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II.

Das Kätchen von Heilbronn.

Am Markt der Stadt Heilbronn steht noch heute ein hohes, altertümliches Haus, mit einem Erker auf die Straße. Es ist das sog. Kätchenhaus. Dort wohnte, wie die Sage meldet, Theobald Friedeborn, mit seinem schmucken Töchterlein Käte, einem Wesen von zarter, frommer und lieber Art wie ein Engelein. Ging sie in ihrem bürgerlichen Schmuck über die Straße, das schwarzsamtene Leibchen, das ihren Busen umschloß, mit seinen Silberkettlein behängt, so flüsterten die Leute einander zu: »Sieh, das Kätchen von Heilbronn!«

Nun lebte zu dieser Zeit in Schwaben ein Graf Wetter von Strahl, reich und angesehen, voll Mut und Kraft und Feuer der Jugend. Diesem erschien, als er einst totkrank darniederlag, im Fieberwahn ein glänzender Cherub, führte ihn weit weg in die Kammer eines schönen Kindes, zeigte es ihm als seine künftige Braut und verkündete ihm, es sei die Tochter des Kaisers. In derselben Nacht sah Kätchen in ihrem Hause in Heilbronn im gesunden Traum einen schimmernden Ritter in ihre Kammer eintreten, der sie als Braut begrüßte.

Wochen, Monate gingen über diese wunderbare Verkündigung dahin. Da sprengt eines Tages ein gepanzerter Ritter, eben jener Graf von Strahl, mit seinem Troß vor des Meisters Friedeborn Haus am Markte zu Heilbronn, steigt vom Pferd und tritt in die Werkstatt des Waffenschmieds, das Haupt tief gebeugt, um mit den Reiherbüschen, die ihm vom Helme nicken, durch die Tür zu kommen. Am Panzer des Ritters ist eine Schiene gesprungen, die der Waffenschmied wieder zusammenschweißen soll. Während dieser sich hurtig an die Arbeit macht, ruft er in die Wohnstube hinein nach Wein und Schinken zum Imbiß für den Ritter. Da öffnet sich die Türe, und in die rußige Werkstätte tritt züchtig und schamhaft, Speise und Trank auf einem Silberteller tragend, ein holdes Mädchen herein, Kätchen. Wie sie des Ritters ansichtig wird, läßt sie plötzlich Teller samt Becher und Imbiß fallen und sinkt halb bewußtlos vor ihm in die Kniee. Der Graf nimmt ihre Hand und erkundigt sich teilnehmend, was dem guten Kind fehle. Mägde eilen herbei und jammern. Das ganze Haus gerät in Aufregung. Da erholt sich Kätchen allmählich und wird, die Augen immer noch unverwandt auf den Ritter gerichtet, von den Dienerinnen hinweggeführt. Als dann der Schaden an der Waffenrüstung des Ritters ausgebessert ist, steigt dieser gedankenvoll zu Rosse, um hinwegzureiten. In dem Augenblick stürzt sich des Waffenschmieds Töchterlein oben aus dem Fenster ihres Hauses, dreißig Fuß hoch auf das Pflaster der Straße herab, und bricht beide Lenden.

Sechs Wochen liegt sie zum Tode krank im hitzigen Fieber und kein Mensch vermag ihr das Geheimnis, das in ihr waltet, zu entlocken. Endlich, als sie sich erholt hat, schnürt sie ihr Bündel und verläßt das Vaterhaus mit den Worten: »Zum Grafen Wetter von Strahl.« Denn sie hatte in ihm in dem Augenblick, als sie ihn in des Vaters Werkstatt plötzlich erblickte, jenen Ritter erkannt, der ihr im Traume als ihr Verlobter erschienen war. So folgte sie nun dem Ritter als dienende Magd wie ein Hündchen, fromm und ergeben überall hin, wohin der Graf sich wandte. Dieser kann sich das seltsame Gebaren des Mädchens nicht erklären. Ihre kindliche Anhänglichkeit erscheint ihm als Aufdringlichkeit und belästigt ihn. Er heißt sie erst freundlich und mit sanfter Bitte zu ihrem Vater zurückzukehren: sie kann und will nicht. Sie wird von dem geliebten Mann herb und hart gescholten, mit Schmach zurückgestoßen und mit Verachtung behandelt; aber sie ist immer wieder da und folgt ihm auf allen seinen Zügen.

Ihre Anhänglichkeit und Treue rührt ihn endlich; aber der hohe stolze Graf darf und kann doch kein Bürgermädchen lieben. Da trifft er einst das gute Mädchen, wie es mit wundgelaufenen Füßen, müde und erschöpft unter einem Holunderstrauch vor den Mauern seiner Burg liegt und schläft und im Schlafe redet, was schon lange ihr Herz erfüllt. So erfährt er ihr Geheimnis. Er hört, daß sie die Verheißene sei, die ihm einst im Traum gezeigt worden war. Es stellt sich auch heraus, daß das angebliche Waffenschmiedstöchterlein in Wirklichkeit eine Kaiserstochter ist. Und so steht der Vereinigung der beiden geheimnisvoll Verlobten nichts mehr im Wege. Kätchen wird die Frau des hochgeborenen Grafen Wetter von Strahl.

(Nach Kleist von H.)


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