Alexander Dumas d. Ä.
Die Fünfundvierzig
Alexander Dumas d. Ä.

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Nachricht von Aurilly.

Am andern Tage arbeitete der König im Louvre mit dem Oberintendanten der Finanzen, als man ihm meldete, Herr von Joyeuse der Ältere sei von Château-Thierry angekommen und erwarte ihn mit einer Botschaft vom Herzog von Anjou im großen Audienzzimmer.

Der König verließ hastig den Intendanten und lief zu seinem teuren Freunde.

Viele Offiziere und Höflinge waren im Kabinett versammelt; die Königinmutter war in Begleitung ihrer Ehrenfräulein eingetroffen, und diese munteren Fräulein erschienen stets als Sonnen, von Trabanten umgeben.

Der König reichte Joyeuse seine Hand zum Kusse und ließ einen zufriedenen Blick über die Versammlung schweifen. In der Ecke der Eingangstür, an seinem gewöhnlichen Platz, stand Henri du Bouchage, der seinen Dienst und seine Pflichten aufs strengste erfüllte.

Der König dankte ihm und grüßte ihn durch ein freundliches Nicken mit dem Kopf, das Henri durch eine tiefe Verbeugung erwiderte. Dies veranlaßte Joyouse den Kopf zu wenden und seinem Bruder von ferne zuzulächeln, ohne jedoch sichtbar zu grüßen, aus Furcht er könnte die Etikette verletzen.

»Sire,« sagte Joyeuse, »ich bin zu Eurer Majestät vom Herrn Herzog von Anjou abgesandt, der vor kurzem von seinem Zuge nach Flandern zurückgekehrt ist.«

»Mein Bruder befindet sich wohl, Herr Admiral?« – »So wohl, Sire, als es der Zustand seines Geistes erlaubt; ich kann jedoch Eurer Majestät nicht verbergen, daß Monseigneur leidend zu sein scheint.«

»Er wird der Zerstreuung bedürfen nach seinem Unstern,« sagte der König, glücklich, auf die seinem Bruder widerfahrene Niederlage laut Bezug zu nehmen, während er ihn zu beklagen schien. – »Ich glaube, ja, Sire.«

»Man hat uns gesagt, Herr Admiral, das Unglück sei entsetzlich gewesen.« – »Sire . . .«

»Aber durch Euch sei ein großer Teil der Armee gerettet worden; empfangt meinen Dank, Herr Admiral. Wünscht der arme Herr von Anjou uns nicht zu sehen?« – »Sehnsüchtig, Sire . . .«

»Wir werden ihn auch besuchen. Seid Ihr nicht auch dieser Ansicht, Madame?« fragte Heinrich, indem et sich an Katharina wandte, deren Herz alles litt, was ihr Gesicht hartnäckig verbarg.

»Sire,« antwortete sie, »ich wäre meinem Sohn allein entgegengegangen, doch da Eure Majestät sich mit diesem Vorhaben guter Gesinnung zu verbinden die Gnade hat, so wird diese Reise ein Vergnügen sein.«

»Ihr kommt mit uns, meine Herren,« sagte der König zu den Höflingen; »wir reisen morgen ab, und ich halte in Meaux Nachtlager.«

»Sire, ich werde also Monseigneur diese gute Kunde überbringen?«

»Nein! Ihr sollt mich nicht so bald verlassen, Herr Admiral, nein! Ich begreife, daß ein Joyeuse von meinem Bruder geliebt und zurückgewünscht wird, aber wir haben zwei, Gott sei Dank! . . . du Bouchage, Ihr werdet nach Château-Thierry abreisen, wenn es Euch beliebt.«

»Sire,« fragte Henri, »wird es mir gestattet sein, nach Paris zurückzukehren, nachdem ich die Ankunft Eurer Majestät Monseigneur dem Herzog von Anjou gemeldet habe?«

»Das könnt Ihr halten, wie Ihr wollt,« antwortete der König.

Henri verbeugte sich und wandte sich der Tür zu. Zum Glück folgte ihm Joyeuse mit den Augen.

»Ihr erlaubt, Sire, daß ich ein Wort zu meinem Bruder sage?« fragte er.

»Tut es. Doch was gibt es?« fragte der König leise.

»Er wird eilen, was die Pferde laufen können, um den Auftrag zu befolgen, und ebenso eilen, um zurückzukehren, was wider meine Pläne, Sire, und wider die des Herrn Kardinals, unseres Bruders, ist.«

»Geh also, geh und besänftige mir diesen wütenden Verliebten.«

Anne lief seinem Bruder nach und holte ihn in den Vorzimmern ein.

»Nun,« sagte Joyeuse, »Ihr reist mit großer Eile ab, Henri?« – »Ja wohl, mein Bruder.«

»Weil Ihr schnell zurückkommen wollt?« – »Das ist wahr.«

»Ihr gedenkt also nicht, eine Zeitlang in Château-Thierry zu verweilen?« – »So kurz wie möglich.«

»Warum?« – »Wo man sich vergnügt, mein Bruder, ist nicht mein Platz.«

»Im Gegenteil, Henri, weil der Herr Herzog von Anjou dem Hofe Feste geben wird, solltet Ihr in Château-Thierry bleiben.« – »Es ist mir unmöglich, mein Bruder.«

»Wegen Eures Wunsches, Euch zurückzuziehen, wegen Eurer Klosterpläne?« – »Ja, mein Bruder.«

»Ihr habt vom König eine Dispensation verlangt.« – »Wer hat Euch das gesagt?«

»Ich weiß es.« – »Es ist wahr, ich habe dies getan.«

»Ihr werdet sie nicht erhalten.« – »Warum, mein Bruder?«

»Weil es nicht im Interesse des Königs liegt, sich eines Dieners, wie Ihr seid, zu berauben.« – »Dann wird mein Bruder, der Kardinal, tun, was Seine Majestät nicht tun will.«

