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Siebentes Kapitel.

Kann Ihnen Nichts gefallen?
Was halten Sie vom Hofe?

      Whycherley.

 

Aubrey fand in einem Gegenstande keine Schwierigkeit, um Evelinens Wünsche und Stimmung zu erkennen. Das Experiment des Besuchs, soweit derselbe auf Vargrave's Hoffnung Bezug hatte, war gänzlich mißlungen, sie konnte die Aussicht auf seine Verbindung nicht ertragen und äußerte freimüthig ihre Gedanken dem Pfarrer, – nämlich, daß alle ihre Wünsche ihre Befreiung von dem Verlöbniß erzielten. Da es jetzt verabredet wurde, daß sie mit Aubrey nach Brook Green zurückkehren sollte, so war die lange verschobene Auseinandersetzung mit ihrem Verlobten jetzt durch aus unabwendbar geworden. Doch hatte dieß immer noch seine Schwierigkeiten – Vargrave hatte so wenig gedrängt und auch nicht entfernt auf ihr Verlöbniß angespielt, daß es Evelinen als Keckheit und Mangel an Zartgefühl erschien, würde die lange gewünschte, aber gefürchtete Erklärung jetzt schon gegeben. Aubrey aber übernahm den Auftrag; bei diesem seinem Versprechen hegte Eveline ein Gefühl, wie ein Sklave, dem die Kette abgenommen wird.

Beim Frühstück verkündete Herr Aubrey die Absicht Evelinens, mit ihm am folgenden Tage nach Brook Green zurückzukehren. Lord Vargrave stutzte, biß sich auf die Lippe, aber sagte Nichts. Nicht so schweigend war Herr Merton.

»Mit Ihnen zurückkehren! Mein theurer Herr Aubrey, bedenken Sie, es ist unmöglich; Sie sehen Miß Camerons Rang im Leben, ihr Stellung – so sonderbar – keine andere Dienerschaft wie ihre Kammerfrau, nicht einmal einen Wagen! Sie werden doch nicht wollen, daß sie in einer bloßen Postchaise reist? Lord Vargrave, Sie können sicherlich nicht Ihre Zustimmung geben.«

»Wäre ich auch nur Miß Camerons Vormund,« sagte Lord Vargrave spitzig, »so würde ich sicherlich gegen eine solche Art zu reisen Einwendung machen. Vielleicht will Herr Aubrey seinen Plan dadurch vervollständigen, daß er zwei Plätze oben auf der Postkutsche sich miethet?«

»Verzeihen Sie,« sagte der Pfarrer mild; »ich kenne besser, wie Sie glauben, was man Miß Cameron schuldig ist. Der Wagen von Lady Vargrave, welcher mich hierher brachte, wird kein unpassendes Fuhrwerk für ihre Tochter sein, und Miß Cameron ist gewiß nicht durch alle Ihre freundschaftliche Aufmerksamkeit so verzogen, daß sie nicht eine Reise von zwei Tagen ohne einen andern Beschützer, als mich, zurücklegen könnte.«

»Ich vergaß Lady Vargrave's Wagen oder vielmehr ich wußte nicht, daß Sie ihn benutzt hatten, mein theurer Sir,« sagte Herr Merton; »Sie müssen uns aber nicht tadeln, wenn wir bedauern, Miß Cameron so plötzlich zu verlieren; ich hoffte, daß auch Sie wenigstens eine Woche bei uns bleiben würden.«

Der Pfarrer verbeugte sich bei Herrn Mertons herablassender Höflichkeit; gerade als er antworten wollte, trat Frau Merton ein.

»Und noch dazu hatte ich mein Herz darauf gesetzt, daß Miß Cameron Carolinens Brautjungfer würde.«

Caroline erblaßte und blickte auf Vargrave, welcher ausschließlich damit beschäftigt schien, geröstete Brodschnitten in seinen Thee zu brocken, eine bisher bei ihm unbekannte Spielerei.

Es entstand eine Pause der Verlegenheit; zur rechten Zeit trat der Diener mit einem Pack Bücher, mit einem Billet an Herrn Merton und dem Briefportefeuille ein, dem vor Allem gesegneten Dinge auf dem Lande.

»Was ist das?« sagte Herr Merton, indem er sein Billet öffnete, während seine Frau das Portefeuille aufschloß und den Inhalt vertheilte – »Herr Maltravers hat Burleigh auf einige Monate verlassen – einige Tage früher, wie er erwartete – entschuldigt sich, daß er auf französische Art Abschied nimmt – schickt der Miß Merton Bücher zurück – ist ihr sehr dankbar – sein Förster hat Befehl erhalten, seinen Wildpark mir zur Verfügung zu stellen. – Wir haben also unsern Nachbar verloren!«

»Wußten Sie nicht, daß Herr Maltravers abgereist war?« sagte Caroline; »ich hörte das gestern Abend von Jenkins. – Er begleitet Herrn Cleveland nach Paris.«

»Wirklich,« sagte Frau Merton, »was konnte ihn nach Paris führen?«

»Ich glaube Vergnügen,« erwiderte Caroline; »ich würde mich eher darüber wundern, weßhalb er so lange in Burleigh blieb.«

Vargrave erbrach während der Zeit seine Briefe, und übersah schnell mancherlei Gekritzel mit dem geübten Blicke eines Geschäftsmannes; er kam zum letzten Brief; sein Antlitz strahlte.

»Eine königliche Einladung, oder vielmehr ein Befehl, nach Windsor zu kommen,« rief er aus; »ich besorge, daß ich noch heute abreisen muß.«

»Wahrhaftig!« rief Frau Merton aus. »Ist der Brief vom König? Lassen Sie mich sehen!«

»Nicht vom Könige selbst, aber von gleich bedeutender Hand.« Lord Vargrave schob sorglos die gnädige Mittheilung der ungeduldigen Hand und dem loyalen Blicke der Frau Merton zu, steckte sorgfältig die anderen Briefe in die Tasche und ging nachsinnend an's Fenster. Aubrey benützte die Gelegenheit, ihm näher zu treten.

»Mylord, kann ich einige Augenblicke mit Ihnen reden?«

»Gewiß, wollen Sie auf mein Zimmer kommen?«


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