de la maison de Chatillon, Preuves p. 214. D'Arbois de Jubainville in: Bibl. de l'école des chartes XXIII, 1872, p. 183. Durch die Hilfe der Herrscher Frankreichs und Neapels hoffte er das Ziel seines Lebens zu erreichen, den Vater zu rächen und in Athen einzuziehen, dessen rechtmäßigen Herzog er sich nannte. Diese Hoffnung nährte das trotz erneuerter Waffenstillstände fortdauernde Zerwürfnis Alfonsos Fadrique mit Venedig wegen der euböotischen Burg Karystos, welche die Republik immer im Auge behielt und vergebens auf friedlichem Wege durch Kauf von jenem zu erlangen suchte. Der Wiederausbruch des endlosen Krieges zwischen Sizilien und Neapel und die verworrenen Zustände Italiens, wo sich Walter von Brienne im Jahre 1326 als Vikar des Prinzen Karl von Kalabrien in Florenz zuerst namhaft machte, verzögerten die Ausführung seiner griechischen Unternehmung. Erst nachdem sich die durch die Romfahrt Ludwigs des Bayern hervorgerufene Aufregung in Italien gelegt hatte, dieser Kaiser im Dezember 1329 nach Deutschland zurückgekehrt und die Ghibellinenpartei unterlegen war, konnten die Anjou und Walter daran denken, den Kampf mit dem Hause Aragon auch in Griechenland aufzunehmen.

Am 14. Juni 1330 forderte Johann XXII., den Bitten des Prätendenten willfahrend, alle Gläubigen auf, den legitimen Herzog von Athen bei der Wiedereroberung seines griechischen Erblandes in Person oder durch Geldbeiträge ein Jahr lang zu unterstützen, wofür er ihnen vollkommenen Ablaß versprach. Der Patriarch von Konstantinopel und der Erzbischof von Korinth sollten bestimmen, von welcher Zeit das Jahr zu rechnen sei. Der Papst bezeichnete in diesem Aufruf die gesamte Kompanie der Katalanen unter der Regierung des sizilianischen Vizekönigs einfach nur als »einige Schismatiker, Kinder der Verdammnis und Nachfolger der Ruchlosigkeit«, welche den Dukat Athen, das alte Familienerbe des Herzogs Walter, in Besitz genommen hätten, während sie Kirchen und Klerus und alle übrigen getreuen Bewohner des Landes verfolgten, weshalb Walter zur Befreiung desselben von allen Seiten her Schiffe zusammenbringe.»Quod nonnulli scismatici, perdicionis filii et iniquitatis alumpni... ducatum Athenarum, qui est antiqua et patrimonialis hereditas dicti ducis... occuparunt et detinent.« Johann XXII. schickte dieses Schreiben an die Könige des Abendlandes, auch an den Kaiser Ludwig den Bayer.Dat. Avin. 18. Kal. Julii a. 14. Bulle, eingefügt einem Erlaß des Königs Robert an Thomas von S. Severino, Kapitän der Terra di Lavoro, v. 12. Okt. 1330 (Reg. Ang., n. 281, 1330, A. fol. 119). Zugleich gebot er dem lateinischen Patriarchen und den Erzbischöfen von Patras und Otranto, die Katalanen unter Androhung der Exkommunikation zu ermahnen, binnen sechs Monaten das Herzogtum Athen seinem rechtmäßigen Herrn zurückzugeben.Der latein. Patriarch übte von Negroponte aus Jurisdiktion selbst in Theben aus. Notarakt v. Juni 1334, als Autograph ausgestellt im Vorsaal des Archivs zu Palermo. Sodann befahl er am 1. Juli denselben Prälaten und dem Erzbischof von Korinth, den Kreuzzug gegen die tyrannische Rotte der Schismatiker zu predigen.

Walter von Brienne rüstete sich mit Macht. Ihm hilfreich zu sein gebot auch der König Robert allen seinen Lehnsmannen. Der Prätendent veräußerte manche seiner französischen Güter, um Geld zu schaffen, Söldner zu werben, eine Flotte von Transport- und Kriegsschiffen in Brindisi zusammenzubringen. Zu seinen Fahnen eilten glänzende Edle Frankreichs und Apuliens, selbst Guelfen Toskanas. Die Unternehmung war diesmal ernst gemeint.