»Dies alles um einer Frau willen?« – »Anne, ich bitte Euch, dringt nicht weiter in mich.«

»Ah! seid unbesorgt, ich werde nicht wieder anfangen; doch kommen wir zum Ziele . . . Ihr reist nach Château-Thierry ab; wohl! doch statt so hastig zurückzukehren, wie Ihr wolltet, wünschte ich, daß Ihr mich in meiner Wohnung erwartetet; wir haben einander seit langer Zeit nicht mehr gesehen, und Ihr begreift, daß es für mich ein Bedürfnis ist, mit Euch zusammen zu sein.« – »Bruder, Ihr geht nach Château-Thierry, um Euch zu belustigen. Wenn ich aber in Château-Thierry bleibe, werde ich all Euer Vergnügen vergiften.«

»Oh! nein, nein, ich widerstehe, denn ich habe ein glückliches Temperament, das imstande ist, in Eure Melancholie Breschen zu schießen.« – »Mein Bruder . . .«

»Erlaubt mir, Graf,« sagte der Admiral mit gebietendem Tone, »ich vertrete hier unsern Vater und schärfe Euch ein, mich in Château-Thierry zu erwarten; Ihr findet dort meine Wohnung, die auch die Eurige sein wird. Sie ist im Erdgeschosse und geht auf den Park.« – »Wenn Ihr befehlt, Bruder,« sagte Henri ergeben.

»Nennt es, wie Ihr wollt, Wunsch oder Befehl, doch erwartet mich.« – »Ich werde gehorchen, Bruder.«

»Und ich bin überzeugt, daß Ihr mir deshalb nicht grollen werdet,« fügte Joyeuse hinzu und schloß seinen Bruder in seine Arme.

Dieser entwand sich etwas erbittert der brüderlichen Umarmung, verlangte seine Pferde und reiste sogleich nach Château-Thierry ab. Er eilte mit dem Zorne eines aufgebrachten Menschen, das heißt, er verschlang gleichsam den Raum.

An demselben Abend ritt er vor Einbruch der Nacht den Hügel hinan, auf dem Château-Thierry, die Marne zu seinen Füßen, liegt. Sein Name öffnete ihm die Pforten des Schlosses, das der Prinz bewohnte. Doch er brauchte mehr als eine Stunde, um eine Audienz zu erhalten. Der Prinz, sagten die einen, sei in seinen Gemächern; er schlafe, sagten die andern; er mache Musik, vermutete der Kammerdiener. Noch keiner von den Bedienten konnte eine bestimmte Antwort geben.

Henri beharrte auf seinem Verlangen, den Prinzen zu sehen, um nicht mehr an den Dienst des Königs denken zu müssen und sich wieder ganz seiner Traurigkeit überlassen zu können. Auf sein Drängen und da man wußte, daß er und sein Bruder mit dem Herzog sehr vertraut waren, führte man ihn in einen der Salons des ersten Stockes, wo der Prinz endlich geruhte, ihn zu empfangen. Es verging eine halbe Stunde, die Nacht fiel unmerklich vom Himmel herab. Der schleppende, schwere Gang des Herzogs von Anjou erscholl in der Galerie; Henri erkannte ihn und wollte ihm mit dem gewöhnlichen Zeremoniell nahen. Doch der Prinz, der große Eile zu haben schien, überhob seinen Botschafter rasch dieser Förmlichkeit, indem er ihn bei der Hand nahm und umarmte.

»Guten Tag, Graf,« sagte er, »warum plagt man Euch damit, daß man Euch zu einem armen Besiegten schickt?«

»Der König schickt mich, Monseigneur, um Euch zu melden, er hege großes Verlangen, Eure Hoheit zu sehen, und um sie nach ihren großen Anstrengungen in keiner Weise zu bemühen, wird sich Seine Majestät zu ihr begeben und spätestens morgen in Château-Thierry eintreffen.«

»Der König wird morgen kommen!« rief Franz mit einer Bewegung der Ungeduld.

Doch er faßte sich rasch und fügte hinzu: »Morgen, morgen . . . es wird wahrhaftig nichts im Schloß, nichts in der Stadt bereit sein, um Seine Majestät zu empfangen.«

Henri verbeugte sich wie ein Mensch, der einen Befehl überbringt, aber nicht den Auftrag hat, ihn zu erläutern, und sagte: »Ihre Majestäten wünschen so sehnlich, Euch zu sehen, daß sie nicht an etwaige Schwierigkeiten gedacht haben.«

»Nun, nun,« sagte rasch der Prinz, »es ist meine Sache, die Zeit auszunutzen, und ich verlasse Euch daher auch, Henri; ich danke Euch für Eure Geschwindigkeit, denn Ihr seid schnell geritten, wie ich sehe, Henri; ruht aus.«

»Eure Hoheit hat mir keine anderen Befehle zu erteilen?« fragte Henri ehrfurchtsvoll. .

»Keine! Legt Euch nieder! Man wird Euch in Eurer Wohnung bedienen, Graf. Ich habe diesen Abend keinen Dienst, ich bin leidend, unruhig, ich habe den Appetit und den Schlaf verloren, wodurch mein Leben, wie Ihr Euch denken könnt, sehr traurig wird. Ah! habt Ihr das Neueste gehört?«

»Nein, Monseigneur; welche Neuigkeit?«

»Aurilly ist von den Wölfen gefressen worden.«

»Aurilly!« rief Henri ganz erstaunt.

»Jawohl, – gefressen! – Das ist seltsam; alles, was mir näher steht, endet übel! Guten Abend, Graf, schlaft wohl!«

Und der Prinz entfernte sich mit raschem Schritt.



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