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Der König suchte hierauf Chicot in seinem Zimmer wieder auf.
»Nun! Chicot?« fragte Heinrich. – »Nun! Sire.«
»Du weißt nicht, was die Königin behauptet?« – »Nein.«
»Sie behauptet, dein verfluchtes Lateinisch werde unsere ganze Ehe in Verwirrung bringen.« – »Ei! Sire, vergessen wir um Gotteswillen dieses Lateinische, und alles ist gut.«
»Der Teufel soll mich holen, ich denke nicht mehr daran.« – »Das ist recht.«
»Wahrhaftig, ich habe etwas ganz anderes zu tun, als hieran zu denken.« – »Eure Majestät zieht es vor, sich zu vergnügen?«
»Ja, mein Sohn,« erwiderte Heinrich, ziemlich unzufrieden mit dem Tone, in dem Chicot diese wenigen Worte ausgesprochen hatte, »ja, meine Majestät liebt es mehr, sich zu vergnügen.« – »Verzeiht, ich belästige vielleicht Eure Majestät?«
»Ei! mein Sohn,« sagte Heinrich, die Achseln zuckend, »ich habe dir schon gesagt, es sei hier nicht wie im Louvre. Hier treibt man am hellen Tage jede Liebe, jeden Krieg, jede Politik.«
Der Blick des Königs war so sanft, sein Lächeln so wohlwollend, daß Chicot dadurch ganz kühn gemacht wurde.
»Krieg und Politik weniger als Liebe, nicht wahr, Sire?«
»Wahrhaftig, ja, mein lieber Freund, ich gestehe es; dieses Land ist so schön, die Weine des Languedoc sind so schmackhaft, die Frauen von Navarra sind so hübsch!« – »Ah! Sire,« entgegnete Chicot, »mir scheint, Ihr vergeßt die Königin; sind die Navarresinnen etwa schöner und gefälliger? Dann mache ich ihnen mein Kompliment.«
»Ventre-saint-gris! Du hast recht, Chicot, ich vergaß, daß du Botschafter bist, daß du Heinrich III. vertrittst, daß König Heinrich III. der Bruder von Margarethe ist, und daß ich folglich in deiner Gegenwart Frau Margarethe über alle Frauen stellen muß! Doch du wirst meine Unvorsichtigkeit entschuldigen, ich bin nicht mehr an Gesandte gewöhnt, mein Sohn.«
In diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und d'Aubiac meldete mit lauter Stimme: »Der Herr Botschafter von Spanien.«
Chicot machte von seinem Lehnstuhl einen Sprung, der dem König ein Lächeln entriß.
»Wahrhaftig,« sagte Heinrich, »ich werde hier auf eine Weise Lügen gestraft, wie ich es nicht erwartet hatte. Der Botschafter von Spanien! Was will er hier?« – »Ja,« wiederholte Chicot, »was will er hier?«
»Wir werden es erfahren, vielleicht hat unser Nachbar, der Spanier, eine Grenzstreitigkeit mit uns zu verhandeln.«
»Ich entferne mich,« sagte Chicot demütig. »Es ist ohne Zweifel ein wahrer Botschafter, den Euch Seine Majestät König Philipp II. schickt, während ich . . .«
»Der Botschafter von Frankreich dem Spanier das Terrain abtreten, und zwar in Navarra, Ventre-saint-gris! Das wird nicht geschehen; öffne dieses Bücherzimmer, Chicot, und gehe hinein!« – »Aber ich werde dort alles hören, Sire.«
»Ah! Du wirst alles hören, alle Teufel! Was liegt mir daran? Ich habe nichts zu verbergen.«
Dann fügte er hinzu: »Sage meinem Kapitän der Leibwachen, er möge den Herrn Botschafter von Spanien einführen.«
Als Chicot diesen Befehl hörte, trat er eiligst in das Bücherzimmer, dessen Türvorhang er sorgfältig schloß.
Ein langsamer und abgemessener Schritt erscholl, es war der des Botschafters Seiner Majestät König Philipps II.
Nach den feierlichen Einleitungen gemäß den Vorschriften der Etikette, wobei sich Chicot aus seinem Versteck überzeugt hatte, daß Heinrich sehr gut Audienz zu geben wußte, fragte der Gesandte in spanischer Sprache, die jeder Gaskogner oder Béarner so gut wie die seiner Heimat versteht: »Kann ich frei zu Eurer Majestät sprechen?«
»Ihr könnt es.«
Chicot öffnete zwei weite Ohren. Das Interesse war groß für ihn.
