Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweites Kapitel.

Diejenigen, welche in Muße, Pracht und
Weichlichkeit lebten, zogen das Ungewisse
dem Gewissen vor.

      Sallust.

 

Lord Raby, einer der reichsten und glänzendsten Edelleute Englands, war vielleicht auf seine Auszeichnung in der Provinz stolzer, als auf seinen hohen Rang oder die Stellung seiner Frau in der großen Welt Londons. Die prächtigen Schlösser, die großen Güter der englischen Pairs wirken darauf hin, ungeachtet unserer Freiheit und unserer Handelsgröße, mehr von normannischen Attributen der Aristokratie zu erhalten, als man in anderen Ländern finden kann. Der große Edelmann ist in seiner Grafschaft ein kleiner Fürst, sein Haus ein Hof, seine Besitzungen und seine Pracht ein Ruhm für jeden Grundbesitzer des Distriktes. Die Grundbesitzer schwatzen eben so gern von dem Treiben und von den Festen des Grafen oder Herzogs als Dangeau über die Klatschereien der Tuilerien und von Versailles.

Lord Raby, als erste Person in der Grafschaft, that, als wenn er keinerlei Unterschied zwischen den verschiedenen Gutsbesitzern machte; gastfreundlich und gütig war er gegen alle; – doch eben dadurch, daß er sich allen andern scheinbar gleichstellte, gab er den politischen Ton in der ganzen Grafschaft an und änderte die Ansichten Mancher, welche früher ganz anders über die Whigs oder Tory's geurtheilt hatten. Ein mächtiger Mann verliert nie so viel, als wenn er Unduldsamkeit zeigt, oder mit dem Rechte, Andere zu verfolgen, Parade macht.

»Meine Pächter sollen gerade so stimmen, wie es ihnen gefällt,« sagte Lord Raby,« und es war nie bekannt, daß je ein Pächter gegen seinen Willen stimmte; da er ein wachsames Auge auf alle Interessen hielt und alle Grundbesitzer der Grafschaft sich gewogen erhielt, verlor er nicht allein niemals einen Freund, sondern hielt auch ein Corps Anhänger zusammen, dessen Zahl sich stets mehrte.

Sir John Mertons Kollege, ein junger Lord Nelthorpe, welcher keine drei zusammenhängende Sätze sprechen konnte, und der, ein fortwährender Besucher bei Almacks, nicht allein im Parlamente nie gehört, sondern auch nie gesehen wurde, hatte keine Aussicht, wieder gewählt zu werden. Lord Nelthorpe's Vater, der Graf Mainwaring, war ein neuer Pair und nächst Lord Raby der reichste Edelmann der Grafschaft; obgleich Beide zu derselben Partei gehörten, haßte Lord Raby Lord Mainwaring. Sie wohnten einander zu sehr in der Nähe; sie stießen sich gegenseitig ab, sie hegten die Eifersucht zweier rivalen Fürsten.

Lord Raby war über den Gedanken entzückt, Lord Nelthorpe zu verdrängen; der Schlag wäre ein so fühlbarer gegen die Mainwaring's. Die Partei hatte sich einen neuen Kandidaten ausgesucht, und man hatte öfter von Maltravers gesprochen. Allerdings hatte Maltravers, als er vor einigen Jahren im Parlament war, nicht zur Partei des Lord Raby und seiner Clique gehört; allein er hatte seit Kurzem an der Politik keinen Antheil genommen; er stand auf vertrautem Fuße mit den Merton, die Wahlumtriebe machten; man hielt ihn für einen unzufriedenen Mann, und Politiker glauben an keine Unzufriedenheit, die nicht politischer Natur ist. Ein Geflüster ging herum, Maltravers sei weise geworden und habe seine Ansichten geändert; einige seiner Bemerkungen, mehr theoretischer als praktischer Natur, wurden zu Gunsten dieser Angabe citirt; auch hatten sich die Parteien, seit Maltravers auf der bewegten Bühne erschienen war, sehr verändert; neue Fragen waren entstanden und die alten erledigt.

