Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Weinsberger Sagen.

I.

Die Weibertreu.

Durch treue Weiber, Wein und Sang
Hat Weinsberg einen guten Klang.

An die malerische Burgruine auf dem rebenumkränzten Berge bei Weinsberg knüpft sich eine liebliche Sage, die mit goldenen Lettern aus der Geschichte des dunkeln Mittelalters hervorleuchtet und die Tugend der deutschen Frauen für alle Zeit im Ruhmesglänze zeigt. Zahllose Sänger und Dichter haben die alte Märe schon verherrlicht; und doch wird sie immer neu und schön bleiben.

Heiß entbrannte im 12. Jahrhundert in Süddeutschland der Kampf zwischen den Herrscherhäusern der schwäbischen Hohenstaufen und der bayerischen Welfen. Damals führte Konrad III, der erste Kaiser aus hohenstaufischem Geschlecht, das Szepter des Reiches. Der stolze Herzog Heinrich Welf von Bayern verweigerte ihm den Gehorsam. In der Nähe seiner getreuen Stadt Weinsberg hatte der Welfe seine Streitkräfte gesammelt. Konrad zog heran und schlug sie in hitzigem Gefechte. Die feindlichen Ritter zogen sich auf die Burg bei Weinsberg zurück, die auf steilem Hügel erbaut und von festen Mauern und Türmen umschirmt jedem Angriffe Trotz bot.

Der Kaiser aber hielt die Feste mit seinem Heere eng umschlossen. Da alle Stürme abgeschlagen wurden, so beschloß Konrad, der feindlichen Burg die Zufuhr abzuschneiden. Und der Hunger bezwang gar bald die tapferen Feinde. Die Besatzung der Burg mußte sich auf Gnade und Ungnade ergeben. Aufs äußerste erbittert über den trotzigen Widerstand, den er gefunden, und doch ein Held von ritterlichem Sinn, befahl der Kaiser: Alle männlichen Verteidiger der Burg müssen sterben, die Frauen aber dürfen frei abziehen, und jede hat dazu noch das Recht, was ihr das Liebste ist, mit sich aus der Burg zu nehmen. Die Stunde der Übergabe der Burg nahte heran. Weit öffneten sich die Tore der Feste. Und von der Höhe, den steilen Burgweg herab, zog langsam ein Zug edler Frauen, und auf dem Rücken trug eine jede das Liebste, was sie besaß: den Gemahl. So nahten sie sich, keuchend unter der teuren Bürde, dem Herrscher, der auf hohem Rosse am Fuße der Burg die Gefangenen erwartete.

Verwundert blickte des Kaisers Gefolge auf den seltsamen Zug, und manche spöttische Rede wurde aus den Reihen der eisengepanzerten Männer laut. Ernst aber blickte des Kaisers Kanzler und meinte streng: So war es nicht gemeint! Aber mild lächelnd sprach der Herrscher: Laßt sie in Frieden ziehen! An einem Kaiserwort soll man nicht drehen und deuteln!

So geschehen zu Weinsberg im Dezember des Jahres 1140 nach der Geburt unseres Herrn! Der Sänger der Weibertreu, Justinus Kerner, hat im Andenken an dieses Ereignis über den Eingang der Burgruine die Worte setzen lassen:

Getragen hat mein Weib mich nicht,
Aber ertragen!
Das ist ein schwereres Gewicht,
Als ich mag sagen.

(Fr. Hummel.)


 << zurück weiter >>