Richard Dehmel
Zwei Menschen
Richard Dehmel

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29.

Und sie sehn fünf Sonnen im Nebel stehn,
von Glanz umzingelt vier blasse kleine
im Kreise um die große eine;
der stille Kreis scheint den Nebel zu drehn.
Und im Dünensand hat im Windeswogen
Jeder Halm um sich einen Kreis gezogen.
Plötzlich lacht der Mann zu dem Phänomen:

Ist's nicht, als will uns der Himmel aus seinen Schätzen
rings deinen verkaufen Perlring ersetzen,
von dem wir die tolle Überfahrt bezahlten!
O, wie deine Augen herzehell strahlten,
deine dunkeln Augen im Sturm neben mir,
daß ich kämpfte, dich nicht auf offnem Schiff zu umarmen!
Und da lagen diese Mitmenschlein zum Erbarmen
und waren seekrank! – Hah: da dankt'ich dir,
Du, für deine wellenwild schwungvolle Körperschwere,
die mich auf den Grund aller irdischen Rhythmen tauchte!
Da fühlt'ich wie ein sintflutlich Tier
unsre Urverwandtschaft mit dem Meere!
Ja, meine Erlauchte:
Was ist denn diese äußere Welt,
dies öde Eiland um uns her?
nur was die Seele davon hält,
das Ufer für das innre Meer!

Er hat sich erhoben. Der Dünensand
fegt singend über den feuchten Strand.
Die vier Sonnen im Nebel verschwimmen zu blassen Axen,
die sacht der leuchtenden Mitte zuwachsen.
Das Weib streckt die Hand:

Zieh mich hoch – ja, rück es mir ins reinste
Licht, daß deine Welt meine umspannt!
O, wie schmückt unsre Sonne mein schlicht Gewand!
Und jeder Flimmer, jeder kleinste,
verflicht uns mit ins Allgemeinste
und hat doch hell für sich Bestand –

sieh! – Zwei Menschen umschlingt ein Strahlenband.


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