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An Frau R.

Ruhequartier Keyem, 7.8.15

Liebe Frau R.!

Angeregt durch Ihren letzten Brief fühle ich mich veranlaßt, mich nochmals in einigem zu erklären. (Im voraus: was ich an Kneips Urteil besitze, weiß ich zu schätzen. Er urteilt hart und gerecht; das soll er! Darum glaube ich unbedingt an seine Werteinschätzung der einzelnen Dichtungen.) Sie scheinen zu glauben, daß bei Verneinungen der einzelnen durch K. mein Stolz sich getroffen fühlt – durchaus nicht; ich weiß recht gut, daß bei mir unter etwa 10 Gedichten immer nur ein gutes mitentsteht, deshalb brauche ich einen strengen Kehrbesen: Kneip.

Sie müssen immer wissen: ich bin einer von den ganz Langsamen, einer von den Schwerfälligen! Wenn Sie die ursprünglichen Fassungen von: »Der Mann spricht«, »Alles zu Allem«, gesehen hätten, würden Sie diese beiden wahrscheinlich in die Ecke gelegt haben. Daß sie jetzt so gut sind, kommt daher, daß ich erst nach einem vollen Jahr die beiden endgültig einformte. So ging es auch mit vielen andern. Also: Zeit! Zeit! Ich habe immer schon das unbehagliche und quälende Gefühl, daß die Freunde und Bekannten in der Heimat mit meiner jetzigen dichterischen Produktion unzufrieden sind. Daß sie am liebsten »große Leistungen« sehen möchten, kann ich mir wohl vorstellen, aber daß sie enttäuscht sind, ist das meine Schuld? Mag sein, daß ich erst 2 oder 3 Jahre nach dem Kriege einige wirklich gute, bleibende Kriegsgedichte schreiben werde; mir würde das genügen. Und ist mit der Zwischenwartezeit etwas verloren? Was Hans Franck in dem Aufsatz über Kriegslyrik in der Frankfurter Zeitung schrieb, kann ich für meinen persönlichen Teil gar nicht genug betonen: »Man vergesse doch nicht, daß Liliencron Jahre, Jahrzehnte gebraucht hat, bis seine Soldatenerlebnisse sich zu den unvergänglichen lyrischen Gebilden verdichtet hatten – daß er gerade als Kriegslyriker nicht seinesgleichen hat, weil er 64 und 71 Soldat, nichts weiter als Soldat war –!« Wie er fühle ich mich hier durchaus nur als Soldat! Der Dichter schwankt weit, weit dahinter! Dazu und nebenbei: es ist hier mit dem »Erleben« (wie Sie es sich nur schwach vorstellen können), naturgemäß eine graue einfädige Sache!

Also abwarten, abwarten und nochmals abwarten! (Für Sie und für andere mag das allerdings nicht gerade schön sein!)

Dann ist da ein Satz in Ihrem Brief, den ich nicht recht begreifen kann: »bei vielen Ihrer Sachen – Eindruck: Kopfarbeit! Gott ja, daß das Herz dabei beteiligt ist – überhaupt eine dumme Einrichtung beim Menschen!«(?) Das Kapitel »Kopfarbeit« bei mir fällt in das zuerst Gesagte, fällt unter Kneips Urteil. Dann aber – sollte in meinen guten Gedichten, die Sie kennen, nicht doch etwas »Herz« sein? – Nun aber genug damit!

Daß Wincklers »Langemarck« mit meinem »Kugelspruch« in derselben Kriegszeitung stand, ist natürlich überraschender Zufall. Dehmels Änderung in »trifft«, ist gut und gibt einen schärfern Ausklang. Das Gedicht »Darum soll es sein!« möchte ich ganz gern in eine andere gute Zeitschrift haben. Übrigens »befiehlt« der Ers.-Reservist Gerrit Engelke dies nicht, sondern er bittet Sie sehr höflich darum. Wollen Sie ihm in Zukunft den kurzangebundenen massiven Soldatenton nicht sonderlich krumm nehmen, es liegt ihm nur hier draußen nichts ferner denn etwas Geschniegeltes.

Vor allem: seien Sie ihm nicht böse, daß er Ihre Worte gleich auf die große Waage mit den dicken Kilostücken legte!

Ihr G. E.


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