Alexander Dumas d. Ä.
Die Fünfundvierzig
Alexander Dumas d. Ä.

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Der Panzermann.

Pertinax hatte sehr recht, die Abwesenheit seines Panzers zu beklagen, denn gerade zu dieser Stunde entäußerte er sich seiner auf immer durch die Vermittlung des Lakaien, den wir so vertraulich mit seinem Herrn haben sprechen sehen.

Auf die von Frau Fournichon ausgesprochenen magischen Worte: zehn Taler, lief Pertinax' Diener dem Händler in der Tat nach.

Da es schon Nacht war, und der Alteisenhändler ohne Zweifel Eile hatte, so war dieser schon etwa dreißig Schritte entfernt, als Samuel aus dem Gasthaus trat, und dieser mußte den Händler rufen, der furchtsam stehenblieb und einen durchdringenden Blick auf den Mann, der zu ihm kam, warf.

»Was wollt Ihr, mein Freund?« fragte er. – »Ei, bei Gott!« erwiderte der Lakai mit schlauer Miene, »ich will ein Geschäft mit Euch machen.«

»Nun, so machen wir geschwind.« – »Oh! Ihr werdet mir, beim Teufel! doch Zeit lassen, zu schnaufen.«

»Allerdings, doch schnauft geschwind, man erwartet mich.« – »Wenn Ihr gesehen habt, was ich Euch bringe, so werdet Ihr Euch Zeit nehmen, da Ihr mir ein Liebhaber zu sein scheint.«

»Und was bringt Ihr mir?« – »Ein herrliches Stück, ein Werk, womit . . . doch Ihr hört mich nicht.«

»Ihr wißt also nicht, mein Freund,« sagte der Panzermann, »daß der Waffenhandel durch ein Edikt des Königs verboten ist?« – »Ich weiß nichts, ich komme von Mont-de-Marsan.«

»Ah! das ist etwas anderes,« sagte der Panzermann, den diese Antwort etwas zu beruhigen schien; »aber obgleich Ihr von Mont-de-Marsan kommt, wißt Ihr doch schon, daß ich mit Waffen handle, und wer hat Euch das gesagt?«

»Sangdioux! das brauchte mir niemand zu sagen, Ihr habt es soeben laut genug ausgerufen.«

Nachdem der Lakai dem aufhorchenden Händler mitgeteilt hatte, daß er mit vielen Gaskognern im Schwert des kühnen Ritters gewesen sei, und ihm versichert hatte, daß diese Fremden weder dem König von Navarra ergeben noch Hugenotten seien, sagte der Händler: »Nähern wir uns ein wenig der Mauer, wir stehen hier gar zu auffallend auf der offenen Straße.«

Sie gingen miteinander einige Schritte aufwärts bis zu einem Hause von bürgerlichem Aussehen, an dessen Fensterscheiben man kein Licht erblickte. Die Tür befand sich unter einem Wetterdach, das einen Balkon bildete. Eine Steinbank war als einziger Zierat an seiner Fassade angebracht.

»Laßt einmal den Panzer anschauen,« sagte der Handelsmann, als sie unter dem Wetterdach standen. – »Hier ist er.«

»Wartet, man bewegt sich, glaube ich, in diesem Hause.« – »Nein, es ist gegenüber.«

Der Händler drehte sich um.

Gegenüber lag wirklich ein Haus von zwei Stockwerken, dessen zweites sich zuweilen flüchtig erleuchtete.

»Machen wir geschwind,« sagte der Handelsmann, den Panzer betastend. – »Nicht wahr, der ist schwer?« – »Alt, Plump, aus der Mode.« – »Ein Kunstgegenstand.« – »Sechs Taler, wollt Ihr?« – »Wie, sechs Taler, und Ihr habt dort zehn für ein altes schadhaftes Bruststück gegeben?« – »Sechs Taler, ja oder nein.« – »Aber betrachtet doch diese getriebene Arbeit.« – »Was ist an der getriebenen Arbeit gelegen, wenn man nach Gewicht wieder verkauft?« – »Oh! oh! Ihr handelt hier, und dort habt Ihr alles gegeben, was man wollte.« – »Ich gebe noch einen Taler mehr,« sagte der Händler voll Ungeduld.