»Sire,« sagte der Botschafter, »ich bringe die Antwort Seiner katholischen Majestät.«
»Gut!« dachte Chicot, »wenn er die Antwort bringt, so ist eine Frage erfolgt.«
»Worauf?« fragte Heinrich. – »Auf Eure Eröffnungen vom vorigen Monat.«
»Ah! ich bin sehr vergeßlich,« sagte Heinrich. »Wollt mir ins Gedächtnis rufen, was für Eröffnungen das waren, Herr Botschafter.« – »Die Einfälle der lothringischen Prinzen in Frankreich.«
»Ja, und besonders die meines Vetters von Guise. Sehr gut, ich erinnere mich nun; fahrt fort, mein Herr, fahrt fort!« – »Sire, der König, mein Herr, hat, obgleich man ihm anliegt, einen Allianzvertrag mit Lothringen zu unterzeichnen, ein Bündnis mit Navarra für loyaler und, sagen wir es gerade heraus, für vorteilhafter gehalten.«
»Ja, sagen wir es gerade heraus.« – »Ich werde offenherzig gegen Eure Majestät sein, Sire, denn ich kenne die Gesinnung des Königs meines Herrn gegen Eure Majestät.«
»Und ich, darf ich sie auch erfahren?« – »Sire, der König, mein Herr, hat Navarra nichts zu verweigern.«
Chicot drückte sein Ohr an den Türvorhang, während er sich in den Finger biß, um sich zu versichern, daß er nicht schlief.
»Wenn man mir nichts zu verweigern hat, so wollen wir einmal sehen, was ich verlangen kann.« – »Alles, was Eurer Majestät beliebt, Sire.«
»Teufel!« – »Eure Majestät spreche also offenherzig und unumwunden.«
»Ventre-saint-gris! das setzt mich in Verlegenheit!« – »Seine Majestät, der König von Spanien will es seinem neuen Verbündeten bequem machen, der Vorschlag, den ich Eurer Majestät tun werde, soll dies beweisen.«
»Ich höre.« – »Der König von Frankreich behandelt die Königin von Navarra als geschworene Feindin; er verstößt sie, denn er überhäuft sie mit Schmach, das unterliegt keinem Zweifel . . . Die Beleidigungen des Königs von Frankreich . . . ich bitte Eure Majestät um Verzeihung, daß ich diesen so zarten Gegenstand berühre . . .«
»Berührt ihn immerhin!« – »Die Beleidigungen des Königs von Frankreich sind öffentlich.«
Heinrich machte eine Bewegung des Leugnens.
»Sind öffentlich und bekannt; wir sind davon unterrichtet,« fuhr der Spanier fort; »ich wiederhole also, Sire; der König von Frankreich verstößt Frau Margarethe als seine Schwester, da er sie zu entbehren trachtet, indem er öffentlich ihre Sänfte anhalten und sie durch einen Kapitän seiner Garden durchsuchen läßt.«
»Nun wohl! mein Herr Botschafter, worauf zielt Ihr damit ab?« – »Es gibt also nichts Leichteres für Eure Majestät, als die als Frau zu verstoßen, die ihr Bruder als Schwester verstößt.«
Heinrich schaute nach dem Türvorhang, hinter dem Chicot mit bestürztem Auge den Erfolg dieses hochtrabenden Eingangs erwartete.
»Ist die Königin verstoßen,« fuhr der Botschafter fort, »so ist das Bündnis zwischen dem König von Navarra und dem König von Spanien . . .«
»Ist dieses Bündnis völlig abgeschlossen, und zwar folgendermaßen: Der König von Spanien gibt die Infantin, seine Tochter, dem König von Navarra, und Seine Majestät selbst heiratet Frau Katharine von Navarra, Eurer Majestät Schwester.«
Ein Schauer des Stolzes durchlief den Béarner, ein Schauer des Schreckens Chicot. Der eine sah am Horizont sein Glück strahlend wie eine aufgehende Sonne sich erheben, der andere sah das Zepter und das Glück Frankreichs hinabsinken und sterben.
Unempfindlich und eiskalt sah der Spanier nichts als die Weisungen seines Herrn.
Einen Augenblick herrschte tiefe Stille; danach erwiderte der Béarner: »Der Vorschlag ist herrlich und ehrt mich im höchsten Grade.« – »Seine Majestät,« sagte hastig der stolze Unterhändler, der auf eine Einwilligung im Augenblick des Enthusiasmus zählte, »Seine Majestät der König von Spanien gedenkt Eurer Majestät nur eine Bedingung zu stellen.«
»Ah! eine Bedingung! Das ist nur zu billig; lasst die Bedingung hören!« – »Indem mein Gebieter Eure Majestät gegen die lothringischen Prinzen unterstützt, das heißt, Euch den Weg zum Tore öffnet, wünschte er sich durch ein Bündnis mit Euch den Erwerb von Flandern zu sichern, wonach Monseigneur der Herzog von Anjou zu dieser Stunde mit allen seinen Zähnen schnappt. Eure Majestät begreift, daß mein Herr ihr hierdurch jeden Vorzug vor den lothringischen Prinzen gibt, da die Herren von Guise, seine natürlichen Verbündeten als katholische Fürsten, für sich allein eine Partei gegen den Herzog von Anjou in Flandern bilden. Folgendes ist nun die einzige Bedingung; sie ist vernünftig und mild: Seine Majestät der König von Spanien wird sich mit Euch durch eine doppelte Heirat verbinden, er wird Euch dem König von Frankreich . . .« der Botschafter suchte einen Augenblick das geeignete Wort ». . . sukzedieren helfen, und Ihr garantiert ihm Flandern. Ich kann nun, da ich die Weisheit Eurer Majestät kenne, meine Unterhandlung als glücklich zum Abschluß gebracht betrachten.«
Ein Stillschweigen, noch tiefer als das erste, folgte auf diese Worte, ohne Zweifel, um die Antwort, die der Würgengel erwartete, um auf Frankreich oder Spanien zu schlagen, noch eindrucksvoller zu machen.
