Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Athen im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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3.

Die Herrschaft der Katalanen in Athen war seit dem mißglückten Kriegszuge des Prätendenten von keiner ähnlichen Gefahr mehr bedroht worden. Walter von Brienne zu Gefallen ließ freilich der Papst die Kompanie nochmals, am 29. Dezember 1335, durch den Erzbischof Guillaume von Patras in den Bann tun. In diesem Akt wurden die angesehensten Großen mit Namen aufgeführt, zuerst die zwei Söhne des Königs Friedrich, der Herzog Wilhelm II. von Athen und Don Alfonso Fadrique, sodann der Generalvikar Nikolaus Lancia, der Erbmarschall Odo Novelles, Estañol, Guillelm Fuster und andere.Du Cange, Hist. de Cp. II, p. 204, wo die Namen unkorrekt wiedergegeben sind.

Die Kompanie wurde auch später nochmals exkommuniziert; allein die römische Kurie begann einzusehen, daß die Spanier aus Attika nicht mehr vertrieben werden konnten. Sie hatten hier Wurzeln gefaßt, und ihr Verhältnis zu Sizilien schützte sie. Als dort der ruhmvolle König Friedrich II. im Jahre 1337 starb, bestieg sein Erstgeborener Pietro II. den Thron, während der Infant Wilhelm fortfuhr, Herzog Athens zu sein. Er starb am 22. August 1338 kinderlos;Rocchi Pirri, Chronol. Reg. Siciliae, im ›Thesaurus Graevii‹ X, vol. V, p. 70. worauf seinem Testament gemäß die herzogliche Würde auf seinen Bruder Johann II., den Markgrafen von Randazzo, überging.Michael Platiensis, Hist. Sicula, c. 14, bei Rosario Gregorio, Bibl. Script. I, 543. In Urkunden nennt er sich »Johannes Infans dei gr. dux ducatuum Athenarum et Neopatrie, Marchio Randacii« (Archiv Palermo, Reg. Cancell. 1343 a 1357, Vol. III).

In demselben Jahre starb Don Alfonso Fadrique in Griechenland. Dieser glückliche aller Führer der katalanischen Kompanie hatte in seiner Ehe mit Marulla von Verona ein blühendes Haus gegründet, welches seinen königlichen Familiennamen Aragona behielt und sich zugleich von Alfonsos väterlichem Zunamen Frederici mit katalanischer Umformung desselben »Fadrique« nannte.Den Zunamen Fredericus führte auch ein anderer Bastard des Königs Friedrich II., Orlandus, welcher in Sizilien eine Familie gründete (Rocchi Pirri, p. 73). Sein ältester Sohn Don Pedro, Herr von Lidoriki, wurde Gebieter von Salona, welches Land ihm wahrscheinlich die Erbtochter des Roger Deslaur als Mitgift zubrachte. Als Pedro starb, erbte Salona und Lidoriki sein zweiter Bruder Jayme, während ein dritter, Bonifatius, Karystos auf Euböa, Zeitun und die Insel Ägina besaß.Pedro heißt »primogenitus«, Jayme »secundogenitus« des Alfonso; Urkunde bei Gregorio, Consider. IV, App. 72. Außer ihnen werden als Brüder genannt Bonifatius de Aragonia und Johannes (Archiv Palermo, Reg. Canc. a. 1346, n. 4, fol. 127); ferner Jayme und Guillelmus. Alfonsos Tochter Simona hatte sich mit dem Dreiherrn Georgio Ghisi vermählt. Von dieser Familie Hopf, Gesch. Überblick über die Schicksale von Karystos (Sitzungsber. der Wien. Akad. 1854, S. 557ff.) und die vermehrte ital. Übersetzung derselben Schrift von G. B. de Sardagna, Vened. 1850. Dies königliche Bastardgeschlecht der Aragona behielt während eines halben Jahrhunderts den herrschenden Einfluß über die Kompanie der Katalanen; neben ihm vermochten nur die Familien der Novelles und der Lauria zu einer bedeutenden Machtstellung im Herzogtum Athen sich aufzuschwingen.

