Richard Dehmel
Zwei Menschen
Richard Dehmel

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36.

Und lichter als der lichte Tag im Zimmer
und immer lichter schauert ein Geflimmer
von Kerzen über helle Blumen hin.
Still schwebt um silberblau gestickte Kissen
der Duft des weißen Flieders, der Narzissen.
Und durch die Bläue, durch die Blumen hin
zittert die Luft, als ob sich Herzen rühren:
zwei Menschen stehn – noch tönen still die Türen –
mit Augen, die den Himmel nahe spüren,
entblößt bis zu den Hüften da:

ein Mann mahnt: du! – ein Weib haucht: ja.

Still sinkt ihr Arm von ihren braunen Brüsten,
die Lichter schauern immer schimmernder;
sein Blick erbebt, als ob sie lodern müßten.
Die Blumen atmen immer flimmernder.
Die Sterne an den silberblauen Wänden
erstrahlen wie in keiner Nacht so blank.
Still nestelt sie am Goldband ihrer Lenden;
sein Körper spannt sich unter innern Bränden,
wie eines Kämpfers straff und schlank.
Still schaut sie auf; er muß die Augen schließen.
Still weht ein Flor zu Boden. Er will sehn!
Er sieht nur, wie zwei Augen Licht ergießen,
zwei dunkle Augen, die ihm zugestehn
– still –
was er will.
Er will sie ganz mit seinem Blick erkennen;
er sieht sie ganz nach seinem Blick entbrennen.
Er will nichts mehr als stehn und stehn
und still in ihre Seele sehn.
Er steht und muß die Hände heben,
als blende ihn das ewige Leben;
und dunkel rauscht der Weltraum. Da

mahnt sie ihn; du – da haucht er: ja –

und alles rauscht tief innerlich.
Zwei nackte Menschen einen sich.


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