Richard Dehmel
Zwei Menschen
Richard Dehmel

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34.

Fern in jungen Birken spielt der Wind,
scheint das scheue Frührot anzuschüren.
Von der zarten Glut umglänzt beginnt
eine Mühle sich zu rühren;
rosig schauert das grüne Feld.
Wo der altersgraue Park sich lichtet,
unweit einer Grabkapelle,
grüßt ein Weib ins Freie, Helle,
blitzt ein Stahlrad auf, blitzt und hält,
schwenkt ein Mann die Rechte, heiß hochgerichtet:

Frühling! – endlich! – wie drängt das, mitzutun!
Mir war, als müßt ich über dies Saatenmeer
mit meinen blauen Segeltuchschuhn
wie die Schwalben hin und her!
Und dann so schweben: fliegende Blicke werfen!
Wie alle Sinne sich an einander schärfen!
Man wird bis in die volle Brust
seiner Gotteskraft bewußt,
und selbst aus Grabesfinsternissen
lacht es: All Heil, Welt! dies neue Gewissen.

Funkelnd streift sein Grußblick die Kapelle.
Aber da, statt mitzugrüßen,
bebt das Weib empor, Zorntränen quellen:

Ich weiß nur Eins, und geb's auch Dir zu wissen:
mir lacht dein Weltall gar zu bunt!
mir ist mein Herz, hier dies mein Herz, zerrissen,
und wär so gern, o Gott wie gern, gesund!
Und quälte das Deinen Gott auch nur zum Teilchen
wie Mich, du küßtest dir die Lippen wund
und heiltest, heiltest mich! Ja nick nur! Und –
ach, Lukas, sieh: das erste Veilchen!

Sie steht auf einmal ganz beglückt,
daß er, entzückt, sich bückt, es pflückt,
es ihr an Herz und Lippen drückt
und wie ein Junge lacht dazu.
Zwei Menschen lassen Gott in Ruh.


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