»Gut,« erwiderte Samuel, »Ihr seid ein drolliger Bursche von einem Kaufmann. Ihr verbergt Euch, um Euren Handel zu treiben; Ihr verletzt die Edikte des Königs und feilscht mit ehrlichen Leuten.« – »Ruhig, ruhig, schreit nicht so.« – »Oh! ich fürchte mich nicht,« erwiderte Samuel, die Stimme erhebend, »Ich treibe keinen unerlaubten Handel und werde durch nichts veranlaßt, mich zu verbergen.« – »Still, still, und nehmt zehn Taler.« – »Zehn Taler? Ich sage Euch, daß das Gold allein so viel wert ist; ah! Ihr wollt Euch flüchtig machen?« – »Nein, nein! das ist ein wütender Mensch.« – »Ah! wenn Ihr Euch flüchtig macht, rufe ich nach der Wache!«

Während er diese Worte sprach, erhob Samuel die Stimme so, als ob er seine Drohung verwirkliche.

Bei diesem Lärm wurde ein kleines Fenster auf dem Balkon des Hauses geöffnet, dem gegenüber der Handel stattfand, und das Knarren dieses Fensters erfüllte den Handelsmann mit Schrecken.

»Schon gut,« sagte er, »ich sehe, daß man alles tun muß, was, Ihr wollt, hier sind fünfzehn Taler, nun geht Eures Weges.« – »Das lasse ich mir gefallen,« sagte Samuel, die fünfzehn Taler einsackend. – »Das ist ein Glück.« – »Doch diese fünfzehn Taler sind für meinen Herrn, und ich muß doch auch etwas für mich haben.«

Der Handelsmann schaute umher und zog seinen Dolch halb aus der Scheide, aber Samuel hatte ein Auge, so wachsam wie das eines Sperlings, der sich an den Trauben erlabt, und er sagte zurückweichend: »Ja, ja, guter Kaufmann; ja, ich sehe deinen Dolch, aber ich sehe auch etwas anderes; jenes Gesicht auf dem Balkon, das dich auch sieht.«

Bleich vor Schrecken, schaute der Händler in der von Samuel bezeichneten Richtung und sah in der Tat auf dem Balkon ein langes phantastisches Geschöpf, in einen Schlafrock von Katzenpelz gehüllt; dieser Argus hatte keine Silbe, keine Gebärde von der letzten Szene verloren.

»Vorwärts, Ihr macht aus mir, was Ihr wollt,« sagte der Handelsmann mit einem Gelächter, dem des Schakals ähnlich, der seine Zähne zeigt, »hier ist noch ein Taler mehr . . . Und der Teufel erdroßle Euch,« fügte er ganz leise hinzu.

»Ich danke Euch,« sagte Samuel, »ein gutes Geschäft.« Und er grüßte den Panzermann und verschwand mit einem Hohngelächter.

Der Handelsmann, der allein auf der Straße geblieben war, hob den Panzer auf und bemühte sich, ihn in Fournichons zu schieben. Der Bürger schaute immer noch; als er den Handelsmann sehr ängstlich beschäftigt sah, sagte er: »Mein Herr, es scheint, Ihr kauft Rüstungen.«

»Nein, mein Herr,« erwiderte der unglückliche Händler, »das geschieht nur so zufällig, und weil sich mir eine Gelegenheit geboten hat.«

»Dann bedient mich der Zufall wunderbar. Denkt Euch, daß ich gerade hier im Bereiche meiner Hand einen Haufen von altem Eisen habe, der mir lästig ist.«

»Ich sage nicht nein; aber für den Augenblick habe ich, wie Ihr seht, alles, was ich tragen kann.«

»Ich will es Euch immerhin zeigen. Es ist seltsam, aber mir scheint, ich kenne Euch!« versetzte der Bürger.

»Mich?« erwiderte der Handelsmann, der vergebens einen Schauer zurückzudrängen suchte.

»Schaut doch diese Sturmhaube an,« sagte der Bürger, indem er mit seinem langen Fuß den bezeichneten Gegenstand vorschob, denn er wollte das Fenster nicht verlassen, aus Furcht, der andere könnte sich wegstehlen. Und er hob die Sturmhaube über den Balkon und in die Hand des Kaufmanns.

