Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Drittes Kapitel.

…. Was thu' ich ohne Frau?

      Horaz.

 

In einem Zimmer von Fentons Hotel saßen Lord Vargrave und Caroline Lady Doltimore – zwei Monate nach der Verheirathung der Letzteren.

»Doltimore hat sich also bestimmt entschlossen, außer Landes zu gehen, so bald Sie aus Cornwall zurückgekehrt sind?«

»Ja, und zwar nach Paris; Sie können doch wohl um Weihnachten zu uns kommen?«

»Ich glaube es sicher; bis dahin hoffe ich gewisse öffentliche Angelegenheiten in Ordnung gebracht zu haben, die mich sogar mehr quälen und in Anspruch nehmen, als meine Privatverhältnisse.«

»Es ist Ihnen also gelungen, den Termin von Herrn Douce zu verlängern, und die Bezahlung Ihrer Schuld hinauszuschieben?«

»Ich hoffe dieß, bis ich Miß Camerons Einkommen erhalte, welches in ihrem achtzehnten Jahre mein sein wird; ich verlasse mich fest darauf!«

»Sie meinen die 30 000 Pfund?«

»Nein, ich meine genau, was ich sage.«

»Können Sie sich wirklich noch einbilden; daß sie Ihre Hand annehmen wird?«

»Ja, mit Ihrer Hülfe; hören Sie mich. Sie müssen Eveline mit sich nach Paris nehmen. Ich hege keinen Zweifel daran, daß sie entzückt sein wird; Sie zu begleiten. Auch habe ich bereits den Weg für Sie gebahnt. Als Verwandter und Vormund der Eveline habe ich eine Correspondenz mit Lady Vargrave unterhalten; sie benachrichtigt mich daß Eveline nicht wohl und niedergeschlagen ist, daß sie besorgt, Brook-Green würde für sie zu langweilig sein u. s. w. Ich schrieb als Antwort, daß Eveline, je mehr sie von der Welt sehe, bevor sie ihre Stellung in derselben erlange, umso mehr werde sie auch die Wünsche meines verstorbenen Oheims in Bezug auf Erziehung u. s. w. erfüllen; ich fügte hinzu, daß Sie nach Paris reisten, und da Sie Eveline so liebten, könne sich keine bessere Gelegenheit für ihren Eintritt in's Leben unter den günstigsten Umständen darbieten. Lady Vargrave's Antwort auf diesen Brief langte heute Morgen an. Sie wird in die Anordnung einwilligen, im Fall Sie dieselbe vorschlagen.«

»Kann aber etwas Gutes aus diesem Entwurf entstehen? In Paris werden Sie Nebenbuhler haben und –«

»Caroline,« unterbrach sie Lord Vargrave, »ich weiß sehr gut, was Sie sagen wollen; ich kenne auch alle Gefahr, der ich mich aussetze, aber hier findet sich nur die Wahl zwischen zwei Uebeln, und ich wähle das kleinste. Sie sehen, daß ich nichts bei ihr ausrichten kann, so lange sie in Brook-Green unter den Augen des alten, schlauen Pfarrers sich befindet. Dort ist sie meinem Einfluß gänzlich entzogen. Nicht so im Auslande, nicht unter Ihrem Dache. Hören Sie mich ferner. In England und besonders in der Einsamkeit und unter dem Obdach von Brook-Green kann ich nicht zu denjenigen Mitteln meine Zuflucht nehmen, die ich anzuwenden genöthigt bin, im Falle alles Uebrige mir mißlingt.«

»Was können Sie vorhaben?« fragte Caroline mit leichtem Schauder.

»Ich weiß nicht, was ich vorhabe; aber dieß wenigstens kann ich Ihnen sagen, daß ich Miß Camerons Vermögen haben will und muß. Ich bin ein Mann in verzweifelten Umständen und werde, wenn nöthig, ein verzweifeltes Spiel spielen.«

»Glauben Sie, daß ich Ihnen helfe, Ihnen Vorschub leisten werde?«

»Still, nicht so laut; ja, Caroline, Sie wollen und müssen mir in meinem späteren Entwurfe helfen und Vorschub leisten.«

»Ich muß, Lord Vargrave?«

»Ja,« sagte Lumley lächelnd, indem er seine Stimme zum Geflüster dämpfte; »Sie sind in meiner Gewalt!«

»Verräther! Sie können es nicht wagen, Sie können nicht die»Absicht hegen –!«

»Ich hege weiter keine Absicht, als Sie an die Bande zu erinnern, die zwischen uns vorhanden sind, Bande, welche die festeste und vertrauteste Freundschaft bedingen. Kommen Sie, Caroline, bedenken Sie, daß die Vortheile nicht allein auf einer Seite liegen dürfen; ich habe für Sie Rang und Reichthum erlangt; ich habe Ihnen einen Gatten verschafft; Sie müssen mir zu einer Frau verhelfen.«

Caroline sank zurück und bedeckte ihr Gesicht mit den Händen.

