Alexander Dumas d. Ä.
Die Fünfundvierzig
Alexander Dumas d. Ä.

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Gewißheit.

Henri schlüpfte auf der dunkeln Seite der Hecke hin, wobei er die Vorsicht gebrauchte, weder auf dem Sande noch am Blätterwerk Geräusch zu machen.

Aber wegen der gebotenen beständigen Vorsicht konnte er nicht gut sehen. Doch an der Haltung, an den Kleidern, am Gang erkannte er in dem Mann mit dem wollenen Rock immer wieder Rémy. Einfache Vermutungen, für ihn gräßlicher als Wirklichkeiten, erhoben sich in ihm in Beziehung auf den Gefährten dieses Mannes.

Der Weg, an dem die Hagebuchen hinliefen, mündete gegen die große Dornhecke und in eine Wand von Pappelbäumen aus, die vom übrigen Teil des Parks den Pavillon des Herrn Herzogs von Anjou trennte und ihn mit einem grünen Vorhang umhüllte, in dessen Mitte er, wie gesagt, völlig verschwand. Es fanden sich hier schöne Bassins, düstere Gebüsche, von gewundenen Alleen durchschnitten, und hundertjährige Bäume, auf deren Dom der Mond Kaskaden silbernen Lichtes ergoß, während darunter der Schatten schwarz, undurchsichtig, undurchdringlich war.

Als sich Henri dieser Hecke nahte, fühlte er, daß ihm der Mut beinahe entschwand.

So dreist die Befehle des Prinzen überschreiten und sich einer so vermessenen Indiskretion überlassen, war nicht eines loyalen, redlichen Edelmannes würdig, sondern eines feigen oder eifersüchtigen Spions, der sich zu den ungebührlichsten, äußersten Schritten entschlossen hat.

Doch da der Mann beim Öffnen der Schranke, die den großen Park vom kleinen trennte, eine Bewegung machte, wobei sich sein Gesicht entblößte, und da dieses Gesicht wirklich Rémys war, so hatte der Graf keine Bedenklichkeiten mehr, und er schritt entschlossen weiter.

Man hatte die Tür wieder zugemacht; Henri sprang über die Querbalken und folgte den beiden fremden Besuchern des Prinzen.

Diese beeilten sich. Unter einer Allee von dichtbelaubten Kastanienbäumen, an deren Ende man den sanft beleuchteten Pavillon erblickte, konnte Henri nicht so leicht mehr den Leuten folgen, die ihn, wenn sie sich umgekehrt hätten, sogleich bemerkt haben müßten. Überdies erfaßte ihn ein neuer Schrecken.

Bei dem Geräusch, das auf dem Sand die Tritte Rémys und seines Gefährten machten, kam der Herzog aus dem Pavillon heraus. Henri warf sich hinter den dicksten Baum und wartete. Er konnte nichts sehen, außer, daß sich Rémy sehr tief bückte, daß Rémys Gefährte eine Verneigung nach Frauenart und keinen männlichen Bückling machte, und daß der Herzog entzückt dem letzteren den Arm bot, wie er es bei einer Frau getan haben würde. Dann wandten sich alle drei nach dem Pavillon und verschwanden unter dem Vorhause, dessen Tür sich hinter ihnen schloß.

»Ich muß ein Ende machen,« sagte Henri, »und einen bequemeren Standpunkt wählen, von wo aus ich alles sehen kann, ohne selbst gesehen zu werden.«

Er bemerkte ein Gebüsch, das zwischen dem Pavillon und den Spalieren lag, ein Gebüsch, in dessen Mittelpunkt ein Springbrunnen spielte, einen ganz sicheren Beobachtungsposten.

Hinter der Statue verborgen, die den Springbrunnen überragte, um die ganze Höhe des Piedestals emporgehoben, konnte Henri alles sehen, was in dem Pavillon vorging, dessen Hauptfenster sich gerade vor ihm öffnete. Da niemand bis dahin dringen konnte oder vielmehr dringen durfte, so hatte man keine weitere Vorsicht angewendet.

