Alexander Dumas d. Ä.
Die Fünfundvierzig
Alexander Dumas d. Ä.

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Abermals die Lige.

In dem Augenblick, wo Robert Briquet hinter den andern die Treppe hinaufstieg, wobei er sich eine ziemlich gefährliche Verschwörermiene gab, bemerkte er, daß Nicolas Poulain, nachdem er mit mehreren seiner geheimnisvollen Gefährten gesprochen hatte, an der Tür des Gewölbes wartete.

»Das geschieht meinetwegen,« sagte Briquet zu sich selbst.

Der Leutnant der Stadtvogtei hielt wirklich seinen Freund an, als er eben die furchtbare Schwelle zu überschreiten im Begriff war.

»Ihr werdet es mir nicht verargen,« sagte er zu ihm, »aber die meisten von unseren Freunden kennen Euch nicht und wünschen Auskunft über Euch zu haben, ehe sie Euch zum Rat zulassen.« – »Das ist nur billig, und Ihr wißt, daß meine natürliche Bescheidenheit diese Einwendung schon vorhergesehen hatte!«

»Ich lasse Euch Gerechtigkeit widerfahren, Ihr seid ein ganzer Mann.« – »Ich entferne mich also, sehr glücklich, an einem Abend so viele brave Verteidiger der katholischen Union gesehen zu haben.«

»Soll ich Euch zurückführen?« – »Nein, ich danke, es bedarf dessen nicht.«

»Man könnte Euch Schwierigkeiten machen; doch man erwartet mich anderswo.« – »Habt Ihr nicht ein Losungswort, um hinauszukommen. Gebt es mir.«

»Nun, da Ihr einmal hereingekommen seid . . . .« – »Und da wir Freunde sind . . . .«

»Es sei! Ihr braucht nur Parma und Lothringen zu sagen.« – »Sehr gut, ich danke. Geht zu Euren Geschäften, ich kehre zu den meinigen zurück.«

Nicolas Poulain trennte sich von seinem Gefährten und begab sich wieder zu seinen Kollegen. Briquet machte ein paar Schritte, als ob er in den Hof hinabgehen wollte, blieb aber, sobald er die erste Stufe der Treppe erreicht hatte, stehen, um die Örtlichkeit zu erforschen. Das Resultat seiner Beobachtungen war, daß sich das Gewölbe parallel mit der äußeren Mauer hinzog, die es durch ein großes Wetterdach beschirmte. Offenbar mündete dieses Gewölbe gegen einen unteren Saal, in dem die geheimnisvolle Versammlung stattfinden sollte.

Was ihn in dieser Annahme bestärkte, war der Umstand, daß er ein Licht an einem vergitterten Fenster erscheinen sah, das in dieser Mauer angebracht und durch eine Art von hölzernem Trichter beschützt war, wie man sie an den Fenstern der Gefängnisse oder der Klöster anwendet, um die Aussicht abzuschneiden und nur das Einströmen der Luft und den Anblick des Himmels zu gewähren.

Briquet dachte, dieses Fenster wäre das des Versammlungssaales, und wenn man bis dahin gelangen könnte, so wäre der Ort günstig zur Beobachtung.

Es handelte sich darum, von den Pagen und Wachen im Hofe nicht gesehen zu werden.

Entschlossen, seinen Trichter zu erreichen, schlüpfte Briquet längs dem Karnies hin, der von der Freitreppe, die er als Ornament fortzusetzen schien, nach diesem Fenster zulief, und folgte der Mauer, wie eine Katze oder ein Affe, indem er sich mit den Händen und den Füßen an dem aus der Mauer selbst ausgehauenen Zierat festhielt.

Hätten die Pagen und die Soldaten in der Dunkelheit die phantastische Silhouette sehen können, wie sie mitten an der Mauer ohne einen scheinbaren Stützpunkt hinglitt, so würden sie sicher über Zauberei geschrien haben, und mehr als einer unter den Bravsten hätte seine Haare sich sträuben gefühlt.