Lord Raby und seine Partei glaubten, Niemand würde besser für ihre Zwecke passen, als Maltravers, im Fall sie sich diesen Mann sichern könnten. Politische Parteien lieben neue Bekehrte, mehr noch als die standhaftesten Anhänger. Die Erhebung eines Mannes im Leben stammt in der Regel von einem Parteiwechsel zur rechten Zeit. Maltravers' hoher Ruf, sein Ansehen in der Provinz als Repräsentant der ältesten Familie unter den Gemeinen in der Grafschaft – sein Alter, welches die Kraft der einen Periode mit der Erfahrung der andern verband, Alles dieß vereinigte sich, um ihm den Vorrang vor reicheren Männern zu ertheilen. Lord Raby war ganz besonders artig und einschmeichelnd gegen den Herrn von Burleigh gewesen, und hatte die Sache so eingerichtet, daß ein glänzendes Fest, welches er zu geben im Begriff war, als ein Compliment für seinen ausgezeichneten Nachbar erschien, welcher, seinen Wohnsitz auf seinem Familiengute einzunehmen, zurückgekehrt war, während es in Wirklichkeit nur für Wahlzwecke diente, nämlich Maltravers bei der Grafschaft gleichsam unter den Schwingen Seiner Lordschaft einzuführen und ihn zu politischen Zwecken zu gebrauchen, die über die bloße Repräsentation der Grafschaft hinausgingen.

Lord Vargrave hatte während seines Aufenthalts in der Merton-Pfarrei mehrere Besuche in Knaresdean gemacht und mehrere Privatgespräche mit dem Marquis gehalten; das Resultat dieser Gespräche war eine genaue Vereinigung von Interessen und Entwürfen zwischen den zwei Edelleuten. Lord Raby, ohnedem unzufrieden mit der Regierung; war noch deßhalb mißvergnügt, weil ein Edelmann, der unter ihm im Range und nach seiner Meinung auch an Einfluß stand, ihm bei einer kürzlichen Vakanz im Hosenbandorden vorgezogen worden war. Besaß aber Vargrave ein Talent, so war es die Fähigkeit, schwache Seiten der Männer zu entdecken, die er gewinnen wollte, und die Eitelkeit Anderer für seinen Ehrgeiz zu benutzen.

Die Festlichkeiten in Knaresdean gaben Lord Raby Gelegenheit, die Ausgezeichnetsten derjenigen zu vereinigen, welche in Uebereinstimmung mit Lord Vargrave dachten und handelten; in diesem geheimen Senate wurde das Verfahren der folgenden Session ernstlich berathen und bestimmt.

Am Tage, welcher mit dem Ball in Knaresdean beschlossen werden sollte, begab sich Lord Vargrave vor den übrigen Mitgliedern der Merton-Familie dorthin, denn er war eingeladen, mit dem Marquis zu speisen.

Bei seiner Ankunft in Knaresdean fand er dort Lord Saxingham und einige andere Politiker, die am vergangenen Tage angekommen waren, in vertrauter Unterredung mit Lord Raby; Vargrave, welcher mit noch größerem Vortheil in der Diplomatie der Parteiunterhandlung als auf dem Kampfplatz des Parlaments glänzte, brachte Scharfsinn. Kraft und Entschlossenheit in den furchtsamen und schwankenden Rath. Lord Vargrave zauderte noch im Zimmer, als der erste Schall der Glocke die übrigen Gäste zum Mittagessen gemahnt hatte.

»Mein theurer Lord,« sagte er damals; »Niemand wäre gewiß mehr erfreut, als ich, könnten wir Maltravers unserer Partei sichern; ich bezweifle jedoch sehr, ob Ihnen dieß gelingen wird. Einerseits scheint er vollkommen Ueberdruß an der Politik und am Parlament zu haben; andererseits bilde ich mir wohl ein, daß die Gerüchte über seinen Meinungswechsel, wo nicht gänzlich ungegründet, doch keine richtige Färbung erhalten haben. Ferner auch, um ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, glaube ich nicht, daß er sich durch Verblendung und Schmeichelei zu einer Partei herüber bringen läßt; Ihr Vogel wird fortfliegen, nachdem Sie einen Eimer Salz ihm vergeblich auf den Schwanz gestreut haben.«

