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II.

Die Schlüsselbergerin

In dem waldbekränzten Talkessel, der Königsbronn mit seinen Eisenwerken umschließt, stand vor alter Zeit nur die kleine Ortschaft Springen. Sie hatte ihren Namen von den Quellen der Brenz und der Pfeffer, die hier unweit voneinander entspringen und durch ihre Vereinigung ein Flüßchen bilden. Die mächtigere dieser beiden Quellen ist die Brenz. Sie bricht aus überhängenden Felsmassen des Aalbuchs hervor, und zwar in einer solchen Wasserfülle, daß sie sofort einen kleinen See bildet und ein Hammerwerk zu treiben imstande ist. Das Wasser des Sees hat eine schöne blaue Farbe, ähnlich dem des Blautopfes bei Blaubeuren.

Das stille, anmutige Wald- und Wiesental mit seinem wunderbaren Brunnquell gefiel dem deutschen König Albrecht I so wohl, daß er daselbst im Jahre 1302 ein Kloster gründete, das man nach ihm Königsbronn benannt hat. Es wurde dicht an den schon damals mit Marktgerechtigkeit ausgestatteten Flecken Springen angebaut und mit Zisterziensermönchen besetzt. Der König und seine Nachfolger begabten das Kloster reichlich, und auch die Grafen von Helfenstein, denen damals fast die ganze Gegend gehörte, machten ihm viele Schenkungen.

Eine besonders große Wohltäterin des Klosters und der Armen war die Gräfin Anna (Beatrix) von Schlüsselberg, die Gemahlin Ulrichs von Helfenstein. Sie stiftete auf den Sankt Veitstag (15. Juni) Geld und Korn zur Austeilung an die Armen. Und es war ihr diese Stiftung so wichtig, daß sie drohte, aus dem Grabe zu kommen und zu mahnen, wenn ihr Gebot je einmal vergessen würde. Gräfin Anna starb im Jahre 1355, und die Mönche errichteten ihr ein schönes Grabmal aus Stein in der Klosterkirche. Dasselbe ist noch vorhanden und stellt sie dar mit einem Bund Schlüssel in der einen und einem Korb in der andern Hand. Auch wird noch jedes Jahr am Veitstage die Stiftung an die Königsbronner Armen verteilt, obgleich das Kloster schon längst aufgehoben und auch die Stiftungsurkunde nicht mehr vorhanden ist.

Einigemal soll es vorgekommen sein, daß die Verteilung der Spende vergessen blieb. Da soll die Klosterglocke, von unsichtbaren Händen geläutet, die Mönche nachts aus dem Schlummer geweckt und an das Versäumnis gemahnt haben. Auch der Pfarrer Steinhöfer vergaß einmal in den Wirren der Napoleonischen Kriege den Tag. Da kam in der Nacht die Schlüsselbergerin, klirrte mit ihren Schlüsseln und zog an der Glocke, daß es laut durchs stille Haus gellte und der Pfarrer erschreckt aus dem Schlaf auffuhr. Dies wiederholte sich einige Tage nacheinander, bis dem Pfarrer das Versäumte einfiel und von ihm nachgeholt war. Heute noch sagen die Leute in der Gegend, wenn sie an ein Versprechen mahnen wollen: »Hörst du des Veits Glöcklein?«

(Nach Amos u. Meier von K. Rommel-R.)


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