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Viertes Buch.

Ein tugendsames Weib ist des
   Mannes größter Stolz.

      Simonides.

 

Erstes Kapitel.

Im Ausland unbehaglich, und zu Hause
   unzufrieden.
– – – – – – – – – – – – –
Die Weisheit zeigt das Uebel nur und reicht
Nicht Heilung dar.

     Hammond.

 

Zwei oder drei Tage nach der Unterredung zwischen Vargrave und Maltravers ward die Einsamkeit Burleighs durch die Ankunft Clevelands unterbrochen. Der gute, alte Herr war noch eben so heiter und verständig, als früher, wenn er nicht an der Gicht litt, die sich jetzt etwas häufiger als sonst einstellte. – Liebenswürdig, höflich, gebildet und wohlwollend, besaß er gerade so viel Weltklugheit, um seine Ansichten, so weit sie reichten, eindringlich zu machen, aber ihren Spielraum zu beschränken. Alles, was er sagte, war vernünftig, und dennoch war seine Conversation für eine Person mit starker Einbildungskraft nicht genügend, seine Ansichten nicht erregend.

»Ich kann nicht sagen, wie vergnügt und überrascht ich über Ihre Sorgfalt und Bemühungen für diesen schönen, alten Ort bin,« sagte er zu Maltravers, als er, auf seinen Stock und auf seines früheren Mündels Arm sich stützend, beobachtend durch den Park schlenderte. »Ich sehe überall die Gegenwart des Besitzers.«

Und sicherlich war das Lob verdient; der Garten befand sich in Ordnung, die verdorbenen Einhägungen waren wieder hergestellt, das Gebüsch war durch die Kunst verschönert, ohne durch zu viele Anwendung ihrer Gehülfin erdrückt zu sein. Im Hause selbst hatten passende und zweckmäßige Ausbesserungen und Ausschmückungen, welche die moderne Bequemlichkeit mit den alten und malerischen Formen früherer Mode verbanden, allen Anschein der Oede und Vernachlässigung entfernt, während den schönen Hallen und Zimmern der Charakter zurückblieb, welcher der Architektur und den Ideenverbindungen gehörte. Es war überraschend, welche Wunder die geringe Anwendung einigen Geschmackes bewirkt hatte.

»Es freut mich, daß Sie mein Werk billigen,« sprach Maltravers. »Ich weiß nicht warum, allein die Oede des Ortes machte mir Vorwürfe bei meiner Rückkehr. Wir schließen Freundschaft mit Orten, wie mit menschlichen Wesen, und bilden uns ein, daß sie Ansprüche auf uns haben; wenigstens ist dieß meine Schwäche.«

»Eine liebenswürdige, die ich theile; was mich betrifft, so betrachte ich Temple-Grove wie ein Ehemann sein schönes Weib. Ich bin stets bemüht, es zu schmücken, und eben so stolz auf seine Schönheit, als könnte mich der Ort verstehen und dankte mir für meine Bewunderung. Wenn ich Sie verlasse, beabsichtige ich nach Paris zu reisen, um einer Auktion von Gemälden und Möbeln des Herrn de *** beizuwohnen. Dergleichen Auktionen sind für mich dasselbe, was eines Juweliers Laden einem Liebhaber ist. Aber, Ernst, ich bin ein Junggesell.«

»Auch ich war in Arkadien,« sprach Maltravers lächelnd.

»Sie aber können den Fehler, Junggesell zu sein, gut machen. Burleigh braucht nur eine Gebieterin.«

»Vielleicht erhält es bald diese Zugabe; ich bin noch unentschlossen, ob ich es nicht verkaufe.«

»Was. verkaufen! Burleigh, das letzte Andenken an die Ahnen Ihrer Mutter, den klassischen Wohnsitz des anmuthigen Digby!«

»Ich hatte beinahe den Entschluß gefaßt, als ich hierher kam. Dann gab ich meine Absicht auf und kehre nur betrübt darauf zurück.«