Eine Tafel war gedeckt, üppig bestellt und mit kostbaren, in venezianischen Gläsern eingeschlossenen Weinen beladen. Nur zwei Sitze an dieser Tafel erwarteten zwei Gäste. Der Herzog wandte sich dem einen zu, ließ den Arm von Rémys Gefährten los, bezeichnete ihm den andern Sitz und schien ihn aufzufordern, seinen Mantel abzulegen, der, sehr bequem für einen nächtlichen Gang, sehr unbequem wurde, wenn man das Ziel dieses Ganges erreicht hatte, und dieses Ziel ein Abendessen war.

Die Person, an welche die Einladung gerichtet war, warf nun ihren Mantel auf einen Stuhl, und das Licht der Kerzen beleuchtete ohne irgendeinen Schatten das bleiche, majestätisch schöne Antlitz einer Frau, die Henris erschrockene Augen sogleich erkannten. Es war die Dame des geheimnisvollen Hauses der Rue des Augustins, die Reisende aus Flandern, es war jene Diana endlich, deren Blicke tödlich wirkten wie Dolchstöße.

Diesmal trug sie die Kleider ihres Geschlechts; sie war angetan mit einem Gewande von Brokat; Diamanten glänzten an ihrem Hals, in ihren Haaren, an ihren Handgelenken. Unter diesem Schmucke trat die Blässe ihres Gesichtes noch mehr hervor, und ohne die Flamme, die aus ihren Augen sprang, hätte man glauben können, der Herzog habe durch Anwendung eines Zaubermittels den Schatten dieser Frau, nicht die Frau selbst, heraufbeschworen.

Hätte er sich nicht an der Statue halten können, über der er seine Arme, kälter als der Marmor selbst, kreuzte, so wäre Henri rücklings in das Bassin gefallen.

Der Herzog schien trunken vor Freude; er umschloß gleichsam mit den Augen dieses wunderbare Geschöpf, das sich ihm gegenüber gesetzt hatte und die Gegenstände, die man vor ihm aufgestellt, kaum berührte. Von Zeit zu Zeit streckte sich Franz über der Tafel aus, um eine von den Händen seiner stummen, bleichen Tischgenossin zu küssen, die ebenso unempfindlich für diese Küsse zu sein schien, als wäre ihre Hand aus dem Alabaster gemeißelt, dessen Durchsichtigkeit und Weiße sie hatte.

Immer wieder bebte Henri, fuhr mit der Hand an seine Stirn, wischte mit dieser Hand den eisigen Schweiß ab, der in Tropfen darauf stand, und fragte sich: »Lebt sie? Ist sie tot?«

Der Herzog strengte alle seine Kräfte an und entwickelte seine ganze Beredsamkeit, um die ernste Stirn der Dame zu entrunzeln.

Rémy, der allein die beiden bediente, da der Herzog alle Diener entfernt hatte, schien von Zeit zu Zeit, mit dem Ellenbogen seine Gebieterin streifend, wenn er hinter ihr vorbeiging, sie durch diese Berührung wieder zu ermutigen und zum Leben oder vielmehr zu der Lage der Dinge zurückzurufen.

Dann stieg eine dunkelrote Woge auf die Stirn der jungen Frau, ihre Augen schleuderten einen Blitz, sie lächelte, als hätte ein Zauberer eine unbekannte Feder dieses sinnvollen Automaten berührt, und der Mechanismus der Augen den Blitz, der der Wangen die Färbung, der der Lippen das Lächeln bewirkt. Dann versank sie wieder in ihre Unbeweglichkeit.

Der Prinz näherte sich indessen und fing an, durch seine leidenschaftlichen Reden seine schöne Eroberung zu erwärmen. Diana, die von Zeit zu Zeit nach der prachtvollen, über dem Kopfe des Prinzen an der Wand hängenden Uhr schaute, schien sich sodann gegen sich selbst anzustrengen und nahm, das Lächeln auf ihren Lippen bewahrend, einen tätigeren Anteil am Gespräch.

Unter dem Obdache des Blätterwerks zerriß sich Henri die Fäuste und verfluchte die ganze Schöpfung von den Frauen an, die Gott geschaffen, bis auf Gott, der ihn selbst geschaffen hatte. Es kam ihm ungeheuerlich, greuelhaft vor, daß diese reine und strenge Frau sich auf eine so gemeine Weise dem Prinzen hingab, weil er ein Prinz war, und der Liebe, weil sie in diesem Palast vergoldet erschien. Sein Abscheu gegen Rémy war so groß, daß er ihm ohne Mitleid die Eingeweide geöffnet hätte, um zu, sehen, ob ein solches Ungeheuer Blut und Herz eines Menschen habe. In diesem Taumel der Wut und Verachtung verging für Henri die Zeit dieses für den Herzog von Anjou so köstlichen Abendessens.

