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III.

Der Keltergeist.

Zu Weinsberg steht in der oberen Gasse die alte Stadtkelter. Sie ist nur offen, wenn im Herbst an den sonnigen Berghängen der Weibertreu und des Schemelbergs die Trauben zur Reife gekommen sind. Dann knarren Tag und Nacht in ihr die schweren Kelterbäume unter dem Druck der Spindeln, und heraus quillt ein süßer Born, der neue Wein. Ist der »Herbst« vorbei, so wird die Kelter wieder geschlossen, und der mit den leeren Bütten und Gelten der Weingärtner angefüllte Raum gehört nun dem Keltergeist, der allda sein Wesen treibt. Er wird zwar selten gesehen, doch dann und wann gehört. Wenn ein reiches Weinjahr in Aussicht steht, so tut er es den Leuten schon zur Zeit der heiligen Nächte (zwischen Weihnachten und Neujahr) kund. Ist gar ein außerordentliches Weinjahr zu erwarten, so wird's in der ganzen Kelter lebig, und ein Glückskind kann durch die Wand hindurch die »Geisterkelter« schauen und zum voraus den kommenden Herbstsegen.

»Es sinkt die Wand, im hohlen Raum
Erhebt sich stolz ein Kelterbaum,
Und um ihn dreht in vollem Schwung
Sich jauchzend, glühend alt und jung,
Und aus den Röhren purpurhell,
Vollblütig springt des Mostes Quell;
Ein sausend Mühlrad tobt der Reih'n,
Die Schaufeln treibt der wilde Wein.«

Doch: »Dröhnt der Hammer dumpf und schwer
Zwölfmal vom grauen Kirchtum her;
Der Jubel schweigt, der Glanz erlischt.
Die Kelter ist hinweggewischt.«

In Weinsberg freut sich über die wunderbare Kunde jung und alt

»Denn wann die Geisterkelter schafft,
Ist guter Herbst unzweifelhaft.« (L. Uhland.).

Auch im nahen Rathauskeller treibt der Geist seinen Spuk und klopft an die Fässer, um zu sehen, ob sie für das kommende reiche Weinjahr auch leer sind. Der Geist heißt darum das »Klopferle«. Theobald Kerner weiß von ihm zu sagen:

Ein Geist, in Weinsberg wohlbekannt,
Wird dort der Klopferle genannt.
Stadtküfer einst, kann ob der Sünden
Im Grab er keine Ruhe finden.
Wer ihn im Rathauskeller sieht,
Der schreit, indem er aufwärts flieht:
»Der Klopferle, der Klopferle,
O je, ich hab' den Klopferle, den Klopferle geseh'n!«

Jedoch er ist als Geist nicht schlimm,
Nach Besserung gelüstet ihm.
Er schaut prophetisch in die Ferne
Und kündet drum auch froh und gerne
In heil'ger Christnacht, wann der Wein
Wird nächsten Herbst ein guter sein:
Dann klopft er, klopft und klopft und klopft.
Wie er als Küfer hat geklopft.

(K. Rommel-R.)


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