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An Jakob Kneip

Düren, Sonntag, 10. 2. 18

L. J. Hast Du das Gedicht »Appassionato« nicht erhalten? Scheint jetzt eine große Schweinerei mit der Post zu sein. Brief nach dem Harz: 5 Tage; 2 Briefe von mir an M. S. verloren gegangen und vielleicht auch einer an Dich. Ich erhielt von Dir: Brief, Bildkarte, Heft der Kestner-Gesellschaft, Brief (in dem Heft lag kein Brief!) scheint also auch, nach Deinem Schreiben im vorletzten Brief, einer von Dir zu fehlen? Warum soll eine Heirat mit M. S. nicht das Rechte sein? Bitte Antwort! Ich schwanke ja freilich selbst noch und habe ein gewisses Fremdgefühl (gegen solche Bindung), es ist doch ein ganz neues bisher ungekanntes Lebensstadium, in das ich dann treten würde – ganz abgesehen davon, wie die kommende Zeit Wünsche, Absichten, Vorsätze, mit einem Wort: unser Geschick würfelt. Doch fühle ich in Augenblicken des inneren Haltlosseins, daß mir eine freundlich führende energische Hand (die sie ja hat) gut sein würde. Mich, den Einsamen, dem Einsamkeit immer täglich Brot sein wird, wandeln immer wieder Unglaube an mich und die Zukunft, Zweifel über späteres Aufbauen an. Und gerade in dieser Kriegszeit, die mir die Kehle verstopft, die Flügel gebrochen, fühl ich mich lebendig-tot, so daß ich mir in Momenten des Zerknirschtseins die einsamen Feldwege, weit von den Menschen, am Abend suchen muß und im Wüten gegen mich selbst und alles oder in resignierendem Fatalismus vergeblich Erlösung suche. Es läßt sich ja nicht beschreiben, wie dies dreijahrelange Zusammengepferchtsein mit Menschen absolut erstickt und unglücklich macht. Diese, solche Menschen, die man in freiheitlicher Friedenszeit immer fliehen würde. Wie glücklich ist doch gegen uns Selbstquälerische der gemeine Mensch des Tages: essend, trinkend, zeugend, aber um Gotteswillen nicht fühlend oder denkend, und wenn ich dann denke, ich könnte auch später nach der Heirat (dazu schließlich die 2 Kinder) noch ebenso tot sein wie jetzt, so ganz nur Leere – wie könnte ich die Verantwortung tragen – wie unglücklich wäre ich dieser Frau gegenüber, die an mich glaubt und mich anzuspornen hofft. Ich weiß es nicht – ich weiß Nichts. Dann kommt mir (dazu wenn Du schreibst, Du zweifelst, ob eine Heirat mit M. S. das Rechte für mich wäre) in den Sinn, dies neue Bündnis, erstehendes Glück, mit einem Hieb wieder zu zerschlagen und wieder einzukehren in den alten, gewohnten Zustand. – Die Möglichkeit, bis zum Vortrag in Essen noch hier zu bleiben, bleibt freilich offen. Doch wer weiß.

Dein Gt.

N. B. Ich glaube übrigens: Ihr, Du und die M. S., kennt Euch gar nicht recht!


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