Richard Dehmel
Zwei Menschen
Richard Dehmel

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4.

Zwischen geputzten Herren und Damen,
die durch Zufall zusammenkamen,
wiegen zwei Menschen sich im Tanz;
um sie rauscht des Saales Glanz.
Bebend legt sich im Kreis der Kerzen
sein dunkles in ihr schwarzes Haar,
legt sich über zwei bebenden Herzen
an ihr Ohr sein Lippenpaar:

Ja, du: wiege dich, laß dich führen,
und fühl's, fühl's: Niemand kann uns trennen!
Laß uns nichts als Uns noch spüren,
selig Seel in Seele brennen!
Zehn Jahr lang glaubt'ich, daß ich liebte;
zu Hause sitzt mein Jugendglück,
sitzt und starrt auf Einst zurück,
als ich sie noch »ewig« liebte.
Nimm mich, wiege mich! Hingegeben
bringt sie jetzt ihr Kind zur Ruh;
ist auch Mein Kind! – Nimm mich, Leben,
wiege, wiege mich, führ mich Du!

Taumelnd drängt sich im Kreis der Kerzen
sein wirres in ihr wirres Haar,
drängt sich über zwei taumelnden Herzen
an sein Ohr ihr Lippenpaar:

Ja, es wiegt uns! Nit erzählen!
Führe mich sanfter! Nit uns quälen!
du bist mir gut, ich bin dir gut.
Hab doch auch die Seel voll Schmerzen:
spür ein Kindchen unterm Herzen,
und ist nicht von Deinem Blut.
Sanfter noch – mir braust vor Hitzen
komm, sei lieb, mein wilder Tor!
hüte deine Augenblitze –
nick mal – lach mal – mir ins Ohr!

Ihr schwarzes Haar erschauert ganz.
Zwei Menschen wanken; es stockt ihr Tanz.


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