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An Jakob Kneip

Faaborg, 19. Juli 14

Lieber Kneip, – ich habe beschlossen, alle hannoverschen Bindungen, mit Ausnahme Deppes und Habichts (und des Couriers, den ich ja leider nicht entbehren kann) – zu lösen. Ich will keine Anhängsel an meinen Rockschößen haben; wozu – Ballast! Ich will mich gut an Sie schließen – denn Sie sind schließlich der Einzige, der aus warmem Herztrieb zu mir kam. Mein alter Freund Deppe war mir sehr oft schon »unzulänglich« – das will heißen: kaltherzig. In den etwa 9 Jahren, die wir uns kennen, ist immer eine gewisse Distanz von beiden (besonders von Deppes Seite) bewahrt worden, trotz des verständnisvollsten und persönlichsten Verkehrs. Meine Verbindung zu ihm wird die alte bleiben.

Und aber – ich merke immer mehr, daß niemals zu eines Mannes, zu eines Dichters Herz ein Freund so sprechen kann, wie – eine Geliebte. Diese entbehre ich seit Jahren. Ich selbst und meine Kunst leiden darunter.

Ich will heiraten! wenn es irgend geht. Ich werde zu sehr von meinem Inneren hin und her geworfen. Ich habe bisher darum nie an einer größeren Arbeit andauernd schaffen können. Die innere Unruhe, diese innere Unruhe, die ich (leider Gottes) immer wieder durch Animalien unterdrücken muß: – diese innere Unruhe kann nur an der Seite einer treuen Frau erlöschen.

Wie Sie wohl aus den neuen Gedichten (die ich jedoch von Ihnen nur als Kunstwerke an sich gewertet wissen will) fühlen, – hat sich eine Hoffnung aufgetan. Es ist eine Großnichte Dehmels – (sehr musikalisch! Sie wissen, daß Musik mein Lebensbrot ist!) – Ich sah sie zweimal – nüchtern! aber – als ich hier war – da war es anders. An Liebe auf den ersten Blick glaube ich ja überhaupt nicht. Liebe, das ist ein, je langsamer, desto besseres – Hineinwachsen ineinander. Ich fühle, daß dieses weibliche Wesen Bedeutung und Bedürfnis für mich werden könnte – und eine liebe Frau.


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