Richard Dehmel
Zwei Menschen
Richard Dehmel

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20.

Und Kerzen schimmern; und still ins Schlafgemach
dürfen die Träume Ewigen Lebens treten.
Rings im gebräunten Schnitzwerk beten
Engel aus Erz und hüten immerwach
die Sterne auf den silberblauen Tapeten.
Die hohen Spiegel stehn gleich Lichtportalen,
aus denen, in verklärte Schatten getaucht,
die Leiber zweier seliger Geister strahlen –
das Weib haucht:

Bin ich nicht schön? O wie das liebreizend klang,
als unser Eichkätzchen so vor uns sprang;
ich sah uns nackt vor Gott in Wonne stehn –
wie jetzt. O Meiner! Uns hat mit Urgewalt
das Meer getraut! Und diese Muttergestalt,
nicht wahr, du kannst sie fromm beschauen
wie Meister Dürers benedeiete Frauen,
und sie darf jubeln: in Himmelshöhn
brennt keine Scham mehr! – sag: Bin ich noch schön? –

Die Schatten beben; die Kerzenflammen wehn.
Es flimmern Menschensterne rings im Blauen.
Des Mannes Blick scheint über weite Auen
hinzugehn:

Als du auf wildem Meer mit mir
wogtest im Boot, sahst weg von mir,
sahst unter uns das Grab hinschwanken
und über uns den grauen Himmel wanken
und bebtest nicht – da warst du schön.
Jetzt aber, hier, vor diesem klaren Spiegel,
wo jeder deiner Makel mir ein Siegel
auf meine eignen Häßlichkeiten drückt,
und siehst mich an und fühlst nun, wie wir rangen,
bis wir das wüste Element bezwangen,
und bebst beglückt –
oh Du, jetzt sind wir mehr als schön!

Es schimmern Erzengel aus Lichtportalen.
Zwei Menschen strahlen.


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