Richard Dehmel
Zwei Menschen
Richard Dehmel

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11.

Und sie seufzen auf aus Sturm und Nacht;
ohne Grenzen fühlt sich Arm in Arm.
Durch die rauschende Hütte, unendlich warm,
wogt und weht das Dunkel hin. Und der Schacht
des Rauchfangs funkelt so sternenweiß
wie auf den Bergen das schmelzende Eis.
Das Weib flüstert heiß:

Und brächen da jetzt Lawinen herein,
ich würd aufjubeln: wir leben, leben!
Nit Leib, nit Seel mehr fühl ich Mein,
wenn ich mich dir entgegenhebe
und du dringst immer tiefer in mich ein!
Noch rauscht dein Blut mir, dein Herzschlag, durch alle Poren!
o sag, Lux, sag mir: solche Sekunden,
gelt, hast auch Du nie früher empfunden?!
Ach, hätt ich dich doch selber geboren!!

Sie breitet die Hände zum Firmament.
Pulsend wogt das Dunkel, unendlich warm.
Mit suchenden Fingern umglüht sie ein Arm,
ein Mann bekennt:

Ja, greif nach den Sternen, als ob sie wüßten,
was Menschenherzen Reinstes verlangen!
Du hast mich geheilt von allen Lüsten,
die nicht der Einen Lust entsprangen,
die ganze Welt im Weib zu umfangen;
du bist es, bist mir, was mich gebar!
Du tauchst mich wieder in die Erde,
als sie noch Eins mit dem Himmel war!
in Dir fühl'ich ihr feuerflüssig Werde
dem kreisenden Raume noch immer sich entwühlen!
und hingenommen von den Urgefühlen
bringt ihre Glut uns dem ewigen Kreislauf dar!

Er nimmt sie an sich wie ein Riese.
Durchs Dach der Hütte funkelt die Nacht
des Sturms mit überirdischer Pracht.
Zwei Menschen nahn dem Paradiese.


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