Briquet hatte sich nicht getäuscht; er wurde reichlich für seine Bemühungen und für seine Kühnheit belohnt, als er das Gitter erreicht hatte. Sein Blick umfaßte wirklich einen großen Saal, der durch eine eiserne Lampe mit vier Schnäbeln beleuchtet und mit Rüstungen aller Art gefüllt war. Was da an Piken, Stoßdegen, Hellebarden und Musketen, teils aufgehäuft, teils in Bündeln zusammengestellt, vorhanden war, hätte genügt, um vier starke Regimenter zu bewaffnen.

Briquet schenkte jedoch seine ganze Aufmerksamkeit der Versammlung.

Seine glühenden Augen durchdrangen das dicke und mit einer fetten Lage von Rauch und Staub überzogene Glas, um unter den Visieren oder Kapuzen die Gesichter von Bekannten zu erkennen.

»Oh! oh!« sagte er, »das ist Meister Crucé, unser Empörer . . . Hier sehe ich unsern kleinen Brigard, den Gewürzkrämer an der Ecke der Rue des Lombards; dort steht Meister Leclerc, der sich Bussy nennen läßt, es jedoch sicherlich nicht gewagt hätte, zur Zeit, wo der wahre Bussy noch lebte, eine solche Ruchlosigkeit zu begehen. Ich muß ihn einmal fragen, ob er den geheimen Stoß kenne, an dem einer von meinen Bekannten, ein gewisser David, in Lyon, gestorben ist. Pest, das Bürgertum ist großartig vertreten, aber der Adel . . . Ah! Herr von Mayneville, Gott verzeihe mir! er drückt Nicolas Poulain die Hand, das ist rührend, man schließt Brüderschaft. Ah! ah! Herr von Mayneville ist also ein Redner. Er nimmt die erforderliche Stellung, um eine Rede zu halten. Seine Gebärde ist angenehm, und er verdreht die Augen sehr überzeugend.«

Briquet sah, doch er konnte, wie gesagt, nicht hören; aber wir, die wir im Geiste den Verhandlungen der stürmischen Versammlung beiwohnen, wollen dem Leser kurz den Gang und Geist der Verhandlungen angeben.

Zuerst beklagten sich Crucé, Marteau und Bussy über die Untätigkeit des Herzogs von Guise, insbesondere wies Marteau als Anwalt der Partei darauf hin, daß die Verschworenen Vermögen und Leben in die höchste Gefahr gebracht hätten und nicht länger warten wollten.

Herr von Mayneville suchte sie vergeblich damit zu beruhigen, daß der Herzog seinen Bruder, den Herrn von Mayenne, nach Paris sende. Erfolgreicher war er in seinem Bemühen, als er erzählte, daß Frau von Montpensier in Paris weile und mit Einsetzung ihres Lebens Salcède abgehalten habe, das Komplott der Ligisten zu enthüllen. Damit gewann Herr von Mayneville das Spiel gegenüber den erbitterten und ungeduldigen Anhängern.

Briquet erriet ihre Freude aus ihren Bewegungen, und diese Freude beunruhigte den würdigen Bürger ungemein, der plötzlich einen Entschluß zu fassen schien.

Er ließ sich oben von seinem Trichter auf das Pflaster des Hofes hinabgleiten und wandte sich nach dem Tore, wo ihm der Pförtner auf die zwei Worte: Lothringen und Parma, den Ausgang freigab.

Sobald Meister Robert Briquet auf der Straße war, atmete er so geräuschvoll, daß man merkte, er habe seit langer Zeit den Atem zurückgehalten.

Die Beratung dauerte aber immer noch fort. Herr von Mayneville überbrachte namens der Guisen den künftigen Insurgenten von Paris den ganzen Plan des Aufstandes.

Es handelte sich um nichts Geringeres, als alle wichtige Personen, von denen man wußte, daß sie beim König in Gunst standen, zu ermorden, mit dem Ausruf: »Es lebe die Messe! Tod den Politikern!« die Straße zu durchziehen und so eine neue Bartholomäusnacht mit den Trümmern der alten zu entflammen; nur sollten diesmal die schlimm denkenden Katholiken mit den Hugenotten aller Art daran glauben.

Indem man so handelte, diente man zwei Göttern: dem, der im Himmel herrscht, und dem, der in Frankreich herrschen sollte. Dem Ewigen und Herrn von Guise.



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