Diana läutete. Erhitzt durch den Wein und die galanten Redensarten, stand der Prinz vom Tische auf, um Diana zu umarmen. Alles Blut stockte in Henris Adern. Er suchte an seiner Seite, ob er einen Degen, in seiner Brust, ob er einen Dolch hätte.

Mit seltsamem Lächeln, das sicher noch nie seinesgleichen auf irgendeinem Gesichte gehabt hatte, hielt Diana den Prinzen zurück und sagte: »Monseigneur, erlaubt, daß ich, ehe ich vom Tische aufstehe, mit Euch diese Frucht teile, nach der mich gelüstet.« Bei diesen Worten streckte sie die Hand nach einem Körbchen von Goldfiligran aus, das zwanzig herrliche Pfirsiche enthielt, und nahm eine davon.

Dann machte sie von ihrem Gürtel ein Messerchen los, dessen Klinge von Silber, dessen Heft von Malachit war, zerschnitt die Pfirsich in zwei Teile und bot einen davon dem Prinzen, der ihn ergriff und gierig damit nach seinen Lippen fuhr, als ob er Dianas Lippen küßte. Diese leidenschaftliche Handlung brachte einen solchen Eindruck auf ihn selbst hervor, daß eine Wolke sein Gesicht in dem Augenblick verdunkelte, wo er in die Frucht biß.

Diana schaute ihm mit ihrem klaren Auge und ihrem unveränderlichen Lächeln zu. Rémy, der sich mit dem Rücken an einen Pfeiler von geschnitztem Holz gelehnt hatte, schaute ebenfalls mit düsterer Miene.

Der Prinz fuhr mit einer Hand über seine Stirn, wischte einige Schweißtropfen ab, die darauf peilten, und verschlang das Stück, in das er gebissen hatte. Dieser Schweiß war ohne Zweifel das Symptom einer plötzlichen Unpäßlichkeit; denn während Diana die andere Hälfte der Pfirsich aß, ließ der Prinz das, was ihm von der seinigen übrigblieb, auf seinen Teller fallen, stand mit einer gewissen Anstrengung auf und schien seine schöne Tischgenossin einzuladen, mit ihm im Garten freie Luft zu schöpfen.

Diana erhob sich und nahm, ohne ein Wort zu sprechen, den Arm, den ihr der Prinz bot. Rémy folgte ihnen mit den Augen, besonders dem Prinzen, den die Luft völlig wiederbelebte. Während des Gehens trocknete Diana die kleine Klinge ihres Messers an einem goldgestickten Taschentuch ab und steckte es wieder in seine saffianlederne Scheide. So kamen sie ganz nahe zu dem Gebüsch, wo Henri verborgen war.

Der Prinz drückte verliebt den Arm der jungen Frau an sein Herz und sagte: »Ich fühle mich wieder besser, und dennoch weiß ich nicht, welche Schwere mein Gehirn bedrückt; ich sehe, Madame, ich liebe zu sehr.«

Diana riß einige Blumen von einem Jasmin, einen Zweig von einer Rebwinde und zwei schöne Rosen ab, die eine ganze Seite des Sockels der Statue bedeckten, hinter der sich Henri erschrocken kleiner zu machen suchte.

»Was macht Ihr, Madame?« fragte der Prinz.

»Gnädigster Herr,« antwortete sie, »man hat mir stets versichert, der Wohlgeruch der Blumen sei das beste Mittel gegen Betäubung. Ich pflücke einen Strauß in der Hoffnung, von mir gegeben, werde dieser Strauß den magischen Einfluß haben, den ich ihm wünsche.«

Doch während sie die Blumen des Straußes zusammenfaßte, ließ sie eine Rose fallen, die der Prinz galanterweise aufzuheben sich beeilte.

