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An Frau R.

Schützengraben, den 13. 4. 15

Eben ist es ruhiger geworden; die Artillerie ist still. Sie hat auch genug gezwitschert und gezischt und geknallt. Das war ein kleines Konzert von verschiedenartigsten Geräuschen. Jetzt sitze ich hier unter meiner Schießscharte (½ cm dicke Metallplatte mit auf- und zuschiebbarer Schußöffnung), auf der Bank in der schönsten Sonne, rauche meine scharfe Stummelpfeife und schreibe diese Reihen in der beschaulichsten Gemütsverfassung, fast aus – Langeweile.

Gestern nacht um 10 Uhr kamen wir auf langem Zickzackweg in den Graben. Bis 6 Uhr des Morgens mußten wir auf dem Posten sein. Ein Zeppelin trommelte über uns hoch hinweg, von wütendem Maschinengewehrfeuer der Franzosen begleitet. Diese erlaubten sich ferner das kostbare Vergnügen, den größten Teil der Nacht uns ihre Gewehre hören zu lassen. Pi-ij, pi-ij. Beim Hellwerden wurden wir abgelöst und konnten schlafen gehen. Ich schlief ziemlich schlecht und kroch schon um 9 Uhr wieder ans Tageslicht; es ist mit 4 Mann in so einer Quetschkiste von Unterstand doch recht eng. Dann schnökerte und schnüffelte ich den Schützengraben entlang bis in die andere Kompanie. Interessant (man hat leider kein deutsches Ersatzwort für dies notwendige: Interessant) ist das zuerst. Hier ist ein Maschinengewehr (erbeutetes französisches) eingebaut; da liegen Handgranaten, deren Gebrauch ich mir erklären lasse; da wieder stehen drei Minenwerfer – und überall elektrische Kontakte, die bei einem Angriff die Minen vor unserer Stellung in Bewegung bringen würden.

Und dann die Zeichen der Wirkung dieser und anderer Mordinstrumente: Hinter uns, über dem rückwärtigen kleineren Wall zu sehen, abgeschossene Bäume, langhin verstreut zahlreiche Gehöfte, in Grus und Mus gebrannt und geschossen; kleine Erdhaufen, auf denen Helme oder kleine Lattenkreuze verraten, daß es Gräber unserer Brüder sind. Und vor uns, durch die Schießscharten zu erspähen: hier und dort ein paar tote Franzosen oder Zuaven, nicht mehr zu erkennen.

Meine Gruppenkameraden sitzen mit mir an der Deckung entlang, rauchen, hauen Karten oder plaudern unbekümmert. Es ist gut, daß unser Gruppenführer Humor besitzt, denn das ist »der Humor von die Humore« bei dieser bluternsten Geschichte. Er meint eben, wenn wir erst günstigen Wind haben und mit unseren Stinkbomben die ganze Bande drüben betäubt hätten, dann brauchten wir bloß hinüber zu laufen und die Kanonen rumdrehen, und die Letzten in den rückwärtigen Körperteil zu schießen.–

Sela!

Es grüßt Sie herzlichst

Gerrit Engelke


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