Richard Dehmel
Zwei Menschen
Richard Dehmel

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21.

Nur an den Eichen bebt noch braunes Laub,
es bebt im Wind; und wenn die Spechte klettern,
dann weht der Schnee wie Kieselstaub
und knistert in den abgefallnen Blättern.
Zwei Menschen sehn im Park den Abend zaudern.
Ein Weib bezwingt ein leises Schaudern:

Heut hat ein Mensch mir leidgetan,
der sonst mein Weichstes zur Erstarrung brachte.
Er hat mir nie ein Leid getan
seit jener Nacht, die mich zur Mutter machte;
er ist fast stumpfer als ein Scherben.
Heut aber, vor dem blinden Leibeserben,
vergaß er selbst sein gnädiges Stottern;
er saß nur da und ließ sich schlottern.
Ich mußt ihn immerfort betrachten,
ihn halb bedauern, halb verachten.

Der Mann an ihrer Seite nickt;
er sieht im kahlen Park den Abend dämmern,
er hört im hohlen Holz die Spechte hämmern.
Er sagt, indem er einen Zweig zerknickt:

Ich fühle jeden Tag mein Herz in Nöten,
wenn eine Frau sich mit Erröten,
und wie zur Abwehr blaß und zart doch,
samt unserm Töchterchen an mich drängt,
während vielleicht in meinem Bart noch
der Hauch von deinen Küssen hängt.
Ich kann sie nicht so flach bedauern;
ich würde lieber mit ihr trauern,
könnt ich wie sie mich sanft und klug besiegen
und leidenswillig den Nacken biegen.
Jawohl, wir sind von härterem Holz;
von Eichen bricht man keine Gerten.
Drum wolln wir nicht noch selber uns verhärten;
denn daß wir Mitleid schenken, macht uns stolz.

Er horcht: ein Rauschen stört das Spechtgekletter:
zwei Menschen gehn durch abgefallne Blätter.


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