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Die Anhäuser Mauer.

Abseits der Frankendörfer Wallhausen und Grüningen steigt mit eins aus freiem Feld eine gigantische Mauer auf. Ringsum große Einsamkeit, ringsum tiefes Schweigen. Kaum ein Vogelgezwitscher wird gehört, und aus den fernen Dörfern klingt kein Laut herüber. Weltfern, als ein letzter Zeuge einer andern Zeit ragt die Mauer auf. Mächtig steht sie da, und fünf Ritter schützen sie.

Hier stund einst ein Kloster. Pauliner lebten drinnen. Eifrig liefen sie die Gegend ab, bettelten und wurden reich davon. Doch da kam die schlimme Zeit des Bauernkriegs, und da war ein böser Tag. Es kamen mit Gejohle die Bauernhaufen vor das Kloster gezogen, und sie hatten es auf nichts Geringeres als auf dessen Zerstörung abgesehen. Anhausen wurde berannt, aber siehe da, nirgends zeigte sich Widerstand, und als die Bauern nun ins Kloster drangen, da fanden sie es leer und wie ausgestorben. Es war aber ein unterirdischer Gang allda, der führte von Anhausen hinab ins nahe Tal der Jagst zum Nonnenklösterlein von Mistlau. Und selbiger Weg, den selbst das Sonnenlicht nicht fand, war den Mönchen von langher wohlbekannt, und von ihnen auch zuvor schon oftmals gern benutzt worden. Jetzt in Sturm und Not war's traut, solch einen Unterschlupf zu wissen. Und es kamen von unten herauf die Nonnen von Mistlau, und es kamen von oben herab die Pauliner von Anhausen, und im dunklen Schutz der Erde zerrann ihnen rasch die Zeit. Derweil war nun oben im Sonnenlicht Schreckliches geschehen; aus den Scheuern und Ställen des Klosters Anhausen stiegen die Feuerbrände auf, und was nicht niet- und nagelfest war, wurde mitgenommen: und als nun nach Tagen und Wochen die Ratten – so nannte der Volksmund die Mönche Anhausens – aus ihrem unterirdischen Versteck wieder herfürkrochen, da fanden sie nichts denn rauchende Trümmer und wüste Felder.

Doch die Gottesmanner wußten sich zu helfen. Sie schnürten das wenige, was sie noch hatten, in Bündel und wanderten hinab zu den frommen Schwestern des Klösterleins Mistlau und wurden um Gottes willen freudig dort aufgenommen. Fortan war eine herzinnige Gemeinschaft zwischen den Nonnen und zwischen den Mönchen, und als Luthers Lehre siegreich durch die Lande zog, da ist manch ein Pauliner und manch eine Nonne aus des Ordens Zwang gesprungen, und sie haben im schönen Tal der Jagst sich ihre Hütten erbaut und darin einen eigenen Hausstand geführt.

(C. Schnerring.)


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