Richard Dehmel
Zwei Menschen
Richard Dehmel

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23.

Und immer kühner greift der Morgenwind
durch Wolken in die nebelvollen Täler;
die Wolken flüchten immer schneller,
die Nebel eilen stromgeschwind.
Von Berg zu Berg wehn breite Sonnensträhnen.
Der Mann steht auf von Rechnungen und Plänen:

Sieh, jetzt im Zwielicht kannst du deutlich sehn,
wie mächtig unser Zukunftsland sich streckt;
wenn wir im Frühjahr an den Schachtbau gehn,
ist schon zum Herbst das Lager aufgedeckt.
Dann soll mein Grubenvölkchen bald verstehn,
daß freies Land noch freiere Leute heckt,
auch ohne die »soziale Republik«;
und unsern Kindern wird ein Licht aufgehn,
wozu sich da vom Schornstein der Fabrik
die Rauchfahne der Arbeit reckt,
wenn hier zum Turm her Sonntags längs des Flusses
von Hütte zu Hütte aus allen Höhn
die bunten Wimpel des Genusses
um dein Sternenbanner wehn!
Gelt, das wird schön? und mehr als schön!

Er legt beide Fäuste auf seine Pläne.
Die Nebel eilen stromgeschwind.
Die Sonne streift mit ihrer Strahlenmähne
die kleinen Städte unten, Schiffe, Kähne.
Mit strahlt das Weib, hell lacht der Wind;

Es wird! Wo kreisend die Sterne sich rühren,
da greift jeder Bannkreis in andre ein!
Und wenn's statt Hundert nur ein Dutzend spüren,
dann wird das Dutzend unermeßlich sein!
Und mitgebannt mit dir in alle Sphären,
o Welt, ich helf dir Freiheit gebären!

Sie lehnt sich an ihn muttergroß.
Die Berge schwellen im Morgenduft.
Es ragt sein Haupt, es wogt ihr Schooß.
Zwei Menschen schaun wie Götter in die Luft.


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