»Um des Himmels willen, weßhalb?«

»Meine alte Rastlosigkeit kehrt mir wieder. So sehr ich auch hier geschäftig bin, finde ich den Bereich meiner Handlungen monoton und beschränkt. Ich habe mich zu früh mit den großen Kreisen der Literatur und des Handelns umgeben; der kleine provinziale Kreis scheint mir ein Rückschritt. Vielleicht würde ich dieß Gefühl nicht hegen, wäre meine Heimath weniger einsam; wie dieß jetzt der Fall ist, treibt es mich fort. Ich wende mich wieder zu den Ländern der Aufregung und der Abenteuer.«

»Ich verstehe dieß, Ernst; aber weßhalb ist Ihr Haus so einsam? Sie befinden sich noch im Alter, worin weise und passende Verbindungen häufig gebildet werden. Ihr Temperament ist zur Häuslichkeit geneigt, Ihr großes Vermögen und Ihr nüchtern gewordener Ehrgeiz erlaubt Ihnen ohne Bezug auf weltliche Rücksichten eine Wahl zu treffen. Sehen Sie sich in der Welt um und mischen Sie sich wieder in die Welt; dann geben Sie Burleigh die Gebieterin, welche dasselbe erheischt.«

Maltravers schüttelte den Kopf und seufzte.

»Ich will nicht haben,« fuhr Cleveland fort, von dem Interesse des Gegenstandes hingerissen, »daß Sie ein junges Mädchen heirathen sollten, sondern eine liebenswürdige Frau, welche, wie Sie selbst, etwas, vom Leben gesehen hat, und deßhalb auf dessen Sorgen rechnen, um mit seinen Genüssen zufrieden zu sein.«

»Sie haben genug gesagt,« sprach Maltravers verdrießlich, »eine in der Welt erfahrene Frau, bei welcher die Frische der Hoffnung und des Herzens verschwunden ist! Welch' ein Bild! Nein, für mich liegt etwas unaussprechlich Schönes in Jugend und Unschuld. Sie sagen indeß mit Recht, meine Jahre seien nicht von solcher Art, daß eine Verbindung mit der Jugend wünschenswerth oder passend sein würde.«

»Das sage ich nicht,« sprach Cleveland, indem er eine Prise nahm; »Sie sollten aber eine große Ungleichheit des Alters vermeiden, nicht wegen jener Ungleichheit selbst, sondern weil eine Mißstimmung der Temperamente und der Bestrebungen damit verbunden ist. Eine sehr junge, in der Welt unerfahrene Frau wird nicht allein mit der Häuslichkeit zufrieden sein; Sie selbst sind zu sanft, um ihre Wünsche zu beugen, aber auch zu streng und zurückhaltend (verzeihen Sie mir den Ausdruck), um der ersten und sanguinischen Jugend gleichgesinnt sein zu können.«

»Allerdings,« sagte Maltravers mit einem Tone, welcher bewies, daß ihn die Wahrheit der Bemerkung überrascht hatte. »Wie sind wir aber auf den Gegenstand gekommen? Gehen wir davon ab; ich hege keinen Gedanken, mich zu verheirathen, Die düstere Erinnerung an Florence Lascelles kettet mich an die Vergangenheit.«

»Die arme Florence! Einst wäre sie passend für Sie gewesen, jetzt aber sind Sie älter und erheischen ein ruhigeres und geschmeidigeres Temperament.«

»Stille, ich flehe Sie an.«

Das Gespräch wechselte. Um Mittag kam Herr Merton, der von Clevelands Ankunft gehört hatte, nach Burleigh, um die alte Bekanntschaft zu erneuern. Er lud Beide ein, den Abend in der Pfarrei zuzubringen; Cleveland, als er hörte, daß Whist die gewöhnliche Unterhaltung dort sei, nahm die Einladung für sich und seinen Wirth an; als aber der Abend kam, gab Maltravers Unpäßlichkeit vor, und Cleveland mußte allein gehen.

Als der alte Herr um Mitternacht zurückkehrte, fand er Maltravers in der Bibliothek, der ihn dort erwartete, Cleveland, wel cher vierzehn Points gewonnen hatte, war sehr heiter und zum Gespräch aufgelegt.