Franz' Bewegung war rasch, doch nicht so rasch, daß Diana nicht Zeit gehabt hätte, auf die andere Rose einige Tropfen von einer Flüssigkeit fallen zu lassen, die in einem goldenen Fläschchen enthalten war, das sie aus ihrem Busen zog. Dann nahm sie die Rose, die der Prinz aufgehoben hatte, steckte sie an ihren Gürtel und sagte: »Diese ist für mich, tauschen wir.«

Und für die Rose, die sie aus den Händen des Prinzen empfing, reichte sie ihm den Strauß. Der Prinz nahm ihn gierig, roch voll Entzücken daran und schlang seinen Arm um Dianas Leib. Doch dieser wollüstige Druck brachte ohne Zweifel die Sinne des Prinzen vollends in Verwirrung, denn er wankte auf seinen Knien und war genötigt, sich auf eine Rasenbank zu setzen, die sich in seiner Nähe befand.

Henri verlor die beiden Personen nicht aus dem Gesicht, und dennoch hatte er auch einen Blick für Rémy, der im Pavillon das Ende dieser Szene abwartete oder vielmehr jeden Umstand zu verschlingen schien. Als er sah, wie der Prinz wankte, trat er bis auf die Schwelle des Pavillons vor. Diana aber setzte sich, als sie Franz wanken fühlte, zu ihm auf die Bank.

Die Betäubung währte diesmal länger als das erstemal, der Prinz hatte den Kopf auf die Brust gesenkt, er schien den Faden seiner Gedanken und fast des Gefühl seines Daseins verloren zu haben, und dennoch deutete die krampfhafte Bewegung seiner Finger auf Dianas Hand an, daß er aus Instinkt seinen Liebeswahn verfolgte.

Endlich erhob er langsam den Kopf, und als sich seine Lippen in der Höhe von Dianas Gesicht fanden, machte er eine Anstrengung, um die seiner schönen Tischgenossin zu berühren, doch die junge Frau stand auf, als hätte sie diese Bewegung nicht gesehen.

»Ihr leidet, Monseigneur?« sagte sie, »es wäre besser, wir kehrten zurück.«

»Oh! ja, kehren wir zurück!« rief der Prinz, entzückt vor Freude; »ja, kommt, ich danke.«

Und er stand ganz schwankend auf; statt daß sich Diana auf seinen Arm stützte, war er es nun, der sich auf ihren Arm stützte; so vermochte er bequemer zu gehen, und er schien Fieber und Betäubung zu vergessen; plötzlich sich aufrichtend, drückte er wie im plötzlichen Überfall einen Kuß auf den Hals der jungen Frau.

Diese bebte, als ob sie, statt des Eindrucks eines Kusses, die Verwundung eines glühenden Eisens gefühlt hätte.

»Rémy, ein Licht! ein Licht!« rief sie.

Sogleich kehrte Rémy in den Speisesaal zurück, zündete an den Kerzen auf dem Tische ein einzeln stehendes Licht an, das er von einem Leuchter nahm, näherte sich rasch, dieses Licht in der Hand, dem Eingang des Pavillons und rief: »Hier, Madame.«

»Wohin geht Eure Hoheit?« fragte Diana, indem sie das Licht ergriff und den Kopf abwandte.

»Oh! zu mir! zu mir! . . . und nicht wahr, Ihr werdet mich führen, Madame?« erwiderte der Prinz voll Trunkenheit.

»Gern, Monseigneur,« antwortete Diana; und sie hob das Licht in die Höhe und schritt dem Prinzen voran.

Rémy öffnete im Hintergrunde des Pavillons ein Fenster, durch das die Luft so gewaltig eindrang, daß die Kerze, die Diana trug, wie wütend ihre ganze Flamme und ihren ganzen Rauch Franz, der gerade im Luftzug stand, in das Gesicht trieb.

Die Liebenden, Henri hielt sie für solche, kamen so, eine Galerie durchschreitend, bis zum Zimmer des Herzogs und verschwanden hinter der Tapete mit den Lilien, die ihm als Türvorhang diente.