Auf die Kunde so großer Vorbereitungen rüstete sich auch die Kompanie ihrerseits zur Gegenwehr. Sie besaß in Attika und Böotien mindestens drei starke Festungen, Athen, Theben und Levadia. Die Kadmeia hatte sie erst dem Sohne des Dauphin von Vienne zu Lehen gegeben, welcher dann, ohne in Griechenland persönlich erschienen zu sein, gestorben war. Dann verlieh sie diese Burg mit allen an ihr haftenden Rechten einem der euböotischen Dynasten vom venezianischen Hause der Ghisi, welche die Inseln Tinos und Mykonos besaßen und durch Heirat ein Drittel Negropontes erworben hatten.Marco gründete das Haus um 1170. Sein Sohn Andrea eroberte um 1207 Skopelos, Tinos, Mykonos, Skiathos und andere Eilande. Dann erwarb Giorgio I. Ghisi mit der Hand der Alix, einer Tochter Narzottos dalle Carceri, ein Drittel Euböas. Alessandro Capellari, Il Campidoglio Veneto, Manuskript in der Bibl. Marciana, Vol. II, Artikel ›Ghisi‹; und Hopf, ›Ghisi‹ in Ersch und Gruber.

Der Grund dieser auffallenden Verleihung der wichtigen Burg Thebens an einen venezianischen Edlen Euböas war die Verbindung, welche Alfonso Fadrique aus politischen Absichten mit den Ghisi schloß; er verlobte nämlich seine junge Tochter Simona mit Giorgio Ghisi, dem jugendlichen Sohne Bartolommeos II., trotz des Widerspruchs der Venezianer.Archiv Ven., Indice fol. 204 , zu Vol. XI der Misti. Die Kadmeia wurde demnach den Ghisi als Lehnsleuten der Kompanie übergeben. Der Vater Giorgios, welcher seit 1320 Großkonnetabel Moreas war, hat dort wirklich residiert.Ich entnehme das aus der Notiz auf dem ersten Blatte des Brüsseler Manuskripts des ›Livre de la Conqueste‹ (ediert von Buchon), welche sagt, daß dasselbe im Besitze des Großkonnetabel Bartolommeo Ghisi gewesen sei, »le quel livre il avait en son chastel d'Estives«.

Eine an den falschen Ort geschobene oder vielmehr eingeschaltete Stelle der französischen Chronik von Morea hat zu dem irrigen Glauben Veranlassung gegeben, daß Alfonso Fadrique jenes Schloß St. Omer niederreißen ließ, aus Furcht, der nahende Prätendent Walter könne sich desselben bemächtigen und dadurch auch das Herzogtum Athen zurückerobern.»Mais li Catellens de la Compagnie l'abatirent puis que il orent la seignorie: pour doute que li dux d'Athenes ne le preist en aucune manière, et recouvrast le ducheaume par cel chastel«, p. 274ff. Ebenso die griech. Chron. v. Morea, v. 6749ff., welche jenen »dux Galtieres« nennt. Allerdings zeigt der Zusammenhang der Vorgänge, daß hier an den Prätendenten gedacht ist. Der Chronist hat die Zeiten und Personen verwechselt; er war sich aber doch bewußt, daß die Katalanen das Schloß zerstörten, »nachdem sie die Herrschaft erlangt hatten«, also nach der Kopaisschlacht, denn zwanzig Jahre später konnte nicht von ihnen gesagt werden: »puis que il orent la seignorie« Es ist nicht daran zu zweifeln, daß sich Alfonso, wahrscheinlich wegen des Argwohns der Katalanen, genötigt sah, den Ghisi jene Burg wieder zu entziehen; man darf sogar annehmen, daß bei dieser Gelegenheit das Schloß geplündert und verwüstet wurde. Aber es wäre doch ganz widersinnig zu glauben, ein so großartiger Mann habe, aus Furcht vor Verrat, die Burg zerstören lassen.Dies glaubt Hopf I, S. 426. Das schwere Verbrechen verübten nach der ausdrücklichen Bemerkung des Chronisten, welcher es beklagt, die Katalanen, und er nennt dabei Alfonso nicht. Wollte man sich gar vorstellen, daß Alfonso Fadrique die stärkste Festung des Herzogtums, die Kadmeia, schleifen ließ, um ihre Einnahme durch einen erst drohenden Feind zu verhindern, so wäre das eine nicht nur klägliche Handlung der Feigheit, sondern des Wahnsinns gewesen. Wir haben bereits gezeigt, daß der Palast des Hauses St. Omer auf der Kadmeia gleich nach der Kephissosschlacht verwüstet, aber nicht völlig zerstört wurde.

