Richard Dehmel
Zwei Menschen
Richard Dehmel

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14.

Die Sonne scheint in einen Blumenladen,
durch den ein Flor von Orchideeen schwillt;
ein Eishauch klärt die Stadt. Zwei Menschen baden
sich in dem Duft, der durch die Scheiben quillt.
Bunt lechzen Schooß an Schooß die fleckigen Blüten.
Ein Mann bekennt aus schwerem Brüten:

Sonst graute mir vor schwangern Frauen,
als wär ich einer Verwachsnen begegnet;
Dich kann ich wie die Blumen beschauen
und fühle wirklich, du bist »gesegnet«.
Meine Vaterschaft war mir Zufallsmache,
alle Vaterliebe Gewohnheitssache –
Jetzt möcht'ich beten: o wäre dein Kind von Mir!
Und doch: auf diese reine Begier,
Lea, aus der ich eben erwache,
fällt mir das schamlose Blühen hier
wie eine Befleckung: ich verübe
nur Tierisches – das ist das Trübe.

Er will die Straße weiter, wie duftbeklommen;
er fühlt sich heimlich beim Arm genommen,
tief wird das Weib gegrüßt von irgendwer
Sie nickt kalt, lächelt angenehm.
Dann folgt sie ihm, wie zu sich selbst gekommen:

Vergleich dies Glück dem tierischen nicht!
Einst meint'ich zu sterben am Ekel der Begattung,
und ich begriff das Wort »Beschattung« –
Jetzt leb'ich wie die Pflanze dem Licht:
mit einer Sehnsucht, Lukas, wie eine Blinde!
Ich muß dir ja dies Fleisch und Blut noch wehren;
aber würdest du's nicht begehren,
ich würde verkümmern, glaub'ich, samt meinem Kinde.
Was ist da trüb? Ich seh nit, was!
Wir leben, wir lieben – wie klar ist das!

Sie muß von neuem grüßen: Herren zu Pferde.
Die lächeln mit galanter Geberde.
Zwei Menschen blicken auf die kalte Erde.


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