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Viertes Kapitel.

Daß trotz'ge Mädchen er besiege,
Fügt Amor zu der Zauberkette
Sehr gern des bärt'gen Kriegers Züge,
Das Schwert, Kokard' und Epaulette.

      Marriot.

 

Die Halle war frei, die Leidende entfernt, und Maltravers war mit Cleveland und Eveline allein. Er erzählte kurz und einfach das Abenteuer des Morgens, erwähnte aber nicht, daß Vargrave die Ursache der Verwundung der alten Frau gewesen war. Die Menschlichkeit des Ersteren, so natürlich und alltäglich sie auch war, bot Evelinen Gedanken, welche ihn ihr theuer machten, vorzüglich weil Maltravers dadurch erwies, daß seine kalte Theorie der Verachtung der Masse nicht sein wirkliches Verfahren gegen Individuen war. Andererseits hatte Maltravers vielleicht noch stärkeren Eindruck durch das schnelle und aufrichtige Mitgefühl erlangt, welches Eveline der Leidenden bezeugte. Offenbar war ihre erste anmuthige und weibliche Regung von der Art gewesen, daß sie zur armen Fremden eilte. Bei jenem Antrieb war Maltravers selbst beinahe vergessen worden; als die arme Frau blaß und bewußtlos dalag, und als die junge Eveline sich über sie in schönem Mitleiden beugte, glaubte Maltravers, sie sei nie so liebenswürdig und unwiderstehlich gewesen – Mitleid wirkt stets verschönernd bei einem Weibe.

Als Maltravers seine kurze Erzählung beendigt hatte, waren Evelinens Augen auf ihn mit so freimüthigem und doch sanftem Beifall gerichtet, daß der Blick ihm in's Herz drang. Er wandte sich plötzlich hinweg und änderte das Gespräch.

»Wie lange sind Sie schon hier, Miß Cameron? Wer sind Ihre Begleiter?«

»Wir sind wieder Eindringlinge, aber dießmal war es nicht meine Schuld.«

»Nein!« sagte Cleveland. »Wunderbarer Weise hat die Neugier eines Mannes, nicht die einer Dame sich in Blaubarts Kammer eingedrängt; um jedoch Ihre Empfindlichkeit zu mildern, so erfahren Sie, daß Miß Cameron Ihnen einen Käufer für Burleigh gebracht hat. Ich gebe Ihnen die Versicherung, daß Miß Cameron über den Gedanken eben so erschrak, wie ich. – Nicht wahr?«

»Sie haben doch nicht die Absicht, Burleigh zu verkaufen?« fragte Eveline ängstlich.

»Ich besorge, ich weiß es selbst noch nicht –«

»Gut,« sagte Cleveland, »hier kömmt unser Versucher. Lord Doltimore, lassen Sie mich Ihnen Herrn Maltravers vorstellen.«

Lord Doltimore verbeugte sich.

»Herr Maltravers, wir haben Ihre Pferde bewundert. Ich sah noch nie ein so vollkommenes Thier, wie Ihren Rappen; darf ich fragen, wo Sie ihn gekauft haben?«

»Er wurde mir geschenkt,« antwortete Maltravers.

»Geschenkt?«

»Ja, von Jemand, der das Pferd nicht für das Lösegeld eines Königs hergegeben haben würde – von einem alten arabischen Häuptling, mit dem ich eine Art Freundschaft in der Wüste gebildet. Eine Wunde machte ihn unfähig zum Reiten, und er schenkte mir das Pferd mit eben so viel feierlicher Zärtlichkeit bei der Gabe, als habe er mir seine Tochter zur Ehe gegeben.«

»Auch ich gedenke in den Orient zu reisen,« sagte Lord Doltimore mit großem Ernst, »ich vermuthe, Nichts wird Sie bewegen, das schwarze Pferd zu verkaufen!«

»Lord Doltimore!« rief Maltravers mit dem Tone stolzer Verwunderung aus.

»Der Preis ist mir gleichgiltig,« wiederholte der junge Edelmann, ein wenig verlegen.

»Nein! Ich verkaufe nie ein Pferd, das mich kennen gelernt hat. Es würde mir eben sowohl einfallen, einen Freund zu verkaufen. Ich bin beinahe selbst ein Araber in solchen Angelegenheiten.«

»Da Sie aber vom Handeln sprechen, so fällt mir Burleigh wieder ein,« sagte Cleveland boshaft. »Lord Doltimore ist ein allgemeiner Käufer, er hat Lust auf Ihr Gut und will das Haus, da er den Stall nicht bekommen kann.«

»Ich wollte nur sagen,« sprach Lord Doltimore etwas unbeholfen, »daß ich den Vorkauf haben möchte, wenn Sie Burleigh losschlagen wollen.«

»Ich will mich daran erinnern, wenn ich entschlossen bin, den Ort zu verkaufen,« erwiderte Maltravers lächelnd. »Gegenwärtig bin ich unentschlossen.«

