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An die Eltern

Ruhequartier in einem flandrischen Nest, 3. 7. 15

Liebe Mutter, für Deine beiden letzten Briefe herzlichsten Dank. Es wird Zeit, daß ich mal wieder etwas von mir hören lasse. Meine Freunde u. Bekannten in der Heimat, die ja auch alle gern Nachricht von mir haben wollen, fertige ich, da sie am nächsten sind, gewöhnlich zuerst ab; im übrigen fördern die Hitze hier und die häufige nervöse Schlaffheit, die das monotone Schützengrabenleben mit sich bringt, nicht gerade die Lust zum Schreiben. Seid darum nicht böse oder gar besorgt, wenn Ihr mal länger auf einen Brief von mir wartet. Unsere jetzige, geradezu ideal ausgebaute Stellung ist die ruhigste, die wir bisher überhaupt gehabt haben. Den ganzen Tag über fällt mitunter kein Schuß – es kann allerdings auch mal ganz anders sein! Nach wie vor bin ich ruhig u. zuversichtlich; wenn der Körper auch mitunter ermüdet u. Herz u. Nerven nicht ganz so wollen wie sonst – das überwindet man schnell, denn vor allem heißt es: zähe durchhalten! Es kann ja noch recht lange dauern, u. wir müssen uns immerhin für den schlimmsten Fall auf einen neuen Winterfeldzug gefaßt machen. Am für uns glücklichen Ausgang des Krieges brauchen wir ja nicht zu zweifeln. Ich habe mich sehr darüber gefreut, daß selbst Irländer u. Schweden mit euch Deutschen fest zusammenhalten.

August Deppe, der sich zweimal als Freiwilliger gestellt hatte, aber nicht angenommen wurde, ist noch zu Haus. Er hat ja auch für die ganze Familie mitzusorgen, und sein Gehalt ist nicht allzu hoch; trotzdem hat er mir schon viel geschickt. Vielleicht wird er noch als Landsturmmann eingezogen. – Mein Freund Kneip, der auch erst nach vielen vergeblichen Bemühungen vor einigen Monaten als Freiwilliger eingestellt ist, wird nun auch bald in den Schützengraben kommen.

Nun seid unbesorgt um mich und seid recht gegrüßt von Eurem

Gerrit


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