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An Jakob Kneip

Leke, 3. 12. 15

Mein lieber Jakob!

Also Du hast Dich in N. »bitter« über meine Nachlässigkeit beklagt. Mit Grund. Doch (meine Entschuldigung): Man soll mitunter über den Frauen die Männer vergessen. Frau M. R., oder vielmehr der Briefwechsel mit ihr, belegte mich mit Beschlag. Du weißt wohl auch, daß männliche Härte sich am liebsten der weiblichen Weichheit offenbart, hingibt. (Beim gegenseitigen Aussprechen unter Männern ist das natürliche Eigenbewußtsein, das urteilsvolle – eben das Männliche – im Wege. Nicht als ob ich hiermit Dich und uns beide meine, als ob ich unzufrieden mit Deinen Urteilen, Meinungen wäre – im Gegenteil. – Es ist allgemein gemeint!)

Nun die überraschende Wendung nach dem Briefwechsel mit M.R. in den Urlaubstagen.

Ich war bestürzt, eine solche Frau zu sehen. Daß ich mir ein ganz anderes Bild vorher von ihr machte, ist eigentlich selbstverständlich. Daß ihr einfühlendes Verstehen, ihr sicheres weibliches Urteil, ihr ausgeglichenes feines Wesen mit allen äußeren Einzelheiten Eindruck auf mich machte, ist ebenso selbstverständlich. Sie hatte zu großen Eindruck auf mich gemacht. Aber – man muß, um dies zu verstehen, die Umstände berücksichtigen. Nach dem Schützengrabenleben, dem Hintieren in Lehm und Regen, steh ich plötzlich einem solch vollendeten weiblichen Wesen, einem solchen Wesen der »Kultur« gegenüber. Der Gegensatz war zu groß, um nicht bestürzend zu wirken.

Ich schrieb ein Gedicht; schrieb einen Brief an sie – und nach ihrer sanft richtiglenkenden Abweisung habe ich (so glaube ich jetzt wenigstens) meine Krise überwunden.

(Diese Schwermutereien tauchen ja immer von Geist zu Geist mal wieder in meiner schwerblütigen Natur auf.) Versteh und glaube: ich wollte nur freundschaftliche Güte.


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