Er wandte sich bei diesen Worten zu Evelinen und stutzte beinahe, als er bemerkte, daß ein Fremder sich ihr angeschlossen hatte, dessen Annäherung ihm vorher nicht aufgefallen war – ein Fremder von so auffallend einnehmendem persönlichem Aeußern, daß Maltravers, wäre er an Vargrave's Stelle gewesen, den Schmerz eifersüchtiger Besorgniß hätte empfinden müssen. Etwas über der Durchschnittsgröße, schlank und dennoch mit kräftigen Gliedern, von jedem Vorurtheil der Kleidung und der Miene unterstützt, mit dem namenlosen Ton und der überall vorherrschenden Verfeinerung, welche aus frühem und häufigem Umgang mit der feinsten weiblichen Gesellschaft bisweilen, wenn auch nicht immer entsteht – mit allen diesen Eigenschaften hatte Oberst Legard einen beinahe eben so populären Ruf im Alter von achtundzwanzig Jahren wegen seiner Schönheit erlangt, wie Männer durch geistige Vorzüge sich sonst erwerben. Dennoch lag nichts Weibisches in seinem Antlitz, dessen symmetrische Züge männlich und ausdrucksvoll durch die frische Olivenfarbe seines Gesichts und die kurzen, dichten Locken seines Antinous-gleichen Haares wurden.

Beide, als sie dort standen, Eveline und Legard, schienen sich in persönlichen Vorzügen trefflich für einander zu eignen, da die verschiedenen Charaktere ihres äußeren Wesens einen glücklichen Gegensatz boten; Legard betrachtete sie im Augenblick mit so achtungsvoller Bewunderung und flüsterte ihr Complimente in so demüthigem Tone zu, daß der gewöhnlichste Beobachter eine Prophezeihung hätte wagen können, welche keineswegs angenehm für die Hoffnungen Vargrave's sein konnten. Ein Gefühl der Furcht war es indeß nicht, das Maltravers einen plötzlichen Ausruf der Ueberraschung auspreßte.

Legard blickte auf, als er diesen Ausruf hörte, und sah Mal travers, der ihm bisher den Rücken gedreht hatte. Er war ebenfalls offenbar überrascht und sah verlegen aus. Das Blut stieg in seine Wangen, die ebenso rasch wieder erblaßten.

»Oberst Legard,« sagte Cleveland., »ich bitte Sie um Verzeihung wegen meiner Nachlässigkeit, ich sah sie wirklich nicht eintreten. Ich glaube, Sie kamen durch die vordere Thür. Lassen Sie mich Herrn Maltravers Ihnen vorstellen.«

Legard verbeugte sich tief, »Wir haben uns schon getroffen,« sagte er mit verlegenem Tone, »ich glaube in Venedig.«

Maltravers verbeugte sich zuerst etwas steif, dann aber gleichsam durch eine zweite Regung bewegt – reichte er ihm herzlich die Hand.

»O, Herr Ernst, hier sind Sie,« rief Sophie, auf die Flur springend; Herr Merton, der alte Admiral, Caroline und Cäcilie folgten. Die Unterbrechung schien willkommen und gelegentlich »gelegen«. Anm.d.Hrsg.; der Admiral drückte mit einfacher Herzlichkeit sein Vergnügen aus, mit Maltravers bekannt zu werden.

Das Gespräch ward allgemein. Erfrischungen wurden gebracht und abgelehnt, der Besuch nahte sich seinem Ende.

Es traf sich, daß Eveline, von deren Seite der stets sie begleitende Oberst unbemerkt verschwunden war, als die Letzte zurückblieb – mit Ausnahme des Admirals, welcher mit Cleveland ein neues Mittel gegen die Gicht verhandelte.

Als Maltravers auf den Stufen vor der Hausthür stand, wandte sich Eveline zu ihm mit all' der schönen Naivetät gemischter Schüchternheit und Güte, mit den Worten:

»Und werden wir Sie niemals wieder sehen? Werden wir niemals wieder Ihre Erzählungen von Egypten und Arabien vernehmen, niemals mehr über Tasso und Dante sprechen? Keine Bücher, kein Gespräch, kein Disput, keine Streitigkeiten? Was haben wir gethan? Ich dachte, wir hätten uns versöhnt. Sie verzeihen aber noch immer nicht. Zanken Sie mich einmal ordentlich, und dann lassen Sie uns Freunde sein.«

»Freunde! Sie haben keinen ängstlicheren, keinen ergebeneren Freund, als mich. Jung, reich, bezaubernd, wie Sie sind, werden Sie doch keinen tieferen Eindruck auf menschliche Herzen machen, als denjenigen, der hier eingegraben ist.«

Von dem Zauber ihrer kindlichen Vertraulichkeit und ihrer bezaubernden Süße fortgerissen, hatte Maltravers mehr gesagt, als er beabsichtigte; und seine Augen, seine Bewegung sagten noch mehr, als seine Worte.

Eveline erröthete tief und ihr ganzes Benehmen änderte sich. Sie wandte sich jedoch hinweg und sagte mit erzwungener Heiterkeit: »Wohlan denn. Sie werden uns nicht verlassen, wir werden uns wieder sehen.«

Bei diesen Worten eilte sie die Treppe hinab, um sich ihrer Gesellschaft anzuschließen.


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