Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Heilbronner Sagen.

I.

St. Kilian.

Das altehrwürdige Gotteshaus in Heilbronn, das mit seinem kunstvollen Turme als ein Wahrzeichen der Stadt seit langen Jahrhunderten die Blicke und Gedanken der Sterblichen nach oben lenkt, trägt den Namen des heiligen Kilian. Auf dem Platze, wo die stattliche Kirche sich heute erhebt, soll einst jener fromme Glaubensbote den heidnischen Alemannen das Wort vom Kreuze verkündigt und die Neubekehrten im kräftig sprudelnden Heilsbrunnen durch die Taufe zu Christen geweiht haben. Der wichtigste Schauplatz seiner Missionstätigkeit war aber die Gegend um Würzburg. Dort herrschte um den Ausgang des 7. Jahrhunderts der mächtige Frankenherzog Goßbert. Kilians Predigt rührte sein Herz. Er empfing die hl. Taufe. Nun hatte Goßbert, wie einst jener Herodes im Evangelium, seines Bruders Weib zur Frau genommen. Und wie dort Johannes des Täufers Stimme, so erklang hier Kilians Bußruf: Es ist nicht recht, daß du sie habest! Der Herzog fühlte sein Gewissen bedrängt. Aber es kam ihn hart an, sich von der geliebten Frau zu scheiden. Er hatte nicht die Kraft und den Mut, sie zu verstoßen. Da unternahm er einen Kriegszug. Nach seiner Rückkehr wollte er das ernste Gebot des Gottesmannes wohl vollziehen.

Die Frau, Geila war ihr Name, hatte den bittersten Haß auf Kilian geworfen. Während der Herzog abwesend war, ließ sie den frommen Glaubensboten samt seinen Gehilfen heimlich töten und begraben. Der Herzog kam endlich vom Feldzuge nach Hause. Da er Kilian nicht fand, erkundigte er sich, was mit ihm geschehen sei. Die Herzogin sagte, er sei auf einer Reise, um eine Kirche zu weihen. Doch der Betrug war umsonst; das Verbrechen kam an den Tag. Die Diener der Herzogin, die auf Befehl ihrer Herrin die frommen Glaubensboten getötet hatten, bekannten, von Reue getrieben, in wilder Verzweiflung ihre Sünde.

Auch die Herzogin selbst wurde von heftigen Gewissensqualen ergriffen und schrie in größter Seelenangst: Kilian, dein Gebet tut mir weh! Und so starb sie.

Der Herzog, erschüttert von dem schrecklichen Vorfall und bekümmert um den Tod des frommen Mannes, erforschte, wo Kilian begraben worden sei. Man grub den Leichnam aus und legte ihn an einen heiligen Ort, dahin nämlich, wo sich heute über seiner Gruft das neue Münster zu Würzburg erhebt. Dies geschah, so berichtet der Chronist, im Jahre nach Christi Geburt 689.

(Fr. Hummel.)


 << zurück weiter >>