Heinrich von Navarra machte drei oder vier Schritte in seinem Kabinett und sagte: »Das ist also die Antwort, die Ihr mir zu überbringen beauftragt seid?« – »Ja, Sire.«
»Nichts anderes dabei?« – »Nichts anderes.«
»Nun wohl! Ich schlage das Anerbieten Seiner Majestät des Königs von Spanien aus.« – »Ihr schlagt die Hand der Infantin aus!« rief der Spanier mit einer Bestürzung, der ähnlich, die der Schmerz einer Wunde verursacht, auf den man nicht gefaßt ist.
»Die Ehre ist sehr groß, mein Herr,« sagte Heinrich, das Haupt erhebend, »doch kann ich sie nicht für höher erachten, als die Ehre, eine Tochter Frankreichs geheiratet zu haben.« – »Ja, doch diese erste Verbindung brachte Euch dem Grabe nahe, die zweite bringt Euch dem Throne nahe, Sire.«
»Ein kostbares, unvergleichliches Glück, mein Herr, ich weiß es wohl, das ich jedoch nie mit dem Blute und der Ehre meiner zukünftigen Untertanen erkaufen würde. Wie! mein Herr, ich sollte den Degen ziehen gegen den König von Frankreich, meinen Schwager, für den Spanier, einen Fremden; wie! ich sollte die Fahne Frankreichs auf dem Wege des Ruhmes aufhalten, um das begonnene Werk durch die Türme von Kastilien und den Löwen von Leon vollenden zu lassen; wie! ich sollte Brüder durch Brüder töten lassen; ich sollte den Fremden in mein Vaterland führen! Hört mich wohl, mein Herr: Ich habe meinen Nachbar, den König von Spanien, um Hilfe gegen die Herren von Guise, die nach meinem Erbe gierigen Meuterer, gebeten, aber nicht gegen den Herzog von Anjou, meinen Schwager; nicht gegen Heinrich III., meinen Freund, nicht gegen meine Frau, die Schwester meines Königs. Ihr werdet die Guisen unterstützen, sagt Ihr, Ihr werdet ihnen Hilfe leisten. Tut es; ich schleudere alle Protestanten Deutschlands und Frankreichs auf sie und Euch. Der König von Spanien will Flandern wiedererobern, er tue, was sein Vater Karl V. getan hat. Ich wolle den Thron von Frankreich, sagt Seine katholische Majestät, das ist möglich; doch sie braucht ihn mir nicht erobern zu helfen; ich werde ihn wohl allein nehmen, wenn er erledigt ist; und dies – trotz aller Majestäten der Welt . . . Gott befohlen also, mein Herr. Sagt meinem Bruder Philipp, ich sei ihm sehr dankbar für seine Anerbietungen. Doch ich würde ihn auf den Tod hassen, wenn er mich auch nur einen Augenblick für fähig hielte, sie anzunehmen, Gott befohlen, mein Herr!«
Ganz erstaunt und bestürzt stammelte der Botschafter: »Nehmt Euch in acht, Sire, das gute Einverständnis zweier Nachbarn hängt von einem schlimmen Worte ab.«
»Mein Herr Botschafter,« sagte Heinrich, »wißt wohl: König von Navarra oder König von nichts, das ist mir einerlei. Meine Krone ist so leicht, daß ich ihren Fall nicht einmal fühlen würde, wenn sie mir von der Stirn glitte; übrigens seid unbesorgt, ich würde sie in diesem Augenblick zu halten wissen. Noch einmal, Gott befohlen, mein Herr; sagt dem König, Eurem Gebieter, mein Ehrgeiz strebe nach einem höheren Ziele als nach dem, das er mich in der Ferne habe erblicken lassen. Lebt wohl!«
Und der Béarner, der – man kann nicht sagen – nicht wieder er selbst, sondern der Mann wurde, als den man ihn kannte, geleitete lächelnd und voll Höflichkeit den spanischen Botschafter bis zur Schwelle seines Kabinetts zurück.