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An August Deppe

»Ruhequartier« in Ost-Nieuwkerke, 7. 5. 15

Endlich sind wir mal wieder in ruhige Gegend gekommen. Wie wir so aus unseren Unterständen nach hier zurückkamen, waren wir gerade überrascht vom Frühling. Überall schießt es auf, und es flimmert von Wärme und Licht; Einwohner (sonst unbekannte Wesen) sind hier in den Dörfern kurz hinter der Front wieder eingekehrt. Hunde bellen wieder, all die Verwüstung am Land und an den Häusern ist weniger spürbar. Siegesnachrichten kommen aus unserem Abschnitt und von den anderen Fronten – man merkt, es muß allmählich zum Frieden gehen.

Ich bin in den letzten Tagen im Schreiben und Denken recht enthaltsam gewesen. Das ist meinen Nerven gut bekommen; es waren auch ziemlich anstrengende Tage; seit dem 22. April kaum Schlaf und Essen, und dabei immer einbuddeln, wachen, vormarschieren als Reserve oder auch vor den Feind. Wir haben unsere paar Ruhetage ehrlich verdient. Nun verlangen aber wieder mein Geist und all die anderen großen und kleinen Geister in der Heimat und in Dänemark ihr Recht, und meine Pausen werden zu Schreibstunden.

Die Zeilen aus J.'s Artikel haben mich sehr gefreut. Seine Meinung ist allerdings zu einseitig. Daß man Wagner für ein »Gift« hält, ist seit Hans Bülow nicht mehr neu. Zwischen Mozart und Verdi, die er in einem Atem gegen Wagner nennt, ist ein luftleerer Raum. Es gibt das Dunkle und das Helle in der Welt; christlich nennt man es gut und böse. Ihre Gegensätzlichkeit erzeugt Bewegung und das ist: Leben im Dasein. Wenn J. nun Wagner als die vollkommenste Verkörperung des Dunklen (der Brunst, Unklarheit, Schwerfälligkeit und Breite) ansieht, so übertreibt er erstens, und zweitens muß er wissen, daß eben dies bekämpfte Dunkle unlöslich mit dem hellen Wesen seit Weltbeginn verknüpft ist und daher auch sein Recht zum Dasein hat; er muß wissen, daß es (und wie mir scheint, ganz besonders im deutschen Wesen) unbedingt dazu gehört.

Wozu sich jetzt durchaus hinter Wagner sammeln? Soll er der Deutsche sein? – Wenn wir uns aus nationalem Stolzgefühl auf einen deutschen Musikschöpfer berufen wollen, so sollen wir es immer auf den deutschesten und gewaltigsten tun: Beethoven.

Gerrit

Mit gemischten Gefühlen las ich Grabbes Stück »Don Juan und Faust«, das Du mir schicktest. Mit einiger Erwartung begann ich. Welch ein Titel! Welche Ahnungen von Möglichkeiten – nichts von dem. Am erträglichsten sind noch die Don-Juan-Leporello-Partien. Aber auch hier ist ihm schließlich noch Da Ponte über; sein Don Juan ist weltmännischer, nobler (Spanier) und sein Leporello witziger oder komischer. Man wird sich gar nicht klar, ob Grabbe nun eigentlich Don Juan als einen großen triebseligen Geist (wie ich ihn z.B. ansehe) hinstellen wollte, oder nur einen Genußfrohen. Und der Faust: Wir haben den endgültigen Faust durch Goethe, und neben diesem, mit dem man ihn unwillkürlich vergleicht, fällt er um wie eine pappgeschnittene Silhouette. Fast alle Personen reden dieselben Unklarheiten, und die Philosophasterei in den (oft endlosen) Reden Juans und Fausts ist mitunter geradezu kindisch primitiv. Grabbe hat, wie sein eigenes Denken, die beiden großen Gestalten nicht zwingen können.

Überall, wo Grabbe im Herkömmlichen bleibt, ist er verwaschen und unbedeutend, und da, wo er Neues, Selbstschöpferisches geben wollte, versagt er vollkommen.

Mein Don-Juan-Plan ist gewachsen: 1. Teil (das Bisherige): Juan, der Schweifende (Weibliebe ohne Erfüllung); 2. Teil: Juan zwischen den Schlachten (Verzweifeln an der menschenbrüderlichen Liebe); 3. Teil: Juan im Garten der Seligkeit (Erfüllung in wunschloser Freude und in der Gottheit). Arbeit. Arbeit.

G. E.


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