Richard Dehmel
Zwei Menschen
Richard Dehmel

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6.

Und wieder dämpft ein dumpfes Wiehern und Schnauben,
das durch den Schatten stiller Büsche rauscht,
im hohen Holz das Gurren der wilden Tauben;
und das Weib lauscht.
Der schlafende Mann in ihrem Schooß
hat schwer gestöhnt; soll sie ihn rütteln?
Da öffnet er die Augen – bodenlos.
Er sieht die Blumen blühn im schwülen Moos.
Und jäh, als wollt er einen Wurm abschütteln,
macht er sich los:

Das war, weiß Gott, ein Teufelstraum! –
Ich saß mit dir in einem alten Park.
Zuweilen ritten Leute hin am Saum.
Und plötzlich kam ein Reiter, jung und stark;
der fing uns an im Zirkel zu umtraben,
in immer gleichem, ziellos gleichem Kreise,
und doch so eifrig wie auf einer Reise,
als möcht'er Ruhe, endlich Ruhe haben.
Er schien uns beide garnicht zu beachten.
Und langsam übermannte mich ein Schauer:
er wurde immer älter, immer grauer.
Ich mußt' ihn immer sinnender betrachten,
mit immer tiefer angestrengten Blicken.
Dann sah ich Roß und Reiter gräßlich nicken,
mit Augen, die mich immer irrer machten;
ich wollte schrein vor sinnloser Beschwerde.
Und als mich deine Hände zu mir brachten,
fühlt'ich mit Grauen: das war der Geist der Erde.

Er küßt ihr dankbar die Rechte. Sie nickt und lauscht.
Er sieht die Blumen blühen im stillen Moos.
Er hört den Wald antworten; es gurrt und rauscht.
Er fühlt zwei Augen schweigen. Die sinnen blos:

ich weiß einen Himmel – bodenlos –

und er schließt die Arme um einen Schooß.
Da rauscht es wieder: zwei Pferde stecken
die Köpfe durchs Dickicht. Zwei Menschen erschrecken.


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