»Verehrter Einsiedler,« sprach er, »Sie sprechen von Einsamkeit und haben eine so angenehme Familie ganz in der Nähe; Sie verdienen Ihr Schicksal, ich habe keine Geduld mit Ihnen. Man beklagt sich dort bitterlich, daß Sie ausbleiben, und sagt, Sie seien im Anfange wie ein Kind des Hauses gewesen.«

»So? Gefallen Ihnen also die Mertons? Der Geistliche ist wohl klug, aber ein Mann, wie man Tausende trifft.«

»Ein sehr angenehmer Mann, ungeachtet Ihrer cynischen Definition; er spielt sehr gut Whist. Vargrave aber ist ein Spieler ersten Ranges.«

»Ist Vargrave noch dort?«

»Ja, er frühstückt morgen bei uns, er lud sich selbst ein.«

»Hm!«

»Er spielte einen Rubber; den übrigen Theil des Abends widmete er dem hübschesten Mädchen, das ich jemals gesehen habe, der Miß Cameron. Welch' ein hübsches Gefecht, so bescheiden und doch so verständig! Während des Kartengebens, wobei ich abnahm, habe ich mehrere Male mit ihr gesprochen. Ich habe beinahe mein Herz an sie verloren.«

»So? Widmete sich Lord Vargrave der Miß Cameron?«

»Gewiß! Sie wissen, Beide sollen sich bald verheirathen. – Merton sagte mir dieß. Sie ist sehr reich. Vargrave ist doch der glücklichste Mann, den man sich denken kann! Er ist aber viel zu alt für sie; auch sie scheint so zu denken. Weßhalb ich dieß glaube, kann ich nicht erklären; sie suchte aber durch ihr kaltes, zurückhaltendes Wesen den munteren Minister in Entfernung zu halten, obgleich es ihr nicht gelang. Wären Sie zehn Jahre jünger oder Miß Cameron zehn Jahre älter, so böte sich Ihnen einige Möglichkeit, Ihren alten Freund auszustechen.«

»So, glauben Sie, daß ich zu alt bin für einen Liebhaber?«

»Wenigstens für ein Mädchen von siebenzehn Jahren. Sie scheinen hinsichtlich des Alters empfindlich.«

»O nein!« – Und Maltravers lachte.

»Nein, nein! Dort war auch ein Herr, an dem Vargrave, wie ich glaube, wirklich einen gefährlichen Rivalen finden könnte, ein Oberst Legard, einer der schönsten Männer, die ich in meinem Leben gesehen habe, gerade in der Art, um einem romantischen, jungen Mädchen den Kopf zu verdrehen: eine Mischung von Wildheit und feinster Erziehung, mit schwarzen Locken, schönen Augen und dem sanftesten Benehmen der Welt. Gewiß aber hat er sein Leben in der besten Gesellschaft zugebracht. Nicht so sein Freund, Lord Doltimore, welcher etwas zu viel vom Herumschlendern der Vorzimmer und vom Benehmen der französischen Cafés für meinen Geschmack besitzt.«

»Doltimore, Legard? Die Namen sind mir neu; ich habe die Herren nie in der Pfarrei getroffen.«

»Möglich, sie halten sich auf dem Gute des Admiral Legard in der Nähe auf. Mrs. Merton machte ihre Bekanntschaft in Knaresdean. Eine gute, alte Dame – die vollkommenste Klatschbase, die ich jemals angetroffen habe, welche den kurzen Namen Hare führt, und welche als meine Mitspielerin meinen König stach, gab mir die Versicherung, Lord Doltimore sei sterblich verliebt in Caroline Merton. Beiläufig gesagt, es gibt noch eine junge Dame von passendem Alter für Sie, schön und klug –«

»Sie sprechen von Gegengift gegen die Ehe; also Miß Cameron –«

»O, nichts mehr von Miß Cameron, oder ich bleibe die ganze Nacht auf; sie hat mir beinahe den Kopf verdreht. Ich kann es nicht unterlassen, sie zu bemitleiden; an einen sorglosen und weltlich gesinnten Mann, wie Lord Vargrave, verheirathet! So jung in den Wirbel von London gestürzt! Das arme Ding! Es wäre besser für sie, wenn sie sich in Legard verliebt hätte. Wahrscheinlich wird das noch so kommen. Gute Nacht!«


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