Alexander Dumas d. Ä.
Die Fünfundvierzig
Alexander Dumas d. Ä.

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Die Guisen.

An demselben Abend, an dem Chicot nach Navarra abreiste, finden wir in dem großen Gemache des Hotels Guise den kleinen jungen Mann mit dem lebhaften Auge, den wir auf dem Pferderücken hinter Herrn von Carmainges haben in Paris einreiten sehen, und der, wie wir bereits wissen, niemand anders war, als das schöne Beichtkind Dom Gorenflots.

Jetzt, mit einem zierlichen Kleide angetan, das am Halse weit ausgeschnitten war, die Haare mit Edelsteinen besternt, wie es damals Mode, erwartete Frau von Montpensier, in einer Fenstervertiefung stehend, ungeduldig irgend jemand, der auf sich warten ließ.

Der Schatten fing an sich zu verdichten, die Herzogin unterschied nur mit Mühe die Pforte des Hotels, worauf ihre Augen beständig gerichtet waren. Endlich vernahm man den Hufschlag eines Pferdes, und zehn Minuten nachher meldete die Stimme des Pförtners geheimnisvoll der Herzogin den Herzog von Mayenne.

Frau von Montpensier erhob sich und lief ihrem Bruder mit solcher Hast entgegen, daß sie auf der Spitze des rechten Fußes zu gehen vergaß, wie es ihre Gewohnheit war, wenn sie nicht hinken wollte.

»Allein, mein Bruder,« sagte sie, »seid Ihr allein?« – »Ja, meine Schwester,« antwortete der Herzog, der sich setzte, nachdem er der Herzogin die Hand geküßt hatte.

»Aber Heinrich . . . wo ist denn Heinrich? Wißt Ihr, daß ihn alle hier erwarten?« – »Heinrich, meine Schwester, hat hier in Paris noch nichts zu tun, während er dort in Flandern und der Picardie viel zu tun hat. Unser Werk ist langsamer und unterirdischer Natur, doch wir haben dort Arbeit; warum sollten wir diese Arbeit verlassen, um nach Paris zu kommen, wo alles getan ist?«

»Ja, wo jedoch alles wieder rückgängig werden wird, wenn Ihr Euch nicht sputet. Ich sage Euch, daß sich die Bürger nicht mehr mit solchen Gründen begnügen, daß sie ihren Herzog Heinrich sehen wollen, daß dies ihr Hunger, ihre Heißgier ist.« – »Sie werden ihn im geeigneten Augenblicke sehen. Hat ihnen Mayneville nicht alles erklärt?«

»Ganz gewiß; doch Ihr wißt, seine Stimme hat nicht die Macht der Eurigen.« – »Das Dringendste, meine Schwester – und Salcède?«

»Tot!« – »Ohne zu sprechen?«

»Ohne eine Silbe von sich zu geben.« – »Gut. Und die Bewaffnung?«

»Vollendet.« – »Und Paris?«

»In sechzehn Viertel abgeteilt. – »Und jedes Viertel hat den von uns bezeichneten Chef?«

»Ja.« – »Gottes Ostern! leben wir also in Ruhe, dies will ich unsern guten Bürgern sagen.«

»Sie werden Euch nicht hören. Ich sage Euch, daß sie vom Teufel besessen sind.« – »Meine Schwester, Ihr habt ein wenig die Gewohnheit, die Hast der andern nach Eurer eigenen Ungeduld zu beurteilen.«

»Werdet Ihr mir das zum Vorwurf machen?« – »Gott behüte mich; aber was mein Bruder Heinrich sagt, muß geschehen. Mein Bruder Heinrich will aber, daß man sich durchaus nicht beeile.«

»Was ist also zu tun?« fragte die Herzogin voll Ungeduld. – »Drängt irgend etwas, meine Schwester?«

»Alles, wenn man will.« – »Womit soll man Eurer Ansicht nach anfangen?«

»Damit, daß man den König festnimmt.« – »Das ist Eure fixe Idee. Ich sage nicht, daß sie schlecht wäre, wenn man sie in Ausführung bringen könnte; aber entwerfen und tun ist zweierlei; erinnert Euch, wie oft wir schon gescheitert sind.«

