Richard Dehmel
Zwei Menschen
Richard Dehmel

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35.

Und es rauscht nur und glüht.
Es liegt eine Düne im schwülen Licht der Fernen.
Es füllt ein Geflimmer wie von keimenden Sternen
die stille Wildnis; das Sandmeer sprüht.
Es loht die hohle Hügelwand,
wie auf ewig vor Schatten behütet,
ein Nest, in dem der Himmel brütet.
Und der Mann wiegt das Weib im Mittagsbrand:

Aufgewacht, Seele, aufgewacht!
Wunderland liegt aufgetan!
In uns, Seele, da träumt die Nacht;
aber hier, ein Hauch meines Mundes macht
diese dürre Insel – ja, schau sie an –
zum Paradies und Kanaan,
wo Adam sündlos bei Eva ruht,
wo der Tag glüht wie unser Fleisch und Blut,
wo Alles Frucht ist am reinen Leib der Liebe,
selbst der Halm dort im Sandgetriebe,
selbst der Salzgeruch, der von der Küste
herquillt in deine braunen Brüste
und Milch aus deinem Mutterblut braut,
selbst deine honigwabengoldne Haut,
und deines Schooßes glückstrotzender Schwung,
und meiner Mannheit Verkörperung!
Und wenn die Seele noch so schreit;
sie führt zum Wahnsinn, diese Seligkeit:
dann, du, dann – er stammelt plötzlich, lauscht –

das Weib in Sonnetrunkenheit
jauchzt berauscht:

dann ist der Wahnsinn eben Seligkeit –

und fährt zusammen: ein Schatten fällt
in ihre nackte Glut herab
wie aus einer fremden Welt:
Sand rutscht, und übern Hügel tappt
ein Herr im Reisehut – oh Graus;
zwei Menschen lachen einen aus.


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