Auch die Erhebung eines Venezianers, Nicola Salomono, zum Erzbischof Athens bewies, wieviel es Alfonso daran lag, sich die Republik San Marco versöhnlich zu stimmen.Hopf I, S. 426. Er bemühte sich, den Waffenstillstand mit ihr zu einem dauernden Frieden zu machen, und unterhandelte deshalb mit dem Bailo Negropontes. Denn vor allem kam es jetzt darauf an, dem Prätendenten Walter jede Hoffnung auf die tätige Unterstützung von seiten Venedigs zu nehmen. Um so auffallender ist es, daß Alfonso Fadrique gerade in dieser Zeit, im Beginne des Jahres 1331, von seinem Amt als Statthalter des Herzogs Wilhelm zurücktrat, nachdem er dasselbe dreizehn Jahre lang mit so großem Ruhm verwaltet hatte. Die Gründe seines Rücktritts sind unbekannt; vielleicht regte sich am sizilianischen Hofe Argwohn und Eifersucht gegen die ungewöhnliche Machtstellung, welche der königliche Bastard erlangt hatte. Er wurde indes keineswegs nach Sizilien zurückgerufen, sondern er blieb der mächtigste Feudalherr des Herzogtums Athen und der einflußreichste Mann in der katalanischen Kompanie.Nur vorübergehend kehrte er nach Sizilien zurück, wo er im Mai 1332 sichtbar ist. Bozzo, Note stor., p. 67.

Dies beweist der am 5. April 1331 zwischen der Kompanie und Venedig zu Theben abgeschlossene Waffenstillstand, welchen auf der einen Seite zeichneten Nikolaus Lancia, Herr von Giarratana, als neuer Generalvikar, Alfonso Fadrique, der Marschall Odo de Novelles und eine Reihe katalanischer Räte und Syndici, auf der andern Filippo Belegno, Kapitän und Bailo Negropontes nebst seinen Räten Paolo Dandolo und Giannotto Contarini, ferner die euböotischen Dreiherren Bartolommeo Ghisi und Pietro dalle Carceri.»Exemplum treugae Nigropontis facte cum Catelanis tempore domini Ph. Belegno«, abgedr. von Thomas, Diplomatar. Veneto-Levantin., n. 108, p. 214ff. Ich gebe die Namen der katalanischen Syndici nach meiner eigenen Abschrift von n. 89, Pergameni sciolti des Archivs Venedig. »Guillelmus de Podio vigerius Thebanus, Guill. de Sancto Stephano, dom. comes de Perula, Sanchius de Astada, Franciscus de Canpis, Petrus Moraton, Raynaldus de Natalis, Nerglopis de Jassa, Bernardus ...ller, Periconius de Algis, Bernardus ...literius, Joh. Sardina, Raym. Rubeus, Guill. Fortis, Guill. Inbaldamar, Garsia Yuagnes, Periconus Stagnolus, Armangaldus de Novellis-. Der Waffenstillstand sollte vom 1. Mai ab zwei Jahre lang gültig sein. Seinem wesentlichen Inhalt nach war er die Wiederholung des Vertrages von 1321. Neu war in ihm die Verpflichtung der Kompanie, den Hafen Pteleon mit seinem Distrikt Nikopolita als venezianisches Eigentum zu behandeln. In den Vertrag wurden der Herzog Niccolo Sanudo von Naxos, Bartolommeo Ghisi und alle anderen Getreuen Venedigs mit ihren Inseln und Besitzungen eingeschlossen.Unter den Dreiherren Euböas hatte damals Pietro dalle Carceri großes Ansehen. Er starb vor dem 24. Dez. 1341, an welchem Tage seine Witwe Balsana den Todesfall der Signorie Venedigs anzeigte (Misti XIX, fol. 62).

Von welcher Wichtigkeit der Abschluß des Friedens mit Venedig für die Katalanen war, sollte sich alsbald zeigen. Am Ende des August 1331 segelte der Prätendent Walter mit einem stattlichen Heere, worunter sich nicht weniger als achthundert Ritter Frankreichs befanden, von Brindisi ab, um seinen Zug gegen die Kompanie auszuführen. Statt indes seine Richtung sofort gegen die Küsten Attikas zu nehmen, landete er in Epiros; denn sein Schwiegervater Philipp von Tarent und dessen Gemahlin Katharina hatten ihn dazu verpflichtet, seine eigene Wiederherstellung in Athen zunächst mit dem Plane nicht nur der Unterwerfung jenes Landes, sondern der Eroberung des byzantinischen Reiches zu verbinden. Walter wiederholte demnach als Generalvikar der Kaiserin Katharina den Kriegszug, welchen sechs Jahre früher Johann von Achaia nach demselben Epiros ohne Erfolg unternommen hatte. Er eroberte freilich Arta und zwang den damaligen Despoten des Landes, den Grafen Johannes von Kephallenia, zur Anerkennung der Oberhoheit des Königs von Neapel.Die Verhältnisse in Epiros hatten sich so gestaltet: Thomas, der Sohn der Despina Anna, der letzte der dortigen Angeloi, war von seinem Neffen Nikolaus Orsini im Jahre 1318 ermordet worden, worauf dieser Despot von Epiros wurde. Im Jahre 1323 ermordete ihn sein Bruder Johann Orsini und bemächtigte sich der Herrschaft. Johann wurde später, 1335, von seinem eigenen Weibe Anna vergiftet.