Sowohl die Fortschritte der Griechen im Peloponnes als die der Türken in Anatolien überzeugten endlich den Papst und die Mächte Europas, daß die kriegerische Kraft des Katalanenstaats den Lateinern in Hellas nur förderlich sein könne. Zumal stieg mit jedem Jahre die Gefahr, mit der die Türken Griechenland bedrohten. Zufolge der Bürger- und Thronkriege zwischen dem schwachen, unglücklichen Kaiser Andronikos II. und seinem gleichnamigen Enkel seit 1321, welche das byzantinische Reich völlig erschöpften, hatte der Sultan Orchan seine Eroberungen bis an die Propontis ausgedehnt, die großen Städte Nikomedeia und Nikaia, den ehemaligen Kaisersitz der Palaiologen, an sich gerissen und seine eigene Residenz in Brussa am bithynischen Olymp genommen. Nur der Hellespont, die schmale Grenze zwischen Asien und Europa, trennte noch die Osmanen von Romanien, dem Lande ihrer Sehnsucht, auf welches sie, wie ehedem die Lateiner, verlangende Blicke warfen. Es erschien ihnen als ein Eldorado, reich an Gold und Silber, besetzt mit blühenden Städten, worin es schöne Frauen und gebildete Männer gab. Tag und Nacht flehte Orchan Allah an, er möge ihm die Mittel gewähren, Griechenland zu erobern.Der türkische Historiograph Seadeddin, italienisch übersetzt von Vincenzo Bratutti, Chronica dell' origine e progressi della casa Ottomana, Wien 1649, p. 55ff.

Das unaufhaltsame Vordringen der türkischen Eroberer zu den griechischen Meeren nahm bereits die Gestalt einer geschichtlichen Gegenströmung Asiens nach Europa an, und diese war um so drohender, als das Wesen der Türken keine Ähnlichkeit mit der orkangleich einherstürmenden Übergewalt mongolischer Horden hatte. Denn auf den Trümmern der griechischen, seldschukischen und tatarischen Staaten Kleinasiens bildete sich die Herrschaft der Osmanen zu einer gesetzmäßig geordneten, erblichen Monarchie aus. In diesem türkischen Staat lag infolge seiner Entstehung und Zusammensetzung aus fremden, anders gesitteten Provinzen der Stoff zu einem neuen Weltreich. Eroberungslust und wilde Tapferkeit sind zu gewöhnliche Eigenschaften urwüchsiger Barbarenstämme, als daß sie genügen können, große Reiche zu stiften. Das werdende der Osmanen verdankte sein sicheres Wachstum dem allmählichen planvollen Vorschreiten von einer eroberten Station zur andern. Der Zerfall der seldschukischen Monarchie in Anatolien, das Aufhören der Kreuzzüge, der Niedergang und die Zersplitterung der griechischen wie fränkischen Macht diesseits des Hellesponts sind die äußeren Bedingungen für die Entstehung des Türkenreichs gewesen, dessen Gründer in kaum unterbrochener Reihenfolge nicht nur gewaltige Krieger, sondern auch scharfsichtige Staatsmänner waren. Eine früh begonnene, von Orchan vervollkommnete Disziplin der Militärkraft verlieh den Türken mit der Zeit die Überlegenheit über die zusammengerafften Söldnerheere der Griechen. Ihr durch eine Heldentradition gehobenes Stammgefühl gab ihnen Einheit und aristokratisches Selbstbewußtsein, während der einfache Glaubensinhalt des Koran ihrer asiatischen Natur vollkommen entsprach. Der reine Monotheismus des Islam ließ den Türken das mit unbegreiflichen Dogmen beschwerte, von phantastischen Auswüchsen des Heiligenkultus entstellte Christentum nur als Götzendienst und Vielgötterei erscheinen. Obwohl die Osmanen überall in den eroberten Griechenstädten Kleinasiens die schönsten Kathedralen und Kirchen in Moscheen verwandelten und in den Klöstern ihre Schulen oder Medrese einrichteten, zeigten sie sich dennoch den Christen gegenüber duldsamer, als es Lateiner und Griechen gegen Ungläubige und Ketzer waren. Ihr Christenhaß und mohammedanischer Fanatismus wurde durch Klugheit und das Bedürfnis gezügelt, die unterjochten Griechen zu schonen. Ihr fatalistischer Glaube endlich war ganz dazu geeignet, sie mit Todesverachtung zu erfüllen und die begeisterten Verehrer des Propheten ebensogut zu Helden zu machen, wie der fromme Christenglaube die Kreuzfahrer in deren Blütezeit dazu gemacht hatte.

Der Papst Benedikt XII. bemühte sich, eine große Liga der Mächte gegen die Türken zu vereinigen, und es war bei dieser Gelegenheit, daß die römische Kurie zum ersten Mal mit den Katalanen im Herzogtum Athen in freundliche Beziehungen trat. Als Vermittler derselben diente der in Negroponte residierende lateinische Patriarch Heinrich. Bei seiner Rückkehr von Rom über Theben oder Athen richtete die Kompanie das Ersuchen an ihn, sie mit dem heiligen Stuhle auszusöhnen. Er meldete dies dem Papst, welcher ihm antwortete, daß er die Boten der Katalanen gerne empfangen werde.Raynaldus 1341, n. 30. Nach dem Tode Benedikts trug Clemens VI. dem Patriarchen auf, zwischen Walter von Brienne und den Katalanen Frieden zu stiften, da ihre Feindseligkeiten gegeneinander nur den Türken zum Vorteil gereichten. Wider diese aber brachte der Papst den ersten großen Bund der Seemächte Europas zustande; er vereinigte Venedig, Zypern, Rhodos und Genua glücklich zu einem Kreuzzuge.Raynaldus 1343. Die griechischen Meere sollten von den türkischen Piraten befreit, die seldschukischen Fürsten in ihren eigenen Seeplätzen bekämpft werden.

