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An Jakob Kneip

Flensburg, 5. (Sonnabend Abend.) 12. 14

Mein lieber Jakob, ich bin in diesen Tagen so voll von Gedanken und dergleichen, daß ich mich in Briefen »entladen« muß. Die Helene H. hat auf ihren letzten Brief mindestens 4 innerhalb 3 Tagen bekommen; auch Du wirst ja nun mit diesem ein kleines Päckchen aus den letzten Tagen haben.

Mir ist so recht eingedrungen, daß alles Liebe ist! Wohin ich denke oder fühle, es ist nichts zu winzig, nichts zu groß, daß es nicht aus Liebe sein Leben nährt. – Ursprung von Leben und Kunst: alles ist nur das Eine: Alles ist Liebe! Meine Freundschaft zu Dir; die Bevorzugung des deutschen Volkes, wie es die Geschichte bezeugt, die Bevorzugung auch jetzt in unserm Kriege; alle Kinder und alle Kunst – und alle bereiften Gräser: Alles ist aus Liebe und ist Liebe. Und alles, was nicht von ihr durchdrungen ist, das wird im Zeitenwind zerstäuben.

(Man soll niemals zu gutmütig über Mittelmäßigkeiten in der Kunst, Operette und allen Kitsch urteilen – weg mit dem Zeug, denn es ist Spreu! Wenn ich gesichert stände und nicht der Pfennige wegen das Maul halten müßte, würde ich ganz gefährlich aufzuräumen suchen unter dem Gerümpel – [man warte ...]!)

Du hast auch gelesen, daß Hodler den Protest unterzeichnet hat – also auch ihn, den ich sehr schätze (und möchte man nicht immer den Künstler, den »Menschen« lieben, wenn man seine Kunst liebgewonnen?) – auch ihn, seine Menschlichkeit, muß man auf denselben Index setzen, auf dem (für mich) etwa Wagner steht. Aber seine Kunst rühre niemand an! Seine beste Kunst ist nicht mehr Hodler – sondern ein Stückchen der Weltseele und gehört der Welt und den Vögeln unter dem Himmel! Und er ist groß! Ich denke etwa an den »kommenden Tag« und an die »Nacht« – und einige andere, die alle von wahrhaft michelangelskem Geist zeugen (selbstverständlich heißt das nicht Anlehnung). Ich sage: Wir Volk sind noch nicht so weit! Aber es wird schon kommen.

Nun verschiedene Bitten:

Ich bitte Dich dringend um schnelle Zusendung von: Houston Stuart Chamberlain: Kriegsaufsätze (Bruckmann, München) und um die »Eisernen Sonette« von Winckler, (ich las im Inselprospekt, daß sie erschienen sind).

Dann:

Fertige bitte Abschriften von den dänischen Gedichten an! – die Du für die besten hältst! Und sende sie an Deppe, der nichts davon kennt. (Ich habe gar keine Zeit.) Sodann auch Abschriften der »Kriegsgedichte« (die es wert sind) – und sende diese an: Richard Zoozmann, Berlin-Friedenau, Fregestr. 661. Er will nach dem Kriege Kriegslyrik herausgeben.

Nun muß ich noch schnell einen Weihnachtsbrief an meine Eltern schreiben; denn der letzte Dampfer geht am 10. Dezember von Kopenhagen ab.

Mit Handdruck

Gerrit

(Deppe meint zu Dehmels Kriegsgedichten: »– ich kann sie nur respektieren als Äußerungen eines reifen, aber zu bewußt schaffenden Geistes.«

Und dann: »– so etwas Lächerliches, wie Lissauers Haßgesang –«)


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