Am 28. Februar 1332 verhängte der Erzbischof Wilhelm von Patras in der dortigen Kirche der Minoriten feierlich den Bann über die Katalanen. Jedoch die Versuche, welche Walter gegen Böotien und Attika machte, erst von Epiros, dann von Patras her, schlugen vollkommen fehl, weil Venedig an dem Vertrage mit der Kompanie festhielt. Der Prätendent schickte vergebens Boten an Marin Zeno, den Bailo Negropontes, um seine Unterstützung und die Aufnahme seines Kriegsvolks in den Häfen Euböas zu erlangen. Der venezianische Senat bestätigte die abschlägige Antwort des Bailo.»Servando inviolabiliter treugam eis (Catellanis)« (Misti XV, fol. 17 vom 13. Juni 1332). Er wies demselben Geld und zweihundert Bogenschützen zu, um die Stadt Negroponte besser zu schützen.Ibid. und Sindicati I, 24, Ermächtigung vom 15. Juli zu einer Anleihe zur Verteidigung Negropontes. Den nach Venedig gekommenen Unterhändlern Walters erklärte die Signorie, sie wünsche ihm Glück zu seiner Ankunft in Romanien und den besten Erfolg seiner Bemühungen, allein sie könne seinen Anträgen nicht Gehör geben, da sie gewohnt sei, abgeschlossene Verträge zu halten, und der mit der Kompanie der Katalanen gemachte Waffenstillstand noch nicht abgelaufen sei.»Et propterea velit nos habere rationabiliter excusatos.« (7. Juli 1322, ibid. fol. 21).

Der florentinische Geschichtsschreiber Giovanni Villani hat behauptet, daß Walter von Brienne mit seiner Reiterei, die den Griechen und Lateinern überlegen war, die Katalanen in einer Feldschlacht leicht würde besiegt haben; diese jedoch waren vorsichtig genug, sich nicht darauf einzulassen, sondern sie gaben dem Feinde das offene Land preis, während sie sich in ihren Festungen eingeschlossen hielten.Villani X, c. 5, p. 188. Silvano Razzi, Vite di quattro uomini illustri, Florenz 1580, p. 81. Wie weit das französische Kriegsvolk in das Herzogtum selbst einzudringen vermochte, ist unbekannt. Wenn der Prätendent dort noch auf Anhänger des Hauses La Roche oder Brienne gezählt hatte, so täuschte er sich in seinen Hoffnungen; denn seine Ansprüche wurden von der einheimischen Bevölkerung in keiner Weise unterstützt. Vielmehr hatten die Griechen Attikas und Böotiens allen Grund, eine neue gewaltsame Umwälzung ihres Landes durch die Anjou, die erbitterten Feinde des byzantinischen Kaisers, zu fürchten, während sich die Herrschaft der Katalanen nach schon zwanzig Jahren ihres Bestehens als befestigt erwies. Noch lebte in der Kompanie derselbe Heldengeist der Eroberung, welcher sie zu Gebietern des Herzogtums gemacht hatte. Nach fruchtlosen Anstrengungen, die ihn »einen großen Schatz« gekostet hatten, und nach dem Verlust seines einzigen Sohnes, der ihn begleitete, erkrankte und starb, gab Walter im Laufe des Jahres 1332 sein Unternehmen auf, um ohne Ruhm nach Lecce zurückzukehren.

Die dynastischen Verhältnisse Griechenlands hatten unterdes durch den am 26. Dezember 1331 erfolgten Tod des Titularkaisers Philipp von Tarent eine Veränderung erlitten. Seine Witwe, die Kaiserin Katharina, forderte jetzt von Johann von Achaia das Fürstentum zurück. Sie hatte drei Söhne, Robert, Louis und Philipp, und zwei Töchter, Margarete und Maria. Dem Erstgeborenen, auf welchen nach ihrem eigenen Tode der Kaisertitel übergehen sollte, trat Johann für eine Geldsumme und für das Herzogtum Durazzo Achaia ab.Von den Söhnen Philipps und Katharinas wurden Robert und dann Louis Titularkaiser; Louis wurde, als Gemahl Johannas I., König von Neapel. Die Tochter Margarete vermählte sich erst mit dem Könige Robert von Schottland, dann mit Francesco del Balzo (Baux), dem Herzog von Andria. Diese Verhandlungen leitete ein genialer Florentiner, Niccolo Acciajoli, der berühmte Stifter eines Hauses, welches später auch in die Schicksale Athens gewaltsam eingreifen sollte.


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