Zum neuen Generalkapitän der Flotte machte der Papst im Mai 1345 den Dauphin Humbert II. von Vienne auf dessen eigenes Ersuchen. Er zeigte diese Ernennung auch den Erzbischöfen von Athen und Theben an, die er zu seinem Beistande aufforderte. Humbert kam mit einigen Galeeren nach Negroponte, wo sich die Verbündeten vereinigen sollten, und alsbald trugen ihm die Katalanen ihre Dienste an. Sie hatten es nicht vergessen, daß ihnen, den beim Papst und so vielen andern Mächten verfemten Eroberern Athens, Guy de la Tour, der Oheim dieses Dauphin, seinen Degen angeboten hatte und daß sie selbst ihm damals das Königreich Thessalonike wenigstens auf dem Pergament zum Geschenk gemacht. Die Urkunde mußte sich noch im Staatsarchiv der Kompanie vorfinden. Der Dauphin von Vienne hoffte, von den tapfern Katalanen in seinem Kreuzzuge unterstützt zu werden, was nicht geschehen konnte, ehe sie der Papst vom Kirchenbanne lossprach. Er schrieb deshalb an ihn und bat ihn, das zu tun, da auch Walter von Brienne keinen Einwand dagegen erheben werde. Clemens VI. ging auf seine Vorstellungen ein; er absolvierte die Kompanie für drei Jahre.Breve, Villanova, 17. Kal. Julii 1346, abgedr. in Hist. de Dauphinée II, n. 232, p. 553: »Illos de magna societate Catalanorum in ducatu Athenarum existentium.« Obwohl diese kirchliche Vergünstigung nur zeitweise Geltung haben sollte, konnte sie doch als ein Akt der Versöhnung des Papsttums mit den Usurpatoren Athens betrachtet werden. Der Kreuzzug selbst hatte wenig Erfolg, wenngleich die Verbündeten Smyrna erobert und die türkische Flotte im dortigen Hafen verbrannt hatten. Schon im Jahre 1347 kehrte der Dauphin nach Frankreich zurück.

Da die Beziehungen der Kompanie zu Venedig durch den von Zeit zu Zeit erneuerten Waffenstillstand geregelt waren, so befanden sich die Katalanen im Frieden mit dem Bailo Euböas. Der athenische Erzbischof regierte nach wie vor die ihm untergebenen Sprengel der Insel und vollzog dort bisweilen kirchliche Handlungen. So weihte der Metropolit Nikolaus am 14. August 1345 in der Hauptkirche Negropontes den Bolognesen Johannes zum Bischof von Andros.Specul. Carmelitan. sive Hist. Eliani ordinis de Monte Carmelo, Antverp. 1680, Vol. II, lib. 3, n. 3268: »Legitur... electum fuisse in civitate Negropontensi in Episc. et a Nicolao Athen. Metropol. consecrationis manus accepisse in majori Eccl. civ. Negropont.« – Siehe dazu P. Lambros, Bulle inédite de Jean, évêque latin d'Andros, Bulletin de corr. hellén. II, 1878, p. 36. Die Zustände des athenischen Staats erfuhren im ganzen keine anderen Veränderungen als durch den Wechsel der Vikare und der Herzöge selbst. Den tapfern und kriegerischen Johann von Randazzo raffte der schwarze Tod am 3. April 1348 dahin, worauf sein Sohn Friedrich, ein Kind, unter der Vormundschaft des berühmten Blasco von Alagona das Herzogtum erbte. Mit großen Festlichkeiten erteilte ihm der junge König Ludwig, der Nachfolger Peters II., das Fahnenlehn.Mich. Platiensis, c. 30. Auch er starb an der Pest, zu Messina am 11. Juli 1355. Es folgte ihm als Herzog der vierzehnjährige Friedrich, Peters Sohn, welcher schon im November nach dem Tode seines Bruders Ludwig König von Sizilien wurde. Die Herzogtümer Athen und Neopaträ waren bisher der Sekundogenitur seines Hauses zugewiesen; er hob diesen Zustand auf und vereinigte sie mit der Krone Siziliens.Den Katalog der Herzöge Athens hat D. Francesco Serio, doch mit manchen Irrtümern, zusammengestellt: Dissert. istor. del ducato di Atene e di Neopatria unito alla corona di Sicilia, Vol. II der Opuscoli di autori Siciliani, Palermo 1759. Die Tafel der aragon. Herzöge Athens bei Hopf, Chron. Gréco-Romanes, p. 475.


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