Richard Dehmel
Zwei Menschen
Richard Dehmel

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20.

Eisblumen und Hyazinthenduft
ringen mit warmer Zimmerluft;
weiße Seide umbauscht ein braunes Weib.
Ein Mann sieht ihren genesenen Leib
auf weichsten indischen Kissen ruhn;
ihr Goldbrokatschuh streift den Boden.
Er steht in blauen Segeltuchschuhn,
seine Radfahrjacke von graugrünem Loden
zuknöpfend, einen Brief in Händen,
und fragt, indem er drin Kniffe zieht:

Willst du dir auch die Augen blenden,
weil du ein Kind hast, das nicht sieht?!
Ich soll mit dir »ins Weite gehen«?
Was gehn heißt, wirst du bald verstehen,
wenn du mit deinen zarten Zehen
erst barfuß für uns betteln mußt!
ich glaube, da würde dir die Luft
zur blinden Liebe sehr schnell vergehen.
Einst, ja, da nahm ich Credit aufs Leben
und schlug die Schulden in den Wind;
aber als Vater lernt man eben,
was wir dem Dasein schuldig sind.
Das träumt nicht wie die grünen Seelen,
die sich vorm Leben ins Blaue stehlen,
bis die ergraute Welt sich rächt.
Und klein beigeben mit großem Munde:
dann gehn wir an uns selbst zu Grunde –
nit, Lea? das steht Uns Beiden schlecht!

Er legt ihren Brief sehr zart auf ihr Knie;
sie wiegt ihren Goldschuh. Dann antwortet sie;

Du hast sehr blaue Schuh an, sehr blaue!
du kommst wohl von einer – Wolkenaue?!
Aber ich dank dir; du sprachst sehr klar.
Ja ja: man träumt oft wunderbar!

Ihr Goldschuh zieht im Teppich einen Strich.
Zwei Menschen lächeln bitterlich.


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