»Ich gebe zu.« fuhr Vargrave mit Kälte fort, »daß Ihre Schönheit und Ihr Talent an sich genügten, einen weiseren Mann als Doltimore zu bezaubern; hätte ich aber nicht die Eifersucht unterdrückt, die Liebe geopfert – hätte ich Ihrem jetzigen Gemahl nur einen Wink gegeben – ja, hätte ich nicht seine Eitelkeit, die der eines Schoßhundes gleicht, mit dem Rahm und Zucker schmeichelnder Liebe genährt, so wären Sie noch Caroline Merton!«

»Wollte Gott, ich wäre sie noch; wäre ich nur etwas Anderes, als Ihr Werkzeug, Ihr Opfer! Ich Thörin! Ich werde mit Recht gestraft!«

»Vergeben Sie mir, Theuerste,« sagte Lord Vargrave besänftigend; »ich war zu tadeln, verzeihen Sie mir; Sie reizten mich aber und machten mich toll mit Ihrer scheinbaren Gleichgiltigkeit gegen mein Glück und mein Schicksal; ich sage Ihnen noch einmal, Stolz meiner Seele, Sie sind das einzige Wesen, welches ich liebe, und wenn Sie mir dieß erlauben, wenn Sie sich, wie ich bisher hoffte, über Heuchelei und Vorurtheil der Convention und Erziehung erheben wollen, das einzige Weib, das ich sowohl achten als lieben kann. Später, wenn Sie mich auf dem Gipfel sehen, den ich zu erklimmen geboren bin, wie ich fühle, so lassen Sie mich glauben, daß ich Ihrer Großmuth, Ihrer Neigung und Ihrem Eifer mein Steigen verdanke; gegenwärtig stehe ich am Abgrund, ohne Ihre Hand falle ich auf immer. Mein eigenes Vermögen ist verschwunden, die elende Summe, die an mich verwirkt wird, wenn Eveline fortfährt, meine Bewerbung zu verwerfen, so bald sie das Alter von achtzehn Jahren erreicht, ist schon bedeutend verpfändet. Ich habe mich in ungeheure, kühne Entwürfe eingelassen, wodurch ich mich entweder zur höchsten Stellung emporschwinge, oder diejenige, welche ich jetzt einnehme, verliere. In beiden Fällen ist mir Reichthum nothwendig; in dem einen, mein Vorrücken zu befördern im anderen, mir Ersatz für meinen Fall zu bieten!«

»Haben Sie mir aber nicht gesagt,« fragte Caroline, »daß Eveline vorgeschlagen und versprochen hat, ihr Vermögen Ihnen zur Verfügung zu stellen, selbst wenn sie Ihre Hand zurückweist?«

»Albernes Geschwätz,« rief Vargrave aus; »alberne Prahlerei eines Mädchens, ein jeder andern Laune ausgesetzter Antrieb! Können Sie sich einbilden, daß Eveline, wenn sie sich der Verschwendung hingibt, die ihrem Alter natürlich und für ihre Stellung nothwendig ist, nicht tausend Gelegenheiten finden wird, sich nach ihren Einkünften zu erkundigen, wovon sie sich jetzt nichts träumen läßt, daß tausend Eitelkeiten und Spielereien meinen armen und hohlen Anspruch verwischen werden? Können Sie sich einbilden, daß ihr Mann, wenn sie einen Andern heirathet, jemals zu der Romantik eines Kindes seine Einwilligung geben wird?. Und selbst, wäre dieß Alles möglich –wäre es möglich, daß Mädchen nicht verschwenderisch sind und Gatten keinen gesunden Menschenverstand besitze, würde es alsdann mir als Lord Vargrave geziemen, einen Bettler bei widerstrebender Freigebigkeit abzugeben? Etwa als ein armer Vetter, oder ein pensionirter Offizier? Sicherlich besitze ich so wenig falschen Stolz, als irgend Jemand, allein eine solche Entwürdigung kann ich nicht ertragen. Außerdem, Caroline, bin ich kein Geizhals, kein Harpagon; den Reichthum erstrebe ich nicht um des Reichthums willen, sondern wegen der Vortheile, die er gewährt, Achtung, Ehre, äußere Stellung; diese erlange ich als der Gatte der großen Erbin: sollte ich dieselben als von ihr abhängig gewinnen? Nein! Seit mehr als sechs Jahren habe ich meinen Plan entworfen, und meine Absicht auf einen festen und bestimmten Gegenstand soll jetzt nicht in der eilften Stunde meinen Händen entschlüpfen. Genug davon! Wenn Sie von Cornwall zurückkehren, werden Sie durch Brook Green kommen; – nehmen Sie Eveline mit nach Paris; das Uebrige überlassen Sie mir. Besorgen Sie keine Thorheit, keine Heftigkeit von meinen Planen, von welcher Art dieselben auch sein mögen. Ich arbeite im Dunkeln. Auch bezweifle ich nicht, daß Eveline mich noch lieben und mich freiwillig annehmen wird. Mein Temperament ist sanguinisch; ich betrachte nur die glänzende Seite der Dinge. Thun Sie ebenso.«

Hier ward ihre Unterredung durch Lord Doltimore unterbrochen, welcher sorglos, mit dem Hut auf einem Ohr, in's Zimmer schlenderte.

