Richard Dehmel
Zwei Menschen
Richard Dehmel

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17.

Und ein Regen perlt an zitternde Scheiben;
ein Bahnzug stampft durch sanfte Gelände.
Ins Polster gedrückt, verbunden Arme und Hände,
sieht der Mann die Tropfen rinnen und treiben.
Seine Augen werden immer grauer;
er scheint die Frau, die neben ihm lehnt,
nicht zu fühlen. Sie sagt voll Trauer:

Du hast dich in die Ebne gesehnt,
nun kommt sie, und – du sprichst kein Wort;
als wär dir die ganze Seele verbunden.
Und ich – ja, ich weiß, ich stieß dir die Wunden;
aber sie werden wieder gesunden!
soll ich denn mitleiden fort und fort? –
Fühl's doch endlich, wie Ort auf Ort
und Tal an Tal sich zur Ernte kränzt!
das feuchte Korn, wie's brotgelb glänzt!
die Obstalleeen, die weidenden Pferde –
sieh: tausend Freuden wachsen auf der Erde!

Und immer sanfter rinnt das Gelände;
wilder stampft der Zug und schüttelt die Frau.
Unwillkürlich hebt der Mann die Hände.
Sein grauer Blick wird dunkelblau:

Ja, ich fühl's, ich seh's! sehr, sehr genau!
seh schon die tausend Arme sich regen,
und muß die meinen erbärmlich zur Ruhe legen,
weil ich mich gehn ließ – ich! – Ja, du: Ich –
meine ganze Seele beschuldigt mich.
Zu jeder Handlung braucht sie die Hand,
für unser Wort selbst als Unterpfand;
wehe dem Menschen, der das vergißt!
Wie dies Stampfen mich höhnt! Das Gangwerk der Maschine,
das unsrer Glieder lenksames Nachbild ist,
mir kann es jetzt als Vorbild dienen!

Er verstummt mit selbstbeherrschter Miene.
Der Regen rinnt von den zitternden Scheiben.
Zwei Menschen bedenken ihr Tun und Treiben.


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