»Wohl möglich, sagte Lord Raby lachend; »Sie kennen ihn besser als ich; doch kommen hier eine Menge Zwecke zusammen, die zu sehr provinzieller Art sind; um Ihr Interesse zu erwecken. Erstlich würden wir die Partei von Nelthorpe demüthigen, blos dadurch, daß wir zeigten, wir dachten an ein neues Parlamentsglied; zweitens würden wir eine Aufregung hervorbringen, die unmöglich wäre, besäßen wir keinen solchen Mittelpunkt der Anziehung; drittens werden wir eine gewisse Nacheiferung unter andern Landedelleuten erwecken und, wenn Maltravers ablehnt, genug Kandidaten bekommen; viertens, vorausgesetzt, Maltravers ändert seine Meinung nicht, so machen wir ihn derjenigen Partei, zu der er gehört, verdächtig; denn diese könnte wirklich furchtbar werden, wenn er an ihre Spitze träte. Sicherlich hat diese Taktik allein die Grafschaft im Auge; und Sie können sie deßhalb nicht verstehen.«

»Ich sehe; daß Sie Recht haben; mittlerweile werden Sie wenigstens die Gelegenheit haben (obgleich ich es sage, der es nicht jagen sollte), der Grafschaft eine der schönsten jungen Damen vorzustellen, die jemals die Halle von Knaresdean geziert hat.«

»Ach, Miß Cameron! Ich habe viel von Ihrer Schönheit gehört. Vargrave; Sie haben Glück! Beiläufig gesagt, sollen wir etwas von dem Verlöbniß sagen?«

»Nun, mein theurer Lord, es ist jetzt so öffentlich bekannt, daß man nur aus falscher Delikatesse die Sache zu verbergen suchen würde.«

»Schon gut, ich verstehe.«

»Wie lange ich Sie jetzt aufgehalten; ich bitte tausendmal um Vergebung! Ich habe nur noch gerade Zeit, mich umzukleiden. In vier oder fünf Monaten muß ich daran denken, Ihnen längere Zeit zur Toilette zu lassen.«

»Warum?«

»O, der Herzog von *** kann nicht mehr lange leben; und ich bemerkte noch stets; daß ein hübscher Mann, so bald er den Hosenbandorden bekommen hat; auch mehr Zeit braucht, seine Strümpfe aufzuziehen.«

»Ha, ha! Sie sind drollig, Vargrave!«

»Ha, ha! Ich muß fort.«

»Je mehr Oeffentlichkeit dem Verlöbniß gegeben wird; desto schwieriger wird es für Eveline bei dem Sprunge, sich scheu zu zeigen,« murmelte Vargrave vor sich hin, als er die Thür verschloß; »so benutze ich alle Dinge für einen Zweck.«

 

Die Gesellschaft war im großen Salon versammelt; als Maltravers und Cleveland; ebenfalls eingeladen, angemeldet wurden. Lord Raby empfing den Ersteren mit auffallendem empressement, und die stattliche Marquisin beehrte ihn mit ihrem anmuthigsten Lächeln. Förmliche Vorstellungen bei den übrigen Gästen wurden ausgetauscht; erst als der Kreis förmlich durchgegangen war, erblickte Maltravers neben sich in einem Winkel einen grauhaarigen, einsamen Mann, der sich dorthin bei Maltravers' Eintritt zurückgezogen hatte – es war Lord Saxingham.

Das letzte Mal hatten Beide sich am Todtenbett von Florence getroffen; der alte Mann vergaß für den Augenblick seine erwartete Herzogswürde und sein erträumtes Amt des Premierministers! Beide grüßten sich und drückten sich schweigend die Hände. Vargrave, dessen Auge sie erblickte, Vargrave, dessen Schliche den alten Mann kinderlos gemacht hatten, fühlte keine Gewissensbisse! Stets in der Zukunft lebend, schien Vargrave sein Gedächtniß verloren zu haben; er wußte nicht, was Kummer war. Leute von durchaus eigennütziger Gesinnung haben die Eigenthümlichkeit, daß sie niemals zurückblicken.

Das Zeichen ward gegeben, die Gesellschaft ward in gehöriger Ordnung zur großen Halle geführt, einem weiten und hohen Raum, welcher seine letzte Veränderung von Inigo Jones empfangen hatte; obgleich die massive Täfelung mit alten und grotesken Masken einen früheren Ursprung verrieth und zu den korinthischen Säulen im Gegensatz stand, welche die Mauern schmückten und die Musikgallerie trugen, wovon die Fahnen neuerer Kriege herabhingen. Der Adler Napoleons, ein Zeichen der Dienste von Lord Raby's Bruder (eines ausgezeichneten Kavallerieoffiziers, der bei Waterloo mit kommandirte), fand sich neben einem bunteren und mehr prunkenden Banner, dem Emblem des kriegerischen Ruhmes von Lord Raby selbst, als Obersten der B–shire Freiwilligen.