»Seid Ihr nicht,« fragte er dabei, »Nicolas?«

Das Gesicht des Handelsmanns zersetzte sich gleichsam, und man sah den Helm in seiner Hand zittern. – »Nicolas?« wiederholte er.

»Nicolas Truchou, Kunsthändler, in der Rue de la Cossonnerie.«

»Nein, nein,« erwiderte der Handelsmann, der nun wieder lächelte und wie ein viermal glücklicher Mensch atmete.

»Gleichviel, Ihr habt ein gutes Gesicht, und es handelt sich darum, mir eine vollständige Rüstung abzukaufen, Panzer, Armschienen und Schwert.«

Trotz seines Drängens kam der Händler von dem verdächtigen Bürger nicht los, der mit ihm spielte, wie die Katze mit der Maus, und nach längerem Verhandeln sagte:

»Doch in der Tat, je mehr ich Euch anschaue, desto sicherer bin ich, daß ich Euch kenne; nein, Ihr seid nicht Nicolas Truchou, aber ich kenne Euch dennoch.« – »Stille!« – »Und wenn Ihr Panzer kauft . . . .« – »Nun?« – »So geschieht es wahrhaftig, um ein gottgefälliges Werk zu verrichten.« – »Schweigt.«

»Ihr entzückt mich,« sagte der Bürger und streckte über den Balkon einen ungeheuren Arm herab, dessen Hand in die Hand des Kaufmanns griff. – »Aber wer zum Teufel seid Ihr denn?« fragte dieser, der seine Hand wie in einem Schraubstock gepackt fühlte. – »Ich bin Robert Briquet, genannt der Schrecken des Schisma, Freund der Union und wütender Katholik; jetzt erkenne ich Euch ganz genau.«

Der Handelsmann wurde wieder bleich.

»Ihr seid Nicolas . . . Grimbelot, Gerber zur Kuh ohne Knochen.« – »Nein, nein, Ihr täuscht Euch, Gott befohlen, Meister Robert Briquet; es hat mich ungemein gefreut, Eure Bekanntschaft zu machen.«

Hierauf drehte der Handelsmann dem Balkon den Rücken zu und wollte sich lieber darein ergeben, seine Panzer im Stiche zu lassen und alles zu verlieren, als erkannt zu werden, indem er über Hals und Bein entfloh.

Aber Robert Briquet war nicht der Mann, der sich auf diese Art schlagen ließ; er schwang sich auf das Geländer des Balkons, stieg auf die Straße hinab, beinahe, ohne daß er zu springen brauchte, und erreichte den Kaufmann in vier bis fünf Sätzen.

»Seid Ihr ein Narr, mein Freund,« sagte er, seine breite Hand auf die Schulter des armen Teufels legend; »wenn ich Euer Feind wäre, wenn ich Euch festnehmen lassen wollte, so brauchte ich nur zu schreien; die Wache kommt zu dieser Stunde durch die Rue des Augustins; aber nein, der Teufel soll mich holen, Ihr seid mein Freund, und nun erinnere ich mich ganz bestimmt Eures Namens.«

Diesmal brach der Handelsmann in ein Gelächter aus. Robert Briquet stellte sich ihm gegenüber und sagte: »Ihr heißt Nicolaus Poulain und seid Leutnant der Prevoté (Stadtvogtei) von Paris; ich erinnere mich, daß ein Nicolas dabei war.«

»Ich bin verloren,« stammelte der Händler.

»Im Gegenteil, Ihr seid gerettet! Alle Teufel! Ihr werdet nie für die gute Sache tun, was ich zu tun beabsichtige.«

Nicolaus Poulain entschlüpfte ein Seufzer.

»Auf, auf, Mut,« sagte Robert Briquet; »faßt Euch; Ihr habt einen Bruder gefunden, den Bruder Briquet, nehmt einen Panzer, ich nehme die zwei andern, ich mache Euch ein Geschenk mit meinen Armschienen, mit meinen Beinschienen und gebe Euch meine Handschuhe in den Kauf; vorwärts, und es lebe die Union!«

»Ihr begleitet mich?« – »Ich helfe Euch diese Sachen tragen, welche die Philister besiegen müssen; zeigt mir den Weg, ich folge Euch.«

Die Seele des unglücklichen Leutnants der Prevoté durchzuckte ein sehr natürlicher Blitz des Argwohns, aber er verschwand auf der Stelle wieder.