»A, Vargrave! Wie geht's? Vergessen Sie nicht die Empfehlungsbriefe! Wohin wollen Sie, Caroline?«

»Nur auf mein Zimmer, um meinen Hut aufzusetzen, der Wagen wird in wenigen Minuten hier sein;« mit diesen Worten entwischte Caroline.

»So wollen Sie also morgen nach Cornwall abreisen, Doltimore?«

»Ja, verdammt langweilig; aber Lady Elisabeth besteht darauf, uns zu sehen, und ich habe nichts dagegen, eine Woche auf der Jagd zuzubringen. Die alte Dame hat ohnedem ein Vermögen zu hinterlassen und Caroline keine Mitgift. Ich bekümmere mich zwar nicht darum, allein die Ehe ist kostbar.«

»Beiläufig gesagt, Sie brauchen wohl die 5000 Pfund, die Sie mir geliehen?«

»Oh, nur wenn es Ihnen irgend bequem ist.«

»Sagen Sie nichts mehr – es soll bald geschehen. Doltimore, mir ist viel daran gelegen, daß Lady Doltimore's Auftreten in Paris glänzend, brillant ist; Alles hängt davon ab, daß sie in die rechte Gesellschaft kommt. Was mich betrifft, so bekümmere ich mich nicht um die Mode; dieß war nie bei mir der Fall; aber wäre ich verheirathet und müßig, wie Sie, so wäre es etwas Anderes.«

»O, Sie werden uns sehr nützlich sein, wenn wir nach Lon don zurückkehren; mittlerweile haben Sie durch Vollmacht meine Stimme im Oberhause. Wie ich glaube, wird es einen harten Kampf in der ersten oder zweiten Woche nach den Ferien geben.«

»Sehr wahrscheinlich! Verlassen Sie sich darauf, mein theurer Doltimore, daß, wenn ich im Kabinet bin, ein gewisser Freund von mir den Grafentitel erhält. Adieu.«

»Adieu, theurer Vargrave; adieu– ja, ich wollte sagen, machen Sie sich keine Sorgen über jene Kleinigkeit; nach einigen Monaten wird mir die Bezahlung eben so angenehm sein.«

»Ich danke; ich will nur meine Rechnungen ansehen und bei Ihnen keine Umstände machen. Gut, ich denke, wir treffen uns in Paris. Ach, ich vergaß noch eins! Ich bemerke, daß Sie Ihre vertraute Bekanntschaft mit Legard erneut haben; er ist ein sehr guter Kerl, und ich verschaffte ihm jenes Amt aus Gefälligkeit für Sie. Da Sie aber jetzt nicht länger Junggesell sind – aber vielleicht beleidige ich Sie?«

»Durchaus nicht! Was ist's mit Legard?«.

»Durchaus nichts! Er thut nur ein wenig zu groß. Wahrscheinlich war sein Vorfahr ein Gascogner, der arme Junge! Er rühmt sich, daß Sie keinen Rock wählen oder kein Pferd kaufen können, ohne seine Beistimmung und seinen Rath anzuhören; daß er Sie um seinen Finger wickeln könne. Dieß aber schadet Ihrer Bedeutung in der großen Welt. Sie erlangen dadurch kein Ansehen wegen Ihres eigenen, ausgezeichneten Verstandes und Geschmackes. Nehmen Sie meinen Rath an, vermeiden Sie diese Nachzügler der Mode, diese Löwen der Clubs! Weil dieselben selbst keine Wichtigkeit besitzen, stehlen sie die Wichtigkeit ihrer Freunde. Verbum sap. Kurzform von » Verbum sapienti sat est«: Dem Weisen genügt ein Wort. Anm.d.Hrsg.«

»Sie haben Recht. Legard ist ein Narr; jetzt sehe ich ein, weßhalb er davon sprach, uns in Paris zu treffen.«

»Erlauben Sie das nicht! Er wird den Franzosen sagen, daß Ihre Ladyschaft in ihn verliebt ist, ha, ha!«

»Ha, ha! Ein guter Witz – arme Caroline! Ein sehr guter Witz! Wohlan, noch einmal adieu!« – und Vargrave schloß die Thür.

»Legard nach Paris? Er soll nicht hingehen, wenn Eveline dort ist,« murmelte Lumley vor sich hin; »außerdem brauche ich Niemand, der das Wenige theilt, was sich aus diesem Esel herausquetschen läßt.«


 << zurück weiter >>