Die Musik erklang von der Gallerie, das Silbergeschirr glänzte auf dem Tische; die Damen trugen Diamanten und die Herren Sterne, wenn sie solche besaßen. Das Fest bot eine schöne Ansicht, wie diese sich für den ersten Mann der Grafschaft geziemte, dessen Ahnen der Krone bald getrotzt, bald sich mit der königlichen Familie verschwägert hatten. Man sprach jedoch wenig und war durchaus nicht heiter. Die Leute oben am Tische tranken den unten Sitzenden zu; Herren und Damen, die sich zunächst saßen, flüsterten schmachtend und einsylbig in alltäglichen Phrasen. Auf der einen Seite hatte Maltravers eine Dame bei, die etwas taub und besorgt war, er möchte Griechisch sprechen; auf seiner andern Seite saß Sir John Merton, sehr höflich, pompös und in flüchtigen Zwischenräumen schwatzhaft über Grafschaftsangelegenheiten, mit abgemessener Accentuirung, die beim Ende der Sätze nach dem im Hause der Gemeinen üblichen Nachdruck, im Gegensatz des Conversationstons, schmeckte. Als das Mittagessen an's Ende kam, sprach Sir John etwas weitläufiger, obgleich seine Stimme in ein Flüstern versank.

»»Ich besorge, noch vor der Zusammenkunft des Parlaments wird es einen Riß in der Regierung geben.«

»Wahrhaftig.«

»Ja, Vargrave und der Premier können nicht lange an einem Karren ziehen. Vargrave ist ein geschickter Mann, hat aber nicht genug Einfluß im Lande, um Parteiführer zu sein.«

»Alle Staatsmänner müssen durch ihren Charakter Einfluß üben; ist der gut, so denke jetzt, kein Einfluß kann besser sein.«

»Hm! Ja, Sie haben Recht, aber doch, wenn ein Mann Landgüter und Vermögen besitzt, so haben seine Meinungen in einem Lande, wie England mehr Gewicht. Besäße Vargrave zum Beispiel Raby's Vermögen, so wäre Niemand passender für einen Parteiführer, einen Premierminister. Wir wüßten alsdann gewiß, daß er kein selbstsüchtiges Interesse im Auge zu haben brauchte; er würde seiner Partei keinen Streich spielen – Sie verstehen mich?«

»Vollkommen«

»Ich gehöre zu keiner Partei; wie Sie wohl wissen; Sie erinnern sich noch; ich habe mit Ihnen bei denselben Fragen gestimmt; Maßregeln, nicht Menschen, das ist mein Grundsatz; mir gefällt es jedoch nicht, sehe ich Menschen über ihre geziemende Stellung erhoben.«

»Maltravers, ein Glas Wein,« rief Lord Vargrave über den Tisch herüber. »Wollen Sie sich uns anschließen, Sir John?«

Sir John verbeugte sich.

»Sicherlich,« begann er wieder, »ist Vargrave ein sehr angenehmer Mann und ein guter Redner; man sagt jedoch, er sei nicht reich und sogar in Geldverlegenheit. Wenn er jedoch Miß Cameron heirathet; so wird die Sache wohl etwas anders. Gebt ihm mehr Ansprüche auf Achtbarkeit! Wissen Sie, wie hoch sich ihr Vermögen beläuft? Wohl etwas Ungeheures?«

»Ja, ich glaube wohl, ich weiß es aber nicht.«

»Mein Bruder sagt, Vargrave sei sehr liebenswürdig. Die junge Dame ist sehr hübsch; vielleicht zu hübsch für eine junge Frau. Glauben Sie das nicht? Schönheiten passen für einen Ballsaal, aber nicht für häusliches Leben; sicherlich stimmen Sie mit mir überein. Auch habe ich gehört; Miß Cameron sei etwas gelehrt; die Leute sind so boshaft; gewißlich ist sie nicht gelehrter als andere junge Damen. Das arme Mädchen! Was ist Ihre Meinung?«

