Richard Dehmel
Zwei Menschen
Richard Dehmel

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7.

Ein Stübchen schwimmt voll Cigarettenduft;
zwei Menschen hauchen Ringe in die Luft.
Immer umwölkter blickt und sinnt der Mann
das Weib an:
ihren herrischen Wuchs, ihr sorgsam schlicht Gewand,
ihr schwer zu glättendes Haar, die große Hand,
den kühnen Hals, das sanft geschwungene Kinn –
Endlich wirft er gezwungen hin:

Du hast es äußerst talentvoll angestellt,
dich mir als reiche Frau zu entpuppen;
ich hoffe, daß mir's immer öfter wie Schuppen
von den verliebten Augen fällt.
Ich bin dir dankbar für das charmant posierte
Schauspiel der Armut, das du mir geboten;
beinah so dankbar wie der Toten,
die mir zu Liebe Demut simulierte.
Nur glaube nicht, mit allerhand geschickten
Künsten sei Klarheit zu erzielen;
im Leben führt das Rollespielen
zu arg verwirrenden Konflikten.
Da wird die Wahrheit denn statt Ziel
ein offenherzig Lügenspiel.

Sein Blick wird schärfer; sie hält ihn aus.
Sie scheucht den Rauch weg, sie sagt klar heraus:

Wundert dich das, du freier Mann?
Du wolltest doch, ich sollt dir zeigen,
ob ich verstünde, planvoll zu schweigen;
du schuldigst deine eignen Künste an!
Was unterschied mich denn von einer Dirne,
bevor ich glauben durfte, wir sind Eins?
Der Schutz des Reichtums! nicht des schönen Scheins:
ich biete aller Welt die Stirne.
Die Tote aber lehre uns fürs Leben:
nur volles Selbstgefühl kann voll sich selbst hingeben!

Sie blickt ins Freie; er hat die Augen geschlossen.
Zwei Menschen sitzen rauchumflossen.


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