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An August Deppe

16.10.15

L. A.! Wir haben seit längerer Zeit sehr viel und schweren Arbeitsschanzdienst. Ich habe seit Wochen keinen Brief schreiben können. Heute ist Sonntag. Da habe ich jetzt am Nachmittag einige Stunden frei; heute abend geht's wieder die Nacht über zur Arbeit nach vorn.

Du schreibst von »ruhiger Heiterkeit« des Befindens gegenüber dem Dienstlichen – das ist die rechte Gefühlstemperatur, die wir unbedingt durchhalten müssen. Weiter: ich bin so glücklich sagen zu können, daß ich nichts von einer »traurigen Erkenntnis« bezüglich der Ursachen des Krieges weiß. Ich vertraue unbedingt dem Weltschicksalswillen, dem auch unsere augenblicklichen Prüfungen nur Notwendigkeit zum höchsten Menschheitsziel sind.

Jetzt trauern, heißt Schwäche zeigen. Später. Der Krieg scheint seinen Höhepunkt erreicht zu haben. Hoffen wir, daß es zum Wohle aller zu Weihnachten Friede sein möge! Immer zuversichtlich

Dein G.

In unserem kleinen Abschnitt ist es noch immer ruhig. Direkter Angriff ist kaum zu befürchten, da das vorliegende Gelände überschwemmt und versumpft ist. Nur stärkeres Granatfeuer. Wir legten jetzt den vierten Graben an.

NB. Zur Aufrechterhaltung der gut und echt preußischen Disziplin gehört es, wenn ein Mann im Graben wegen Fehlens der Halsbinde drei Tage Mittel bekommt. »Lieb Vaterland, magst ruhig sein!«

Ich feile schon die ganzen Tage hier im Graben an den Terzinen »Abschied von der Stadt«. Sind mir schon sauer genug geworden; aber ich denke, es soll auch was Rechtes werden.

Hast Du das Gedicht »Weiter Blick« nicht erhalten? Zwischen zweiter und dritter Strophe ist noch diese einzufügen:

Und sie, die mich zur Rast, es schien,
Mit offner Güte, liebem Walten,
An dieser Scholle festgehalten,
Blieb kalt. Nun will ich weiter ziehn.

Ich zimmere schon wieder an allen möglichen Plänen, die nach dem Kriege Wirklichkeit werden sollen: Dichterei und Reisen. Skandinavien, Spanien, Südamerika! Ernsthaft! Ernsthaft, mein Sohn! Durch Vermittlung meiner Eltern bringt eine Zeitung in Port Blakeley (U.S.) ein Gedicht und einen Feldpostbrief von mir.

Vorgestern bekam unsere Uhlhorn-Ferme 30 bis 40 Granaten; zwei Verwundete, zwei Tote. Wir Patrouillenleute waren aber im Graben an der Yser. Sonst lagen wir auch auf Uhlhorn. Glück.

Gerrit


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