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An Carl Seelig

6. April 18

Mein lieber Seelig, eine ganze Zeit wartete ich schon auf Antwort von Dir, und erst gestern erhielt ich Deinen Brief vom 25.3. Armer Kerl, ich habe wirklich Mitleid mit Dir. So biete ich Dir denn nun auch nicht nur die Soldaten-, sondern auch die Bruder- und Menschenhand als ein aufrichtiger Freund! Möge das Dich etwas trösten in Deiner Einsamkeit und Deinem seelischen Leid. So billig Trostworte zu machen sind, so bedeutungslos sind sie auch eigentlich für den Betroffenen. Sie kommen doch nur von außen her und können keine Heilung bringen. Solcher Kampf muß im eigenen Innern ausgekämpft werden. Ja – das dauert lange und ist schmerzhaft. Ich weiß. Ich habe auch sieben lange Jahre an meiner ersten Liebe gekrankt, und erst jetzt habe ich in neuer Liebe Erlösung und Ruhe gefunden. Merkwürdige Ähnlichkeit: auch hier ist es eine Witwe mit zwei Kindern. Ein herber und großer Geist in diesem Weibe und ein Herz voll Menschlichkeit und echtem Idealismus. Obgleich wir beide nicht reich sind, sind wir doch entschlossen, das Haus der Ehe zu bauen. Wir werden zu arbeiten wissen für unser Glück. Und die Verinnerlichung unseres neuen Lebens wird uns über die materiellen Schwierigkeiten heben und halten. Lieber Carl Seelig – später wird schon alles besser – wenn nur erst Frieden wäre. Komm mit nach Berlin oder Mannheim! Du sollst Dich an uns schließen können, wie Du nur willst.

Schreib, so oft Du nur magst, ich werde mich darüber freuen und Dir auch antworten.

Wunderbare Osterurlaubstage verlebte ich mit dem neuen Menschen neben mir in Boppard am Rhein. Welcher Gegensatz zwischen diesem Menschsein und dem Kasernenleben, darin ich nun wieder bin.

Dein Gerrit Engelke


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