»Miß Cameron ist sehr gebildet, wie ich glaube; so denken Sie denn, daß die Regierung sich nicht halten kann?«

»Ich wollte das nicht sagen, ich bin weit davon entfernt; ich besorge jedoch, daß ein Wechsel eintreten muß. Wenn jedoch die Grundbesitzer zusammenhalten, so zweifle ich nicht, daß wir den Sturm überdauern. Der Grundbesitz, Herr Maltravers, ist die Feste unseres Vaterlandes, gleichsam sein Pflichtanker. Ich glaube, Lord Vargrave, welcher hierin richtige Begriffe hegt; will Miß Camerons Vermögen in Land anlegen. Obgleich man jedoch ein Gut kaufen kann, so kann man keine alte Familie kaufen, Herr Maltravers! Sie und ich; wir dürfen für diesen Umstand dankbar sein. Beiläufig gesagt, wer war Miß Camerons Mutter, Lady Vargrave? Von niederem Stande, wie ich besorge; Niemand weiß etwas davon.«

»Ich bin mit Lady Vargrave nicht bekannt; Ihre Schwägerin spricht von ihr in den höchsten Ausdrücken; die Tochter gibt eine genügende Bürgschaft für die Tugenden der Mutter.«

»Ja, Vargrave auf einer Seite hat wenigstens nichts; dessen er sich hinsichtlich seiner Familie rühmen könnte.«

Die Damen verließen die Halle, die Herren setzten sich wieder. Lord Raby machte einige Bemerkungen über Politik gegen Sir John Merton, und Alle, welche in der Runde sprachen, folgten dem Beispiele ihres Führers.

»Wie Schade; Sir John,« sagte Lord Raby, »daß Sie keinen Kollegen haben, der Ihrer würdiger ist. Nelthorpe erscheint in keinem Ausschusse, nicht wahr?«

»Ich kann nicht sagen, daß er ein thätiges Mitglied ist. Indessen er ist jung, und wir müssen ihm Einiges nachsehen,« sagte Sir John mit kluger Bedachtsamkeit. Er wünschte durchaus nicht, seinen Kollegen zu verdrängen; es war ihm sehr angenehm, daß er das wirksame Parlamentsmitglied der Grafschaft war.

»In unseren Zeiten,« sagte Lord Raby stolz, »darf man eine systematische Vernachlässigung von Pflichten nicht verzeihen. Wir werden eine stürmische Session bekommen; die Opposition darf nicht länger verachtet werden. Vielleicht ist eine Parlamentsauflösung näher, als wir glauben. Was Nelthorpe betrifft; so darf er nicht wieder gewählt werden.«

»Um keinen Preis,« sagte ein fetter Landedelmann von großem Ansehen in der Grafschaft; »er war nicht allein bei der großen Malzfrage nicht gegenwärtig, er hat auch meinen Brief über die Kanalkompagnie nicht beantwortet.«

»Ihren Brief nicht beantwortet?« sagte Lord Raby, indem er seine Hände und Augen mit Erstaunen emporhob; »welch' ein Benehmen! Herr Maltravers, Sie sind der Mann für uns.«

»Hört, hört!« rief der fette Grundbesitzer; – »hört,« rief Vargrave, und der Schall des Beifalls machte die Runde um den Tisch.

Lord Raby stand auf. »Meine Herren; füllen Sie Ihre Gläser; eine Gesundheit unserem ausgezeichneten Nachbar!«

Die Gesellschaft gab Beifall, Jeder lächelte, als die Reihe an ihn kam, nickte und trank Maltravers zu, welcher zwar durch Ueberraschung gewonnen wurde, aber sogleich das Verfahren erkannte, das er zu befolgen hatte. Er bedankte sich in einfacher, kurzer Rede, und ohne von der Anspielung Lord Raby's Notiz zu nehmen, bemerkte er nur gelegentlich, er habe sich vielleicht auf einige Jahre, vielleicht auf immer vom politischen Leben zurückgezogen. Vargrave zeigte Lord Raby ein bedeutsames Lächeln und führte das Gespräch auf Parteiverhandlungen. Maltravers schwieg den Abend hindurch, in seine stolze Verachtung der Parteikämpfe gehüllt, die er als Spielzeug und Schatten betrachtete. Die Gesellschaft brach auf und begab sich in's Ballzimmer.


 << zurück weiter >>