»Hätte er gestanden, daß er mich kenne, wenn er mich verderben wollte?« sagte er leise zu sich selbst. Laut aber sagte er: »Vorwärts also, da Ihr es durchaus so wollt, kommt mit mir.«

»Zum Leben und in den Tod,« rief Robert Briquet und drückte mit einer Hand die Hand seines Verbündeten, während er mit der andern triumphierend seine Eisenlast in die Luft hob.

Nachdem sie zwanzig Minuten gegangen waren, kamen sie in den Marais, wo Poulain nächst dem Hotel Guise stehen blieb.

»Ich vermutete, meine Rüstung würde in diese Gegend kommen,« dachte Briquet.

»Freund,« sagte Nicolas Poulain, sich mit einer tragischen Miene gegen Briquet wendend, »ehe wir in des Löwen Höhle eintreten, lasse ich Euch eine letzte Minute der Überlegung; es ist noch Zeit, zurückzukehren, wenn Ihr nicht stark in Eurem Gewissen seid.«

»Bah!« erwiderte Briquet, »ich habe andere Dinge gesehen.«

»Vorwärts,« sagte Poulain, »so laßt uns eintreten.« Und er führte ihn zu der riesigen Pforte des Hotels Guise, die sich bei dem dritten Schlage des bronzenen Klopfers öffnete.

Der Hof war voll von Wachen und Männern, die, in Mäntel gewickelt, wie Gespenster hin und her liefen. Es war kein einziges Licht im Hotel. Acht gesattelte und gezäumte Pferde warteten in einem Winkel.

Bei dem Lärm des Hammers wandte sich die Mehrzahl dieser Leute um, die eine Art von Spalier bildeten, um die Ankömmlinge zu empfangen.

Nicolas Poulain neigte sich an das Ohr eines Portiers, der die kleine Tür halb geöffnet hielt, und nannte ihm seinen Namen.

»Und ich bringe einen guten Kameraden,« fügte er hinzu.

»Geht vorbei, meine Herren,« sagte der Portier.

»Bringt dies in die Magazine,« sagte Poulain und übergab einer Wache die drei Panzer nebst dem Eisenwerk Briquets. »Doch kommt,« fügte er zu seinem Begleiter hinzu, »daß ich Euch vorstelle.«

»Nehmt Euch in acht,« sagte der Bürger, »ich bin außerordentlich schüchtern. Man dulde mich, mehr will ich nicht; wenn ich meine Proben abgelegt habe, werde ich mich allein durch meine Taten vorstellen.«

»Wie es Euch beliebt,« antwortete der Leutnant, »erwartet mich also hier.« Und er ging und drückte der Mehrzahl der Spaziergänger die Hand.

»Worauf warten wir noch?« fragte eine Stimme. »Auf den Herrn,« antwortete eine andere Stimme.

In diesem Augenblicke trat ein Mann von hoher Gestalt in das Hotel; er hatte die letzten von den geheimnisvollen Spaziergängern ausgetauschten Worte gehört.

»Meine Herren,« sagte er, »ich komme in seinem Namen.«

»Ah! das ist Herr von Mayneville,« rief Poulain.

»Ich bin bei Bekannten,« sagte Briquet zu sich selbst, indem er eine Grimasse studierte, die ihn völlig entstellte.

»Meine Herren, wir sind nun vollzählig, beraten wir uns,« sagte die Stimme, die sich zuerst hatte hören lassen.

»Ah! gut!« sagte Briquet zu sich selbst, »nun sind es zwei: dies ist mein Anwalt, Meister Marteau.«

Und er veränderte seine Grimasse mit einer Leichtigkeit, durch die er bewies, wie sehr er mit physiognomischen Studien vertraut war.

»Gehen wir hinauf!« sagte Poulain.

Herr von Mayneville ging voran, Nicolas Poulain folgte; die Männer in den Mänteln kamen nach Nicolas Poulain und Robert Briquet nach den Männern in den Mänteln. Alle stiegen die Stufen einer äußeren, nach einem Gewölbe ausmündenden Treppe hinauf. Robert Briquet folgte den andern und murmelte dabei: »Doch der Page, wo zum Teufel ist der Page?«



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