Henri hatte alles, was vorgefallen war, mit wachsender Wut gesehen, und dennoch war diese Wut so, daß sie an Vernichtung grenzte. Es war, als bliebe ihm nur Kraft genug, das Schicksal zu verfluchen, das ihm eine so grausame Prüfung auferlegt hatte. Er hatte sein Versteck verlassen und schickte sich, gelähmt, mit herabhängenden Armen und blicklosen Augen an, halb tot nach seiner Wohnung im Schloß zurückzukehren, als sich plötzlich der Türvorhang, hinter dem er Diana und den Prinzen hatte verschwinden sehen, wieder öffnete, die junge Frau in den Speisesaal stürzte und Rémy, der unbeweglich dastand und nur ihre Rückkehr abzuwarten schien, mit den Worten: »Komm, komm, alles ist vorbei!« mit sich fortriß.

Und beide eilten wie trunken oder wahnsinnig in den Garten. Doch bei ihrem Anblick hatte Henri seine ganze Kraft wiedererlangt; er stürzte ihnen entgegen, und sie fanden ihn plötzlich mitten in der Allee, aufrecht, die Arme kreuzend und schrecklicher in seinem Schweigen, als es die furchtbarsten Drohworte hätten sein können. Henri war in der Tat zu jenem Grad von Verzweiflung gelangt, daß er jeden getötet hätte, dem es eingefallen wäre zu behaupten, die Frauen seien nicht Ungeheuer, von der Hölle abgesandt, um die Welt zu beschmutzen.

Er faßte Diana beim Arm und hielt sie so fest, trotz des Angstschreis, den sie ausstieß, trotz des Messers, das ihm Rémy so scharf auf die Brust setzte, daß es sein Fleisch verletzte.

»Oh! Ihr erkennt mich ohne Zweifel nicht,« sagte er mit furchbarem Zähneknirschen, »ich bin jener Neuling, der Euch liebte, und dem Ihr nicht Liebe schenken wolltet, weil es für Euch keine Zukunft mehr, sondern nur eine Vergangenheit gab. Ah! schöne Heuchlerin, und du, feiger Lügner, ich kenne euch nun, ich kenne euch und verfluche euch; der einen sage ich: Ich verachte dich; dem andern: ich verabscheue dich.«

»Gebt Raum!« rief Rémy mit erstickter Stimme, »gebt Raum, junger Narr . . . oder . . .«

»Es sei,« erwiderte Henri, »töte meinen elenden Leib, da du meine Seele getötet hast.«

»Still!« murmelte Rémy wütend, während er seine Klinge immer mehr eindrückte, so daß man schon das Eisen in der Brust des jungen Mannes hörte.

Doch Diana stieß Rémys Arm heftig zurück, faßte du Bouchage am Arm und stellte sich ihm starr gegenüber. Sie war leichenbleich; ihre schönen Haare hingen steif auf ihre Schultern herab; als sie mit ihrer Hand Henris Handgelenk berührte, durchdrang diesen eine Kälte, der einer Leiche ähnlich.

»Mein Herr,« sagte sie, »urteilt nicht vermessen über Gottes Dinge! . . . ich bin Diana von Meridor, die Geliebte des Herrn von Bussy, den der Herzog von Anjou auf eine elende Weise töten ließ, als er ihn retten konnte. Vor acht Tagen hat Rémy Aurilly, den Schuldgenossen des Prinzen, erdolcht, und den Prinzen habe ich soeben mit einer Frucht, mit einem Strauß und mit einem Lichte vergiftet. Platz! mein Herr, Platz für Diana von Meridor, die auf der Stelle in das Kloster der Hospitaliterinnen geht.«

Sie sprach es, ließ Henris Arm los und nahm wieder Rémys, der auf sie wartete. Henri fiel auf die Knie und folgte mit den Augen der furchtbaren Gruppe der Mörder, die wie eine höllische Erscheinung in der Tiefe des Gebüsches verschwanden.

Erst eine Stunde nachher gelang es dem jungen Mann, den die Aufregung gelähmt, der Schrecken niedergeworfen hatte, während sein Kopf in Flammen stand, wieder so viel Kräfte zusammenzuraffen, daß er sich bis zu seiner Wohnung schleppen konnte; auch dabei mußte er wohl zehnmal von neuem ansetzen, bis er das Fenster erklettern konnte. Er machte ein paar Schritte im Zimmer, schwankte und fiel auf sein Bett.

Im Schloß schlief alles.



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