»Die Zeiten haben sich geändert. Der König hat niemand mehr zu seiner Verteidigung.« – »Nein, außer den Schweizern, den Schotten und den französischen Leibwachen.«

»Mein Bruder, wollt Ihr, so zeige ich, die ich mit Euch spreche, Euch den König nur von zwei Lakaien begleitet auf der Landstraße.« – »Man hat mir dies hundertmal gesagt und ich habe ihn nicht ein einziges Mal gesehen.«

»Ihr werdet ihn sehen, wenn Ihr nur drei Tage in Paris bleibt.« – »Abermals ein Entwurf.«

In diesem Augenblick hob der Huissier den Türvorhang und fragte: »Gefällt es Euren Hoheiten, Herrn von Mayneville zu empfangen?«

»Mein Genosse,« erwiderte die Herzogin, »er trete ein.«

Herr von Mayneville trat ein und küßte dem Herzog von Mayenne die Hand.

»Ein einziges Wort, gnädigster Herr,« sagte er, »ich komme vom Louvre.«

»Nun!« riefen gleichzeitig Mayenne und die Herzogin. – »Man vermutet Eure Ankunft.«

»Wie dies?« – »Ich plauderte mit dem Führer des Postens von Saint-Germain-l'Auxerrois, zwei Gaskogner gingen vorüber.«

»Kennt Ihr sie?« – »Nein – sie funkelten ganz in ihren neuen Kleidern. ›Cap de Bious,‹ sagte der eine, ›wir haben da ein herrliches Wams, doch es würde Euch bei Gelegenheit nicht denselben Dienst leisten, wie Euer Panzer von gestern.‹

›Bah! bah!‹ erwiderte der andere, ›so solid auch das Schwert des Herrn Mayenne sein mag, so wetten wir doch, daß es ebensowenig diesen Atlas aufritzen wird, wie es meinen Panzer aufgeritzt hätte.‹

»Und hierauf verbreitete sich der Gaskogner in Prahlereien, die andeuteten, daß man Euch in der Nähe wußte.«

»Und wem gehören diese Gaskogner?« – »Ich weiß es nicht.«

»Und sie entfernten sich?« – »Nicht so rasch; sie schrien laut; der Name Eurer Hoheit wurde gehört, einige Vorübergehende blieben stehen und fragten, ob Ihr wirklich ankämet. Sie wollten eben diese Frage beantworten, als sich plötzlich Herr von Loignac dem Gaskogner näherte und ihm auf die Schulter klopfte. Auf ein paar Worte, die er leise sprach, antwortete der Gaskogner nur mit einer Gebärde der Unterwürfigkeit und folgte seinem Unterbrecher. Sie verschwanden dann in der Richtung des Louvre.

»Ich habe ein äußerst einfaches Gegenmittel,« sagte Mayenne. »Ich gehe diesen Abend zum König, um ihn zu begrüßen.«

»Den König begrüßen?« – »Ganz gewiß; ich komme nach Paris, ich gebe ihm Kunde von seinen guten Städten in der Picardie, dagegen kann er nichts sagen.«

»Das Mittel ist gut,« sagte Mayneville.

»Es ist unklug,« versetzte die Herzogin.

»Schwester, es ist unerläßlich, wenn man wirklich meine Ankunft in Paris vermutet. Es war übrigens die Ansicht meines Bruders, daß ich völlig gestiefelt vor dem Louvre absteige, um dem König die Huldigung der ganzen Familie darzubringen. Ist einmal diese Pflicht erfüllt, so bin ich frei und kann empfangen, wen ich will.«

»Die Mitglieder des Komitees, zum Beispiel, sie erwarten Euch.«

»Ich werde sie im Hotel Saint-Denis bei meiner Rückkehr aus dem Louvre empfangen,« sagte Mayenne. »Mayneville, man gebe mir wieder mein Pferd, so wie es ist, ohne es abzureiben. Ihr kommt mit mir in den Louvre. Ihr, meine Schwester, erwartet mich, wenn es Euch gefällig ist.«

»Hier, mein Bruder?«

»Nein, im Hotel Saint-Denis, wo ich meine Equipagen gelassen. Wir werden in zwei Stunden dort sein.«



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